bfg München

Demonstration gegen Milliardengeschenk an Kirchen

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Der Bund für Geistesfreiheit München demonstriert heute anlässlich der Anhörung im Bundestag zu den historischen Staatsleistungen vor dem Erzbischöflichen Palais in der Kardinal-Faulhaber-Straße sowie vor dem evangelischen Landeskirchenamt in der Katharina-von-Bora-Straße in München. Die Kundgebungen richten sich gegen die milliardenschwere Ablösesumme, die den Kirchen vom Staat gezahlt werden soll.

Der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München fordert seit langem die sofortige und entschädigungslose Ablösung der historischen Staatsleistungen. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, veranstaltet die Körperschaft des öffentlichen Rechts heute zwei Kundgebungen vor dem Erzbischöflichen Palais in der Kardinal-Faulhaber-Straße sowie vor dem evangelischen Landeskirchenamt in der Katharina-von-Bora-Straße. Anlass ist die heute stattfindende Anhörung im Innenausschuss des Bundestags zum "Entwurf für ein Grundsätzegesetz zur Ablösung der Staatsleistungen", den Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke am 13. März 2020 eingebracht haben und der am 5. November 2020 in erster Lesung im Bundestag diskutiert wurde.

Laut Gesetzentwurf soll zur Ablösung der Staatsleistungen das 18,6-Fache der Summe des Jahres 2020 über einen Zeitraum von 20 Jahren gezahlt werden. Das wären über 10 Milliarden Euro. Bis zur endgültigen Ablösung sollen zudem die Staatsleistungen weitergezahlt werden. Das hieße, die Kirchen bekämen 20 Jahre lang zum einen die jährlich steigenden Staatsleistungen, zum anderen den jährlichen Beitrag zur Ablösesumme – die Schätzungen reichen von insgesamt circa 22 bis 25 Milliarden Euro. Auf alle Fälle wäre es deutlich mehr als 19,5 Milliarden Euro, das ist der Betrag, der von 1949 bis 2021 insgesamt an Staatsleistungen geleistet wurde, wie Recherchen der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union belegen. Allein auf Bayern würden bis zur endgültigen Ablösung der Staatsleistungen in 20 Jahren etwa weitere 4,4 Milliarden Euro hinzukommen. In den 73 Jahren seit 1949 wurden dagegen nur 4,1 Milliarden Euro vom Freistaat an die Kirchen gezahlt.

Bei Michael Wladarsch, Vorsitzender des bfg München, trifft der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke auf völliges Unverständnis. "Nach über 200 Jahren 'Entschädigungszahlungen' an die Kirchen gibt es zum Abschluss noch eine zweistellige Milliardensumme hinten drauf – eigentlich ein Fall für die Rechnungshöfe der Länder und des Bundes. Zudem könnte der Betrag sogar noch höher werden, wie man von Abgeordneten der Union und der SPD hören konnte, denen der Vorschlag der Oppositionsfraktionen nicht weit genug geht. Da können wir uns als bfg München nur wünschen, ebenfalls bald enteignet zu werden."

Über die heutige Anhörung im Bundestag macht sich Wladarsch keine Illusionen: "Auf der Liste der geladenen Sachverständigen befindet sich keine einzige säkulare Stimme. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich auch dort einige für eine deutlich höhere Ablösesumme aussprechen werden."

Für eine sofortige und entschädigungslose Abschaffung der Staatsleistungen

Seit 1949 haben die beiden großen Kirchen in Deutschland ungefähr 19,5 Milliarden Euro an sogenannten historischen Staatsleistungen erhalten. Allein in diesem Jahr belaufen sich die zweckungebundenen Zuwendungen auf insgesamt 580 Millionen Euro. Der Freistaat Bayern zahlt 2021 für sich genommen knapp 102 Millionen Euro an die katholische und evangelische Kirche. Dabei geht es nicht um Zahlungen des Staates, die zum Beispiel für den Betrieb von Kindergärten, Krankenhäusern, Pflege- und Seniorenheimen an Caritas oder Diakonie geleistet werden, sie sind auch nicht zu verwechseln mit der Kirchensteuer, sondern die Kirchen bekommen das Geld noch immer quasi als "Entschädigung" wegen der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts. Zur Zeit der napoleonischen Kriege wurden die geistlichen Territorien und Kirchengüter des "Heiligen Römischen Reichs" durch den "Reichsdeputationshauptschluss" von 1803 säkularisiert, das heißt, sie wurden der Hoheit der größeren weltlichen Landesfürsten unterstellt.

