Tunesische Bloggerin flüchtet nach Blasphemie-Verurteilung nach Deutschland

Die 27-jährige Bloggerin Emna Chargui hatte im Mai 2020 auf Facebook einen nicht selbst erstellten Aufruf zu Corona-Schutzmaßnahmen eingestellt. Da dieser den Stil einer Koran-Sure hatte und als Corona-Sure bezeichnet wurde, erhielt Chargui nicht nur unzählige Todes- und Gewaltdrohungen, sondern musste sich auch vor Gericht verantworten. Nach einer Verurteilung zu Haft- und Geldstrafen ist die Bloggerin aus Furcht um ihr Leben nun nach Deutschland geflohen.

Dass ein im sozialen Netzwerk Facebook geteilter Aufruf, die Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 einzuhalten, so viel Ärger verursachen könnte, hatte Emna Chargui nicht erwartet. Die 27-jährige Studentin und religionskritische Bloggerin aus Tunesien hatte einen Beitrag geteilt, der als Corona-Sure bekannt geworden ist. Wahrscheinlich in Frankreich erstellt, erinnert die Aufforderung daran, zu Hause zu bleiben, sich die Hände zu waschen und Abstand zu halten, an eine Sure des Koran. Die Umrandung ist prächtig verziert und mit stilisierten Covid-Erregern bedruckt. Dieses Posting rief diejenigen Tugendwächter auf den Plan, die in dem Beitrag eine Gotteslästerung sahen. Sie überschütteten Chargui mit Androhungen sexueller Gewalt und Mord. Selbst die Behörden schritten ein. Jedoch nicht, um die Bloggerin vor Attacken zu schützen, sondern um sie vor Gericht zu stellen.

Obwohl Tunesien – islamistischen Strömungen zum Trotz, die eine solche einfordern – keine Anti-Blasphemie-Gesetzgebung hat, können Menschen wegen Störung der öffentlichen Ruhe oder der öffentlichen Moral, dem Aufruf zum Hass zwischen Religionen, der absichtlichen Störung des Anstandes einer Person oder die Verletzung und Beleidigung in öffentlichen Kommunikationsnetzwerken verurteilt werden. Immer wieder werden diese Möglichkeiten genutzt, um Menschen wegen vermeintlicher Blasphemie zu verurteilen.

So auch Emna Chargui, die im Juli schließlich in erster Instanz zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe von 2.000 Dinar (knapp 617 Euro) verurteilt wurde. Chargui hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren sowohl das Urteil als auch den Umgang mit dem Recht auf Meinungsfreiheit. Die Verurteilung sowie die massive und bisher ungeahndete Bedrohung der Bloggerin kann dafür sorgen, dass Menschen sich nun fürchten, ihre Meinung öffentlich zu äußern.

Nachdem die 27-Jährige zuletzt immer wieder ihren Aufenthaltsort wechseln musste, um nicht Gewalt zum Opfer zu fallen, hat sie nun Tunesien verlassen. Auf ihrem Facebook-Profil gab Emna Chargui an, nach Deutschland geflohen zu sein.

Angesichts der Ungerechtigkeit und befürchtend, dass der Druck religiöser Extremisten durch solche Urteile und durch den laschen Umgang mit Drohungen noch verstärkt wird, haben sich viele Tausende Menschen mit Chargui solidarisiert. Mit Demonstrationen und Online-Aktivismus unter dem Hashtag #freeemnachargui unterstützen sie sowohl die Bloggerin als auch die Meinungsfreiheit.

Wie gefährlich allein schon eine Beschuldigung der Blasphemie sein kann, zeigte sich erst kürzlich in Pakistan. Dort stand ein Mann wegen des Vorwurfs der Blasphemie vor Gericht und wurde im Gerichtssaal erschossen. Sein Mörder wurde nicht nur von der ihn inhaftierenden Polizei mittels Selfies gefeiert, sondern auch von einem tobenden Mob, welcher nach Gewalt gegen alle ruft, die womöglich ihre Religion kritisieren.

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