In der mir nur aus den Wartezimmern von Ärzten oder der Auslage beim Friseur bekannten Zeitschrift Brigitte meldete sich jüngst die Autorin Susanne Schumann zu Wort. Sie hätte es besser nicht tun sollen, denn anders als sie kundtut, muss ein Atheist nicht gläubig sein.
Frau Schumann schreibt allen Ernstes über "7 Dinge, an die ich als Atheistin glauben muss". Und fängt gleich mal mit dem Beweis an, dass sie nicht begriffen hat, dass es zwischen dem Glauben an etwas Übernatürliches und daran, dass es morgen wieder hell wird, einen klitzekleinen Unterscheid gibt. Wie gut haben es da die Englisch-Sprechenden, die zwischen "faith" und "belief" unterscheiden können.
Schon der Satz "Ich glaube nicht einfach nur nicht an Gott, sondern ich glaube, dass es ihn nicht gibt" zeigt, wie wenig die Autorin den Unterschied zwischen den beiden Bedeutungen des Wortes verstanden hat. Im Übrigen würde jemand, der sich selbst als Atheist bezeichnet, eher sagen, dass er weiß, dass es "ihn" nicht gibt – denn nur zu glauben (im Sinne von annehmen), dass es ihn nicht geben könnte, nennt man Agnostizismus. Aber das nur am Rande.
Frau Schumann "glaubt" auch an den Zufall. Nun ja; Zufälle gibt es, ob ich daran glaube oder nicht. Das jedoch nennt man nicht "Glaube", sondern Gewissheit (also das genaue Gegenteil von Glaube).
Man kann davon ausgehen, dass Frau Schumann von der Brigitte-Redaktion darum gebeten wurde, mit dem Wortspiel Glaube/glauben herumzuspielen. Leider ging das gründlich schief. Denn wer schreibt: "[I]ch […] komme tatsächlich deutlich besser klar, seit ich mich auf mich selbst verlasse, statt auf Gott" ist schon auf der richtigen Spur, verheddert sich allerdings andauernd an der deutschen Sprache.
Und so kann der abschließende Satz der Autorin: "Ich bezweifle, dass ich glücklich sein könnte, ohne an die genannten und vielen anderen Dinge zu glauben, an die ich glaube" übersetzt werden mit: "Es ist, wie es ist."
Aber die Brigitte hat ihren Leser*innen verklickert, dass Atheisten auch Gläubige sind. Prima!
4 Kommentare
Kommentare
Michael Haß am Permanenter Link
Die durchschnittliche Brigitte-Leserin dürften derartige sprachliche Feinheiten wie vom Autor konstatiert aufgrund jahrelangen geistigen Müßiggangs eh nicht interessieren.
Markus Schiele am Permanenter Link
Zitat: "... würde jemand, der sich selbst als Atheist bezeichnet, eher sagen, dass er weiß, dass es 'ihn' nicht gibt ..."
Das kann man wohl so definieren; für sinnvoll halte ich es nicht. Kaum jemand der "Atheisten" die ich kenne, würden in diese dogmatische - und ja: arrogante - Kategorie passen. Richard Dawkins z.B., der einmal ein Spektrum der Glaubensgewissheit vorgestellt hat, würde sich selbst nicht diese extreme Randposition einordnen. Die mir bekannten Atheisten gehen einfach nicht davon aus, dass es einen Gott gibt und leben ihr Leben entsprechend. In diesem Sinne würde auch ich mich als pragmatischen Atheisten bezeichen. Philosophisch-theoretisch wäre ich allerdings tatsächlich ein Agnostiker. Ich vermeide letzteres Wort in der Regel, da die meisten Leute, die es überhaupt verstehen, meinen, man sei in der Gottesfrage völlig unentschieden.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Ohne Brigitte gelesen zu haben, ich sehe positiv, dass über Atheismus überhaupt geschrieben wird, ohne vom Anfang an es zu diskreditieren.
M.S. am Permanenter Link
Aber es wird doch diskreditiert. Alle sind gläubig und Atheisten nur zu doof es zu merken.