Pressekonferenz mit Mina Ahadi

Frauen fordern Änderung der Iranpolitik!

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Mina Ahadi (Vorsitzende des Zentralsrats der Ex-Muslime)

Gestern fand in Berlin eine Pressekonferenz der "Frauen für Freiheit" mit Mina Ahadi statt. Bei der Veranstaltung stand ein jüngst veröffentlichte Appell im Fokus, der eine Veränderung der deutschen Iran-Politik fordert und das Ende der Geschlechterapartheid im Iran fordert.

Seit mehr als zwei Jahren reißen die Proteste von Iranerinnen und Iranern nicht ab, seit November 2019 geht das Regime erneut brutal gegen das eigene Volk vor. Mehr als 1.500 Demonstranten sollen laut Berichten durch das Regime ermordet worden sein. Nach der Eliminierung Soleimanis und dem Abschuss des ukrainischen Passagierflugzeuges stellen sich Iranerinnen und Iraner wieder klar gegen das Regime und fordern sogar den Rücktritt Ayatollah Khameneis. Das Regime geht erneut mit brutaler Gewalt gegen die friedlichen Demonstranten vor.

Bei der Pressekonferenz am 16. Januar 2020 fordern Vertreterinnen der Unterzeichnerinnen des "Appell der Frauen" (siehe unten), sich klar mit den demokratischen Kräften im Iran zu solidarisieren und die Iranpolitik zu ändern.

Mina Ahadi, Zentralrat der Ex-Muslime Deutschland, verlangt von der deutschen Regierung eine andere Politik. "Im ersten Schritt sollte Frau Merkel den Mord von 1.500 Demonstranten öffentlich verurteilen und die Freilassung der 7.000 politischen Gefangenen verlangen. Frau Merkel, verurteilen Sie den Angriff auf das ukrainische Flugzeug und die Ermordung vom 176 unschuldigen Menschen, verlangen Sie eine genaue Erklärung dieser Tragödie."

Die Vorsicht deutscher Politiker sei unbegründet, erklärt Ulrike Becker, Leiterin Bereich Forschung beim Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB).

"Viele in Europa und in den USA sind der Meinung, dass es falsch wäre, sich offen auf die Seite der Proteste im Iran zu stellen. Man fürchtet nicht nur um die guten Kontakte in die Führung der Islamischen Republik Iran, sondern auch, die Menschen im Iran könnten dies als Einmischung von außen werten. Nichts ist jedoch falscher als das. Die Menschen im Iran brauchen die offene Unterstützung der demokratischen Gesellschaften. Sonst werden sie von den Revolutionsgarden einfach umgebracht.

Vorsichtige Appelle an die islamistische Führung in Teheran, auf Gewalt zu verzichten, reichen nicht aus. Schweigen über die Menschenrechtsverletzungen und über den Antisemitismus macht uns zu unfreiwilligen Komplizen. Wir sollten aufhören, dem Regime von außen eine Legitimation zuzuschreiben, die es im Inneren längst verloren hat.

Wir sollten uns von drei Illusionen über das iranische Regime verabschieden. Wenn wir helfen, das Regime zu konsolidieren, führt das erstens nicht zu Stabilität, sondern zu Instabilität in der Region. Es ist zweitens falsch, dass man die 'Moderaten' gegen die 'Hardliner' von außen stärken könnte. Diese Betrachtungsweise übersieht die Rolle des Obersten geistlichen Führers Khamenei, der die wesentlichen Entscheidungen trifft. Drittens: 'Wandel durch Handel' funktioniert nicht; vor allem die Firmen der Revolutionsgarden und des autoritären Staates profitieren vom Handel, während private Firmen weitgehend leer ausgehen und der Großteil der Bevölkerung unter der Misswirtschaft leidet."

Einzelunterzeichnerinnen, Organisationen und Initiativen appellieren an Auswärtiges Amt und Bundesregierung, nicht mehr einseitig das Regime zu stärken und stattdessen die Werte, die das Fundament der Bundesrepublik und der Europäischen Union bilden, nach außen zu vertreten.