Neben Preußen, Württemberg oder Baden profitierte davon auch das damalige Kurfürstentum Bayern. So hatte sich dessen Staatsgebiet bis 1815 unter anderem um geistliche Territorien wie die Fürstbistümer Passau, Eichstätt, Augsburg, Freising, Bamberg und Würzburg erweitert. Bayern hatte aber nicht nur territoriale Zugewinne, auch innerhalb des Kurfürstentums wurden fast alle Klöster aufgelöst und der Grundbesitz auf den Staat übertragen.

Wenn man Menschen – ganz gleich, ob gläubig oder ungläubig – auf die sogenannten Staatsleistungen anspricht, stellt man fest: Kaum jemand weiß davon. Nach dem ersten Staunen folgen Kritik und Zorn. Kritik an einer Politik, die den Kirchen jedes Jahr Geld der Steuerzahlerinnen und -zahler überweist, obwohl seit 1919 (Weimarer Reichsverfassung) beziehungsweise seit 1949 (Grundgesetz) ein Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen besteht. Zorn auf eine Kirche, die das Geld nimmt und das noch immer mit der Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts begründet.

Auch im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 war die Möglichkeit der Ablösung der jährlichen Zahlungen durch eine Einmalzahlung schon angeführt. Welche Summen an Staatsleistungen zwischen 1803 und 1949 an die Kirchen geflossen sind, darüber gibt es nicht einmal Schätzungen.

"Wie soll man Menschen, vor allem Konfessionsfreien, heute erklären, dass die katholische Kirche in Bayern ihr Steuergeld zum Beispiel für das Personal der Erzdiözesen – einschließlich der Jahresrenten für Erzbischöfe und Bischöfe – verwendet (siehe Gesetz zur Ausführung konkordats- und staatskirchenvertraglicher Verpflichtungen Bayerns vom 7. April 1925)? Seit der Trennung von Kirche und Staat 1919 gehört die Finanzierung kirchlicher Belange nicht mehr zu den staatlichen Aufgaben. Dem Staat ist es sogar untersagt, bestimmten Religionsgemeinschaften Vorteile zu gewähren, damit verstößt er gegen das Gebot der religiösen und weltanschaulichen Neutralität", so Wladarsch.

Der Bund für Geistesfreiheit München spricht sich daher für eine sofortige und entschädigungslose Abschaffung der Staatsleistungen aus. "Selbst wenn man der Auffassung ist, dass es sich bei den Staatsleistungen um Entschädigungszahlungen aufgrund von Säkularisierungsprozessen handelt – nach über 200 Jahren sind diese Verpflichtungen längst und um ein Mehrfaches abgegolten. Falls die Kirchen auf die dann fehlenden Einnahmen angewiesen sein sollten, kann eine Erhöhung der Kirchensteuer den Fehlbetrag ausgleichen", schlägt Wladarsch vor.

Ob die Kirchen überhaupt einen Anspruch auf "Entschädigung" haben, darüber aber sollte nicht nur juristisch, sondern auch politisch und moralisch diskutiert werden, fordert der bfg München-Vorsitzende: "Haben doch die geistlichen Kurfürstentümer, Fürstbistümer, Reichsabteien etc. ihre Territorien und Güter in feudalen Zeiten erworben, unter Ausbeutung der ansässigen Untertanen die Gewinne eingestrichen und ihren Besitz und ihr Vermögen jahrhundertelang vermehrt. Zudem waren die Kirchen nicht selten Nutznießer von 'Hexen'-Verfolgungen, Pogromen gegen Juden oder Andersgläubige und haben sich die Besitztümer der Vertriebenen und Getöteten einverleibt. Wurden denn die Opfer der Kirchen, ihre Angehörigen oder Nachkommen jemals angemessen entschädigt? Wie wäre es mit einer Rückzahlung der seit 1949 erhaltenen Staatsleistungen beziehungsweise die Einzahlung der Summe in einen Opferfonds? – Gerne auch ratenweise über 20 Jahre."

Die Kundgebung vor dem Erzbischöflichen Palais in der Kardinal-Faulhaber-Straße 7 in München findet von 10.00 bis 10.45 Uhr statt; vor dem evangelischen Landeskirchenamt in der Katharina-von-Bora-Straße 11-13 wird von 11.30 bis 12.15 Uhr demonstriert.

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