Vorliegende Gesetzentwürfe zu möglichem Wildwuchs

Laien-Suizidhilfe auch gegen Geld – weiter erlaubt?

Der pensionierte Lehrer Peter Puppe bietet seit 2005 Unterstützung zum "sanften Sterben ohne Arzt" an – anfangs als reinen Liebesdienst, schließlich gegen Vorkasse. Nun wird gegen ihn – aufgrund der Anzeige eines seiner Klienten – ermittelt. Laien-Suizidhelfern den Garaus zu machen, ist erklärtes Ziel zweier Vorschläge – zum einen aus ärztlich-medizinischer und zum anderen aus konservativ-christlicher Sicht, die beide einen neuen Paragraph 217 im Strafrecht vorsehen. Im Gegensatz dazu steht ein liberaler Gesetzentwurf aus humanistisch-individualethischer Sicht. Wie wird dort mit dem Problem heikler Fälle umgegangen?

Kritiker*innen sehen Laien-Sterbehelfer und Suizidberater wie den ehemaligen Bremer Lehrer Peter Puppe (76) als Folge eines gesetzlosen Wildwuchses vor Dezember 2015 und jetzt wieder nach Februar 2020, also nach Kippen des zwischenzeitlichen Suizidhilfe-Verbotes. "Wenn die Ärzte sich verweigern, dann füllen andere diese Lücke", klagte der Medizinrechtler Jochen Taupitz bereits 2014. Aktuell macht er sich wieder zusammen mit den Palliativärzten Gian D. Borasio und Ralf Jox sowie dem Medizinethiker Urban Wiesing – alle vier sind Hochschulprofessoren – für die ärztliche Suizidhilfe nach strikten Vorgaben stark. Dazu soll in einem – neuen – Paragraph 217 Strafgesetzbuch (StGB) die Hilfe zur Selbsttötung für alle nicht-ärztlichen Personen erneut strafbar werden. Es handelt sich dabei um eine nur leicht veränderte Version des von ihnen bereits 2014 vorgelegten Vorschlags aus ärztlich-medizinethischer Sicht. Ausgeschlossen von der Strafbarkeit sollen danach nur Ärzt*innen sein, welche die dort formulierten Absicherungsvorschriften penibel einhalten, sowie alle Angehörigen und sonstige Nahestehende.

Christian Arnold als großes Vorbild

In seiner flapsigen Art hatte Puppe schon damals öffentlichkeitswirksam darauf hingewiesen, wo ein solcher Strafausschließungsgrund "in Irrwitz umschlägt". Denn dann "würde ja eine Adoption die Sterbehilfe legalisieren". Zudem sei auch er ein Nahestehender, denn "es ist ein Liebesdienst, den ich den Menschen erweise". Nach seiner Berentung begann er dieser Mission gemäß kreuz und quer durchs Land zu reisen, um lebensmüden und hoffnungslos verzweifelten Menschen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Für die literarisch-drastische Darstellung seines ersten, für ihn entscheidenden Falles eines 90-jährigen Suizidenten, erhielt Puppe 2005 den mit 2.000 Euro dotierten Arthur-Koestler-Preis der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS).

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Sein großes Vorbild ist der 2019 verstorbene Arzt Uwe-Christian Arnold, den er seinen Freund nennt. Puppe hat dessen Porträt ihm zum Gedenken auf den Titel seines jüngsten Buches gesetzt. Aufgrund seiner Bücher und Selbstinszenierungen in Interviews erreichen Puppe bundesweit Hilferufe von chronisch kranken Patient*innen mit jahre-, manchmal jahrzehntelangen Leidenswegen – durch Kliniken, Operationssäle, von einem Arzt zum anderen, über Heilpraktiker und Akupunkteure, von einer Therapie zur nächsten. Nie, sagt er, läuft es bei seiner Suizidberatung gleich auf den Tod hinaus. Die Suizidwilligen, ob jung oder alt, spürten durch die Offenheit der Gespräche vielmehr eine solche Entlastung und Befreiung, die sich oft als suizidverhütend auswirken würde.

Andererseits erhält Puppe – genau wie seinerzeit Arnold – stapelweise Post, auch von Angehörigen, die etwa über ihren Sohn schreiben, an seinem Sterbetag habe dieser gesagt, es wäre sein Freudentag: "Es ist uns Eltern ein großes Bedürfnis, Ihnen zu danken!" Menschlich und psychisch ist verständlich, wie sich die neue Berufung als "Erlöser" erhebend auf Puppes Selbstwertgefühl auswirkt. So schilderte er 2014 in der taz stolz und begeistert: "Ich habe nie eine wertvollere Arbeit gemacht." Toll fühle es sich an. Es könne einen glücklich machen, wenn man merke, dass man etwas Sinnvolles tue.