"Denn wer Werte wie Gleichberechtigung und Toleranz in der Außenpolitik nicht konsequent vertritt, kann sie auch innenpolitisch gegenüber Extremisten nicht verteidigen. Sicherheitspolitik wirkt in beide Richtungen“, gibt Rebecca Schönenbach, Vorsitzende von Frauen für Freiheit e. V., zu bedenken. "Iranische Agenten haben in Deutschland jüdische Einrichtungen ausspioniert und iranische Oppositionelle bedroht. Wir brauchen Taten, die zeigen, dass die Gefährdung nicht hingenommen wird. Die Hisbollah droht Israel im Nahen Osten, die Hisbollah stellt eine Gefahr für Juden in Deutschland dar. Worte haben das Regime nicht beeindruckt, nun müssen Sanktionen erfolgen."

Daher fordern die Vertreterinnen des Appells auf der Pressekonferenz ein Gesamtverbot der Hisbollah, nicht nur das bereits vom Bundestag beschlossene Betätigungsverbot. Damit würde auch der Schutz iranischer Oppositioneller in Deutschland verbessert und gezeigt, dass die Verfolgung von Kritikern durch das Regime genau zur Kenntnis genommen wird. Im Iran selbst werden politische Gefangene gefoltert und hingerichtet, neben der vollständigen Aufklärung des Passagierflugzeugunglücks muss auch die Aufklärung von Hinrichtungen Oppositioneller verlangt werden.

Die iranischen TV-Journalistinnen Gelare Jabbari und Zahra Khatami sind zurückgetreten, da sie nicht über die Ermordung der Iranerinnen und Iraner durch ihre Regierung berichten dürften. Videos zeigen, dass am 12. Januar wieder zwei junge Frauen auf den Straßen Teherans angeschossen wurden, die friedlich demonstriert haben. Jetzt ist die Zeit, den Mut von Jabbari und Khatami zu unterstützen, den Mut der Frauen, die sich ungeschützt gegen die Kugeln des Regimes stellen.

Die ehemalige Europaabgeordnete Eva Quistorp zeigt sich enttäuscht von Frau Merkel und Herrn Maas wie auch von großen Teilen der Frauenpolitikerinnen, die zur Frauenbewegung im Iran gegen das islamistische Regime schweigen. "Als Vertreterin der Frauen für Frieden bin ich der Überzeugung, dass es zur Deeskalation beiträgt, wenn Europa und die deutsche Außenpolitik in der von Krieg und Terror geplagten Region viel klarer und lauter für Frauen- und Menschenrechte eintreten. Auch meine Partei Die Grünen fordere ich dazu auf, keine Werbefotos mit Vertretern des Regimes zu machen und sich stattdessen eindeutig auf die Seite der protestierenden Frauen gegen den Kopftuchzwang und das theokratische, korrupte Regime zu stellen."

Die Frauen richten einen Appell an die Bundeskanzlerin, die Werte zu vertreten, für die Frauen in Europa jahrzehntelang gekämpft haben und für die nun Iranerinnen ihr Leben riskieren. Frau Merkel, sprechen Sie den iranischen Frauen im Kampf um Gleichberechtigung öffentlich Ihre Solidarität aus!

Ulrike Becker, Mina Ahadi, Eva Quistorp, Rebecca Schönenbach
Ulrike Becker, Mina Ahadi, Eva Quistorp, Rebecca Schönenbach

Appell der Frauen: Ändert die Iranpolitik! – Beendet die Geschlechterapartheid!

Bereits seit zwei Jahren, seit Dezember 2017, wird im Iran gegen das iranische Regime demonstriert, das ihnen grundlegende Menschenrechte vorenthält. Obwohl das Regime das Internet abschalten ließ, dringen Berichte aus dem Iran, nach denen das Regime in den letzten Tagen mehr als 200 Menschen ermordet hat, die für ihre Rechte auf die Straße gegangen sind. Die Benzinpreissteigerung war zwar der jüngste Auslöser für weitere Proteste, aber nicht das Ziel der meisten Protestierenden, die Demokratie, Gleichberechtigung und Freiheit fordern.

