Narzissten wollen die Welt in Geiselhaft nehmen

Was Trump und Bhagwan verbindet

Donald Trump ist ein Meister der Provokation und Selbstinszenierung. Seine Amtszeit wirkt wie eine einzige Theateraufführung, bei der sich die Zuschauer beliebig einklinken und eine kurze Weile im Zuschauerraum verweilen können. Denn der amerikanische Präsident liefert auf der Bühne das immer Gleiche in unzähligen Variationen.

Hat man sein System begriffen, wird das Stück langweilig. Allerdings überrascht Regisseur und Schauspieler Trump immer mal wieder mit Pointen, die selbst einem Schriftsteller nicht so schnell einfallen würden.

So auch vergangene Woche. Covid-Patient Trump flüchtete aus dem Krankenbett und winkte aus seinem Fahrzeug heraus seinen treuen Wählern zu, die Spalier standen und ihm zujubelten. Der Präsident konnte offensichtlich seine Sehnsucht nach Verehrung durch seine Fans nicht mehr zügeln und brauchte das Bad in der Menge.

Trump erinnert mit seinem unbändigen Bedürfnis nach Anerkennung und Verehrung an den Guru Bhagwan, der sich auch Osho nannte. Der Inder ließ sich einst von seinen Anhängern in der Wüste von Oregon ein Paradies für mehrere hundert Sannyasins bauen.

Dort bewältigte er die rund 400 Meter von seiner Residenz zur Buddha-Hall mit einem Rolls Royce, wobei seine Anhänger verpflichtet waren, Spalier zu stehen und ihm begeistert zuzuwinken. Um das Verehrungsritual auf die Spitze zu treiben, schenkten ihm seine Anhänger 99 Rolls Royce. Das erlaubte es Osho, täglich eine neue Luxuslimousine zu benutzen.

Sein Ziel war es, seine Flotte auf 365 Edelkutschen aufzustocken, um an jedem Tag des Jahres ein neues Gefährt durch die jubelnde Menge zu pilotieren. Probleme mit den Einwanderungsbehörden machten ihm aber einen Strich durch die Rolls-Royce-Rechnung.

Bhagwan wird auf einem seiner täglichen "Drive-bys" von am Straßenrand auf ihn wartenden Sannyasins gegrüßt. Foto: © Samvado Gunnar Kossatz, Wikipedia, gemeinfrei

Bhagwan wird auf einem seiner täglichen "Drive-bys" von am Straßenrand auf ihn wartenden Sannyasins gegrüßt. Foto: © Samvado Gunnar Kossatz, Wikipedia, gemeinfrei

Nach seiner Ausreise aus den USA verließen auch die Sannyasins den riesigen Ashram fluchtartig. Das millionenschwere Paradies, das sie finanziert und durch Fronarbeit aufgebaut hatten, zerfiel.

Auch der Bau des Sektenzentrums erinnert an Trump. Osho ging es nur um seine Person. Seine Anhänger mussten ihm ein Denkmal bauen und ihm als Kulisse für seine narzisstische Selbstinszenierung dienen.

Ähnlich verhält sich der amerikanische Präsident. Er spricht zwar dauernd von "America first", meint aber sich selbst. An das Wohl der Bevölkerung denkt er nur, wenn es ihm etwas nützt. Etwa, um die Wahlen zu gewinnen.

So erklärte er, die Corona-Unterstützung bis zu den Wahlen auszusetzen und die Armen und die Wirtschaft hängen zu lassen. Eine Erpressung. Denn Trump verkündete im gleichen Atemzug, er stocke das Hilfspaket sofort auf, wenn er wiedergewählt werde.

Es gibt noch andere Parallelen zu Osho. Auch Trump gebärdet sich als Heilsbringer. Sprichwörtlich ist auch sein Führerkult. Viele Tweets befassen sich damit, dass die USA ohne seine angeblichen genialen Deals verloren seien. Das erinnert schon fast an apokalyptische Szenarien, wie sie viele Gurus und Sektenführer verkünden.