Die Frage des Geldes und der Qualifikation

Das Verhältnis zu seinen sterbewilligen Klienten sei so vertraut, so herzlich, so warm und oft auch so humorvoll. Damals beteuerte er noch, ein Honorar nehme er nicht. "Aber manche schenken mir etwas." Bei Fragen nach seinen Gebühren habe er gesagt: "Geben Sie mir, was Sie für richtig halten, stecken Sie es in einen geschlossenen Umschlag"; und er werde den erst öffnen, wenn alles vorbei ist. Was er allerdings verlangt habe, seien die Fahrtkosten. Er sei dann aber nach und nach von der Freiwilligkeit der Geldleistungen, die er auch versteuert hätte, abgekommen und begründet das so: "Man hat ja keine Vorstellung, wie geizig Sterbende so sein können." Da sei er manchmal "regelrecht ausgenutzt worden". Er zieht Bilanz über am Ende knapp 200 Fälle von geleisteter Suizidhilfe – grob geschätzt: "Ich weiß die genaue Zahl nicht." Mit der Zeit ist er dazu übergegangen, dass Geldsummen im Voraus auf sein Konto zu überweisen sind – er sei ja "kein Wohltäter".

Noch vor dem Suizidhilfeverbot hatte die Hannoversche Allgemeine Zeitung Puppe folgende Fragen gestellt: Ob er überprüfe, welche Krankheiten die Patienten hätten? "Ich lasse mir keine Krankenunterlagen zeigen", antwortete Puppe. Wie er dann wissen wolle, dass sie unheilbar krank seien? "Ich erkenne, ob Menschen wirklich leiden. Man sieht es ihnen an." Ob Sterbehilfe nicht besser Ärzten vorbehalten bleiben sollte? "Ich kenne die Wege des selbstbestimmten Sterbens besser als 95 bis 98 Prozent aller Ärzte." Das war vor Dezember 2015, danach wurde ihm durch den Paragraph 217 StGB schon die bloße Sterbeberatung schwergemacht bis verunmöglicht. Als das Strafgesetz im Februar dieses Jahres gekippt wurde, habe er das als einen großen Triumph empfunden. Nun muss er nicht mehr aufpassen, sondern kann weitermachen wie zuvor vor nunmehr fast fünf Jahren.

Bis zu fünf Jahre Gefängnis gemäß Stiftung Patientenschutz

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Peter Puppe kann keinerlei Qualifikation vorweisen. Durch Auskundschaften von Methoden, medikamentöse und nicht-pharmakologische wie mit Edelgasen, hat er sich selbst ausgebildet zu einem Helfer für eine weitgehend beschwerdefreie und sichere Selbsttötung.

Ginge es nach dem Gesetzentwurf der Deutschen Stiftung Patientenschutz – einer Gründung des Malteser-Ordens – würden ihm bis zu drei oder sogar fünf Jahre Gefängnis drohen. Und das, auch wenn es gar nicht zu einer Selbsttötung kommt. Im christlich-konservativen Sinne soll allein für die auf Wiederholung angelegte Förderung von potentiellen Selbsttötungen die am strengsten möglichen Kriterien gelten, die noch im Rahmen des Bundesverfassungsgerichtsurteils möglich wären.

Ebenso wie Steffen Augsberg, Professor für Öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Mitglied des Deutschen Ethikrates, schlägt die Stiftung laut Ärztezeitung einen neuen Paragrafen im Strafgesetzbuch vor, der profitorientierte Suizidhilfe verbietet.

Im Gesetzentwurf der Deutschen Stiftung Patientenschutz wird die Zulässigkeit der Suizidhilfe allgemein an das Vorliegen fachlicher Qualifikationen sowie die Erfüllung prozeduraler Voraussetzungen geknüpft. Anders als im oben genannten Entwurf von Taupitz, Borasio und anderen wird die ärztliche Suizidhilfe darin nicht privilegiert. Jede gewerbsmäßige (das heißt gewinnorientierte) Förderung von Suiziden soll laut Vorschlag der Stiftung Patientenschutz unter allen Umständen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bedroht werden.

Was wäre Peter Puppe vorzuhalten?

Die teils übermäßige Anerkennung in Verbindung mit Geldzuwendungen, die herausgehobene Einzigartigkeit bei unkontrollierbaren Alleingängen sind eine ungute Mischung, die zu Selbstüberhöhungen und Fehlentwicklungen führen. Der selbsternannte Suizidhelfer und -berater Puppe kann jetzt wieder schalten und walten wie früher. Doch scheint aus dem ursprünglichen Wohltäter aus Menschenliebe ein Leistungserbringer geworden zu sein, der zunächst suizidwiligen Klienten genaue Angaben zu Vorkasse-Zahlungen und Verrechnungsmöglichkeiten präsentiert. Laut Weser Kurier ist Puppe jetzt im Frühjahr von einem seiner Klienten angezeigt worden, ermittelt würde wegen Betrug und Wucher. Puppe bestreitet, dem Klienten die Beschaffung tödlich wirkender Medikamente in Aussicht gestellt oder gar zugesagt zu haben.

