Asylpolitik in Deutschland

Wenn ein Mädchen weint...

BERLIN. (hpd) Seit gestern wird in Medien und Sozialen Netzwerken erbittert debattiert. Auslöser dafür ist ein Bericht des NDR über den Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei Schülern einer Rostocker Schule. Sie will sich mit den Schülern über das "Gute Leben" unterhalten und wird dann mit einer Wirklichkeit konfrontiert, mit der sie nicht gut umgehen kann.

Reem ist eine aus dem Libanon nach Deutschland geflohene Palästinenserin. Sie erzählt der Kanzlerin von ihren Plänen und Wünschen: sie will studieren "wie jeder andere…". Allerdings sei über den Asylantrag ihrer Eltern noch nicht entschieden worden und so drohe ihr die Abschiebung.

Etliche bescheinigen der Bundeskanzlerin in den Reaktionen bei Twitter das Fehlen jeglicher Empathie. Dabei ringt diese sichtbar im zweiten Ausschnitt des NDR-Beitrages kurz um Fassung. Das ist für diese immer kühl wirkende Frau schon ein Ausbruch an Emotionen.

Andererseits: Was hätte Frau Merkel antworten können? Sie ist ja immerhin die Bundeskanzlerin eines Landes, das genau eine solche Flüchtlingspolitik macht, die dazu führt, dass es Schicksale wie das von Reem gibt?

"Wenn du jetzt vor mir stehst, dann bist du ja ein unheimlich sympathischer Mensch, aber du weißt auch, in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon gibt es noch Tausende und Tausende und wenn wir jetzt sagen 'Ihr könnt alle kommen und ihr könnt alle aus Afrika kommen und ihr könnt alle kommen', das, das können wir auch nicht schaffen" sagte sie dem Mädchen, dass ihr zuvor seine Wünsche und Träume schilderte. Etwas anderes hat sie nicht sagen können; ist es doch, was sie ihre gesamte politisch Karriere lang vertreten hat.

#merkelstreichelt führte lange die Top10 der Twitter-Trends an
#merkelstreichelt führte lange die Top10 der Twitter-Trends an

Allerdings ist der dann folgende Satz eine schallende Ohrfeige für das hilfesuchende Kind: "die einzige Antwort, die wir sagen ist: bloß nicht so lange, dass es so lange dauert, bis Sachen entschieden sind. Aber es werden auch manche wieder zurückgehen müssen." Tatsächlich zeigt Frau Merkel fehlendes Mitgefühl, als die auf Reem zugeht und sie tröstend streicheln will. Sie hat tatsächlich nicht verstanden, dass das Mädchen nicht vor Aufregung weinte, sondern weil es von der Landesherrin erfahren musste, dass ihr Schicksal völlig irrelevant ist.

Tatsächlich sollte es in der ganzen Debatte nicht um die weinende Reem oder eine emotional völlig überforderte Kanzlerin gehen, sondern um eine Politik, die solche Schicksale ermöglicht.

Eine Twitter-Userin bringt das, was in Rostock geschah und das Netz erregt, auf den Punkt: "wenn aus Zahlen und Tabellen auf einmal ein weinendes Kind wird und man Ungerechtigkeit nicht eben mal wegstreicheln kann" und Michael Penquitt kommentiert auf Facebook: "Angela Merkel und ihre Kollegen haben beschlossen, dass Kindern wie Reem die Zukunft verbaut wird. Dass sie und ihre Familien ohne Weiteres abgeschoben werden können, obwohl es dafür keinen ersichtlichen Grund gibt. Dabei brauchen wir Menschen wie sie! Sie bereichern uns auf so viele Weisen!"

Die ganze Aufregung über diesem Einzelfall unter Tausenden, denen ein ähnliches Schicksal bevorsteht, hat einen Grund: hier hat eine Nicht-Zukunft in diesem Lande ein Gesicht bekommen.
Das eines "sympathischen Menschen".