Vor allem Frauen werden durch die Gesetze des Regimes zu Menschen zweiter Klasse degradiert, das Kopftuch ist Pflicht, Frauen sind von öffentlichen Veranstaltungen wie Fußballspielen ausgeschlossen, Vergewaltigungsopfer werden bestraft, kurz, im Iran herrscht eine totale Geschlechterapartheid.

Daher standen Frauen seit Beginn an der Spitze der Proteste: Vida Movahed wurde zur Ikone, als sie auf einem Stromkasten stehend protestierte, die Haare unbedeckt, ein weißes Kopftuch an einem Stock schwenkend. 24 Frauenrechtlerinnen wurden mittlerweile zu Gefängnisstrafen verurteilt, einige, wie Saba Kurdafshari zu Strafen von mehr als 20 Jahren.

Nachdem das Regime die Frauen trotz Verhaftung und Folter nicht von den Protesten abhalten konnte, ging es dazu über, die Anwälte der Frauen ins Visier zu nehmen. Die Anwältin Nasrin Sotuoudeh wurde z. B. wegen Staatszersetzung zu Gefängnis und Stockhieben verurteilt.

Während Frauen und Männer im Iran um ihre Rechte kämpfen, empfingen deutsche Staatsvertreter wie Bundespräsident Steinmeier immer wieder offiziell Vertreter des iranischen Regimes. Organisationen des iranischen Regimes wurden sogar mit staatlichen Geldern gefördert. Der deutsche Außenminister Heiko Maas traf sich mit dem iranischen Außenminister Zarif, der in dem öffentlichen Pressegespräch die Hinrichtung Homosexueller verteidigte.

Die bisherige Politik Deutschland hinsichtlich des iranischen Regimes ist gescheitert. Sie hat das Regime gestärkt und die freiheitlichen Kräfte im Iran allein gelassen. Daher fordern wir eine Änderung der Iranpolitik! Wir fordern die Bundesregierung auf, Demokratie und Gleichberechtigung, Werte, für die die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union stehen, auch gegenüber dem iranischen Regime zu vertreten.

Um glaubwürdig zu bleiben, muss die Bundesregierung zu einer Außenpolitik zurückkehren, die den Menschenrechten verpflichtet ist. Dazu gehört, Folgendes konsequent zu vertreten:

  • Die Freilassung aller Frauen, die verurteilt wurden, weil sie Gleichberechtigung forderten, die Freilassung aller politischen Gefangenen im Iran.
  • Die Aufhebung des Kopftuchzwangs.
  • Die Freilassung aller Europäer mit doppelter Staatsangehörigkeit, die von dem Regime als Geiseln gehalten werden.
  • Den Stop der Hinrichtung von Homosexuellen, den Stop aller Hinrichtungen im Iran.
  • Keine offiziellen Treffen mit Vertretern des Regimes, da diese von dem Regime zu Propagandazwecken und zur Legitimierung seiner Politik missbraucht werden.

Des Weiteren muss die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen der Außenpolitik gegenüber dem iranischen Regime und der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlands erkennen und dementsprechend handeln:

  • Die Einstellung der staatlichen Förderung aller Regime-nahen Organisationen, die iranische Propaganda in Deutschland verbreiten, insbesondere die Briefe Khameneis an die Jugend im Westen.
  • In Deutschland lebende iranische Oppositionelle vor den ernst zu nehmenden Drohungen iranischer Agenten schützen.
  • Die Hisbollah als Ganzes verbieten.
  • Sämtliche Organisationen in Deutschland verbieten, die zur Vernichtung Israels aufrufen.

Wir appellieren an die Bundesregierung, dem iranischen Regime mit konsequenten Sanktionen zu begegnen und es zu isolieren, solange Geschlechterapartheid im Iran herrscht. Geschlechterapartheid, Antisemitismus und Homophobie müssen international geächtet und diejenigen Kräfte gestärkt werden, die sich für Demokratie, Gleichberechtigung und Freiheit einsetzen.

Eine englische Version des Appells sowie die Unterschriftenliste findet sich auf der Webseite der "Frauen für Freiheit".

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