Der Betroffene klagt nun dagegen, dass er in Erwartung dessen erhebliche Vorauszahlungen habe leisten müssen. Zunächst habe er von Puppe einen Brief mit genauen Angaben zur Zahlungsmodalität erhalten: 280 Euro für die schriftliche Ausfertigung der "persönlichen Handreichung" mit Tipps, welche Mittel und Methoden fürs selbstbestimmte Sterben taugen; Geld für eine 15-seitige Mappe, das verrechnet würde, falls es zum Beratungsgespräch käme. Für dieses Treffen berechnete der Sterbehelfer in einem Schreiben, das dem Weser Kurier vorliegt, eine "Aufwandsentschädigung" von 480 Euro. Außerdem bietet er für 24,80 Euro noch sein Buch an, das er über Sterbehilfe geschrieben hat. Puppe habe ihn dann besucht, "der kam nach zwölf und war um eins schon wieder weg". Der Klient, schwer an der Lungenkrankheit COPD leidend, sagt, es sei eine einzige Enttäuschung für ihn gewesen. Die Leistung habe nur darin bestanden, dass Puppe ihm nicht mehr gesagt habe, als sowieso in der Mappe stand.

Steht dazu etwas im Gesetzentwurf der Humanisten?

Sollte sich ein liberaler Gesetzentwurf wie der des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) durchsetzen, so ist dort zwar auch im Paragraph 11 (1) die Förderung der gewerbsmäßigen Suizidhilfe unter Strafe gestellt. Aber ein Strafmaß bis zu zwei Jahren soll nur unter der Bedingung gelten, dass Mittel oder Verfahren aus kommerziellem Interesse werbend angepriesen werden, um mit dem Verkaufsversprechen einer vermeintlich leichten und schnellen Selbsttötung einen anderen zu dieser anzustiften oder zu verleiten. Letzteres kann Peter Puppe anhand des hier dargestellten Falles wohl kaum unterstellt werden. Zudem wird im selben Paragrafen unter (2) und (3) klargestellt, dass angemessene Gebühren oder Beiträge, die "nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Leistungen" stehen sowie Informationsmaterialien von Anbietern geschäftsmäßiger (das heißt wiederholter, aber nicht kommerziell ausgerichteter) Suizidhilfe von Strafbarkeit ausgeschlossen sind.

In der jüngsten Publikation Vorgänge der Humanistische Union (HU) sind die drei erwähnten außerparlamentarisch vorgelegten Gesetzentwürfe in voller Länge veröffentlicht und kurz skizziert. Über den Bundesverband des HVD heißt es dort, er "hat im Mai 2020 den Vorschlag für ein 'Gesetz zur Bewältigung von Suizidhilfe- und Suizidkonflikten' vorgelegt, das die Errichtung eines bundesweiten Netzes an Suizidkonfliktberatungsstellen vorsieht. Diese Einrichtungen können nach einer ergebnisoffenen Beratung eine entsprechende Bescheinigung ausstellen. (…) Die Teilnahme an einer Beratung ist nicht verpflichtend. (…) Die Durchführung der Suizidhilfe soll dem Entwurf zufolge sowohl für Ärzte wie für Sterbehilfe-Organisationen zulässig bleiben."

Auch Peter Puppe hätte dann weiterhin wegen seiner Aktivitäten zumindest strafrechtlich nichts zu befürchten. Aber sein Selbstverständnis wäre wohl nachhaltig angekratzt – und zwar schon jetzt, aufgrund möglicher zivilrechtlicher Folgen. Dazu hat der Weser Kurier getitelt: "Bremer Sterbehelfer und Klient gehen gegeneinander vor" – auch so kann ja ein anfänglicher Mythos vom "Liebesdienst" enden.

Der HVD-Gesetzentwurf wird näher erläutert und diskutiert im Video-Gesprächsformat "Sterbehilfe in Deutschland – Wie geht es weiter?" mit der Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP) am 6. August, 15.00 – 16.30 Uhr, Einwahldaten:

Teilnahme mittels Computer: global.gotomeeting.com/join/663427933

Teilnahme mittels telefonischer Direktwahl: +498920194301,,663427933#

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Hinweis der Redaktion: Aufgrund eines Hinweises wurde ein Absatz des Artikels verändert.