Kommentar

Für eine sofortige und entschädigungslose Abschaffung der Staatsleistungen

Während sich der Bund für Geistesfreiheit (bfg) für die entschädigungslose Abschaffung der Staatsleistungen ausspricht, haben Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke einen gemeinsamen "Entwurf für ein Grundsätzegesetz zur Ablösung der Staatsleistungen" in den Bundestag eingebracht, der den Kirchen eine hohe Ablösesumme in Aussicht stellt und noch im Herbst im Bundestag beraten werden soll. Dazu ein Kommentar des bfg München.

Seit 1949 haben die beiden großen Kirchen in Deutschland circa 19 Milliarden Euro an sogenannten "historischen Staatsleistungen" erhalten. Allein in diesem Jahr beliefen sich die Zuwendungen auf insgesamt 570 Millionen. Dabei geht es nicht um Zahlungen des Staates, die zum Beispiel für den Betrieb von Kindergärten, Krankenhäusern, Pflege- und Seniorenheimen an Caritas oder Diakonie geleistet werden, sie sind auch nicht zu verwechseln mit der Kirchensteuer, sondern die Kirchen bekommen das Geld wegen der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts. Zur Zeit der napoleonischen Kriege wurden die geistlichen Territorien und Kirchengüter des "Heiligen Römischen Reichs" säkularisiert, das heißt, sie wurden der Hoheit der größeren weltlichen Landesfürsten unterstellt.

Wenn man Menschen – ganz gleich, ob gläubig oder ungläubig – versucht, die sogenannten "Staatsleistungen" zu erklären, stellt man fest: Kaum jemand weiß davon. Nach dem ersten Staunen folgen Kritik und Zorn. Kritik an einer Politik, die den Kirchen jedes Jahr Geld der Steuerzahlerinnen und -zahler überweist, obwohl seit 1919 (Weimarer Reichsverfassung) beziehungsweise seit 1949 (Grundgesetz) ein Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen besteht. Zorn auf eine Kirche, die das Geld nimmt und das mit der Säkularisation zur Zeit der napoleonischen Kriege begründet.

Wie soll man Menschen, vor allem Konfessionsfreien, auch erklären, dass die katholische Kirche in Bayern ihr Steuergeld zum Beispiel für das Personal der Erzdiözesen – einschließlich der Jahresrenten für Erzbischöfe und Bischöfe – verwendet. Jedoch gehört seit der Trennung von Kirche und Staat 1919 die Finanzierung kirchlicher Belange nicht mehr zu den staatlichen Aufgaben. Dem Staat ist es untersagt, bestimmten Religionsgemeinschaften Vorteile zu gewähren, damit verstößt er gegen das Gebot der religiösen und weltanschaulichen Neutralität.

Am 13. März dieses Jahres haben Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke einen gemeinsamen "Entwurf für ein Grundsätzegesetz zur Ablösung der Staatsleistungen" in den Bundestag eingebracht. Noch am gleichen Tag schrieb der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz, Sprecher für Religion und Weltanschauungen seiner Fraktion, in einer Mitteilung: "Das Gesetz ist aus einem langen Abstimmungsprozess hervorgegangen, in den sowohl die Koalitionsparteien als auch Vertreterinnen und Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen einbezogen waren."

Wie wäre es mit Rückzahlung beziehungsweise Einzahlung in einen Opferfonds?

Es überrascht, dass die Verhandlungen aller Parteien im Bundestag mit den Kirchen ohne öffentliche Debatte stattgefunden haben. Verärgert ist man schließlich über das Ergebnis der Verhandlungen. Laut Gesetzentwurf soll zur Ablösung der Staatsleistungen das 18,6-fache der Summe des Jahres 2020 über einen Zeitraum von 20 Jahren gezahlt werden. Das wären circa 10,6 Milliarden Euro. Bis zur endgültigen Ablösung sollen zudem die Staatsleistungen weitergezahlt werden. Das hieße, die Kirchen bekämen 20 Jahre lang zum einen die jährlich steigenden Staatsleistungen und zum anderen den jährlichen Beitrag zur Ablösesumme – insgesamt rund 22 bis 25 Milliarden Euro. Das ist deutlich mehr als das, was von 1949 bis 2020 gezahlt wurde.

Der Bund für Geistesfreiheit München spricht sich stattdessen für eine sofortige und entschädigungslose Abschaffung der Staatsleistungen aus. Falls die Kirchen auf die dann fehlenden Einnahmen angewiesen sein sollten, kann eine Erhöhung der Kirchensteuer den Fehlbetrag ausgleichen.

Selbst wenn man der Auffassung ist, dass es sich bei den Staatsleistungen um Entschädigungszahlungen aufgrund von Säkularisierungsprozessen handelt – nach über 200 Jahren sind diese Verpflichtungen längst und um ein Mehrfaches abgegolten.

Ob die Kirchen überhaupt einen Anspruch auf Entschädigung haben, darüber aber sollte nicht nur juristisch, sondern auch politisch und moralisch diskutiert werden. Haben doch die geistlichen Kurfürstentümer, Fürstbistümer, Reichsabteien etc. ihre Territorien und Güter in feudalen Zeiten erworben, unter Ausbeutung der ansässigen Untertanen die Gewinne eingestrichen und ihren Besitz und ihr Vermögen jahrhundertelang vermehrt. Zudem waren die Kirchen nicht selten Nutznießer von "Hexen"-Verfolgungen, Pogromen gegen Juden oder Andersgläubige und haben sich die Besitztümer der Vertriebenen und Getöteten einverleibt.

Wurden denn die Opfer der Kirchen, ihre Angehörigen oder Nachkommen jemals angemessen entschädigt? Wie wäre es mit einer Rückzahlung der seit 1949 erhaltenen Staatsleistungen beziehungsweise die Einzahlung der Summe in einen Opferfonds? Gerne auch ratenweise über 20 Jahre.

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