Trump und Bhagwan verbindet auch der destruktive Hang zur Provokation. Ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ist größer als die Angst vor Kritik. Das ist ebenso irrational wie paradox: Sie lechzen nach Verehrung und Anerkennung, stoßen mit ihrem provokativen Verhalten aber gleichzeitig weite Bevölkerungskreise ab. Das Dilemma der Narzissten.

Posen und große Gesten sind auch das Markenzeichen vieler politischer Führer und Gurus. Die öffentliche Selbstinszenierung demonstriert vermeintliche Stärke und Unbesiegbarkeit. Es ist das Doping der Narzissten, die nach Macht, Ruhm und Ehre streben.

Eine weitere Parallele zwischen Trump und Osho sind Verfolgungs- und Verschwörungsängste. Der Guru ließ sein Paradies in der Wüste von seinen Kriegern bewachen, die mit durchgeladenen Maschinengewehren Patrouille schoben. Außerdem sicherten zeitweise Helikopter das Sektengelände ab. Und der Guru war überzeugt, in einem amerikanischen Gefängnis vergiftet worden zu sein.

Trump als Verschwörungstheoretiker

Auch Trump ist ein eingefleischter Verschwörungstheoretiker, wie er mit seinen Tweets dutzendfach dokumentiert hat.

Unter Verfolgungswahn leiden und litten auch viele andere Sektenführer und mit ihnen zwangsläufig ihre Anhänger. Die kollektiven Sektendramen der Sonnentempler von Joe Di Mambro (74 Tote), der Volkstempler von Jim Jones (900 Tote), von Marshall Applewhite's "Heaven's Gate" (40 Tote) usw. belegen es eindrücklich. Ein Paradebeispiel für Verfolgungswahn ist auch der japanische Guru Shoko Asahara (13 Tote, 6.000 Verletzte).

Die Vermischung von Politik und Religion respektive Spiritualität beherrscht Trump und beherrschte Osho bestens. Obwohl Trump die christlichen Werte wie Respekt, Würde, Gerechtigkeit und Anstand (zum Beispiel gegenüber Frauen, Schwarzen und Immigranten) mit Füßen tritt, gibt er sich als frommer Christ und verlegte die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, um sich bei den Evangelikalen anzubiedern. Und er sagte diese Woche: "Es war Gottes Segen, dass ich an Corona erkrankte."

Die faschistoiden Züge von Osho

Osho wiederum war nicht nur ein spiritueller Meister, er verfasste auch ein politisches Manifest, das die Handschrift eines potentiellen Autokraten – wie er Trump gern wäre – oder gar eines Diktators zeigt. In seinem Buch "Die goldene Zukunft" entwickelte er ein neues Gesellschaftsmodell, das faschistoide Züge trägt.

Danach darf in "Osho-Land" nur zur Wahl gehen, wer einen Meditationskurs nach bhagwan'scher Methode absolviert hat. Gläubige anderer Religionen müssen umerzogen werden, damit sie vom Aberglauben befreit werden. Wählbar ist nur, wer die Matur bestanden hat und durch die Osho-Schule gegangen ist. Uneingeschränkte Bürgerrechte haben also nur Osho-geeichte Individuen.

Osho wollte Behinderte in den Tod schicken

Nach Oshos Politkonzept dürfen nur künstlich befruchtete Kinder zur Welt gebracht werden. Vorher werden die Gene der Samen und Eier getestet. Osho wörtlich: "Künstliche Besamung ist die einzige wissenschaftliche Methode, um das beste Kind zu finden. 'Ich bin der Vater' – diese alte Vorstellung müssen wir aufgeben. Wir müssen umlernen: 'Ich habe das beste Kind ausgesucht' – das sollte der Stolz des Mannes sein."

So könnten laut Osho Missbildungen vermieden werden. Familien sind laut Osho überholt, Kinder sollten in speziellen Kommunen aufwachsen.

Schließlich sollen Behinderte "in den ewigen Schlaf geschickt" werden, wie der Guru die Euthanasie verräterisch umschreibt. "Und es ist gar kein Problem dabei: Nur der Körper löst sich wieder in die Elemente auf, die Seele sucht sich einen andern Mutterschoß. Nichts wird zerstört."

Willkommen in der schönen neuen Welt der Narzissten.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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