Ermittlungen gegen netzpolitik.org

Regierungsstellen offenbaren gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit

BERLIN. (hpd/hu) Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union stellt fest: Nicht nur der Generalbundesanwalt hat mit der Einleitung der Ermittlungen wegen Landesverrat gegen die beiden Journalisten von Netzpolitik.org., Andre Meister und Markus Beckedahl, eine verfassungsrechtlich bedenkliche Einstellung zur Pressefreiheit offenbart. Seit Wochen waren Kanzleramt, Bundesinnen- und Bundesjustizministerium bekannt, dass Ermittlungen geplant waren.

Die Erklärung des Generalbundesanwalts, dass er die Ermittlungen ruhen lassen wird, nachdem das Kanzleramt und der Bundesjustizminister zu ihm in der Sache auf Distanz gegangen sind, kann dies nicht überdecken. "Es geht nicht um Landesverrat, sondern um die Einschüchterung kritischer Journalisten, die immer wieder das Versagen der Geheimdienste offengelegt haben. Informationen, auf die die Öffentlichkeit in der Demokratie einen Anspruch hat, sollen unterdrückt werden", erklärte der Vorsitzende der Humanistischen Union Koep-Kerstin. Die Einleitung von Ermittlungen steht in der anti-demokratischen Tradition der Spiegel- und Cicero-Affären (1962/2005).

Ohne die Bereitschaft von Journalisten, auch vertrauliche Informationen zum größten Überwachungsskandal der Bundesrepublik zu veröffentlichen, wäre die Massenüberwachung durch die NSA und das Zusammenspiel mit dem Bundesnachrichtendienst nicht bekannt geworden.

HU

Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht auf Informationen über Grundrechtsverletzungen durch Geheimdienste. Dies umso mehr, als die Nachrichtendienste in der Vergangenheit die zuständigen Kontrollgremien bewusst unzureichend oder gar falsch informiert haben. Wo staatliche Kontrollinstanzen versagen, ist kritischer und freier Journalismus besonders gefordert. Beim Blog Netzpolitik.org handelt es sich um Qualitäts-Journalismus, wie es die Auszeichnung mit dem Grimme-Online-Award im Jahr 2014 belegt. Dass der Präsident des Verfassungsschutzes gegen die beiden Netzpolitik-Journalisten Anzeige erstattet hat, ist Ausdruck seiner Unfähigkeit, die Tätigkeit seiner Behörde verfassungsgemäß zu organisieren, und durch die Pressefreiheit geschützte Berichterstattung, die sich auf Informationen von Whistleblowern im Verfassungschutz und in parlamentarischen Gremien stützt, als solche wahrzunehmen.

Der Generalbundesanwalt stellt die Falschen an den Pranger. Da er gleichzeitig nicht ernsthaft gegen die für den NSA-BND-Überwachungs- und Spionageskandal Verantwortlichen ermittelt hat, ist er für sein Amt disqualifiziert.

In ihrer Kampagne zur Abschaffung des Verfassungsschutzes hat die Humanistische Union erneut auf die strukturelle Unvereinbarkeit des Inlandsgeheimdienstes mit einer freiheitlichen Demokratie hingewiesen. Der HU-Vorsitzende: "Wir fordern zu weiterer öffentlicher Solidarisierung mit den Journalisten Andre Meister und Markus Beckedahl auf, denn noch sind Anzeige und Ermittlungen nicht vom Tisch. Sorgen wir dafür, dass – wie in der Spiegel-Affäre – die Verantwortlichen für diesen Missbrauch des Strafrechts zu politischen Zwecken ihren Hut nehmen müssen und wie im Fall Cicero die Verfassungswidrigkeit des durch den Generalbundesanwalt geplanten Eingriffs in die Pressefreiheit festgestellt wird."


Pressemitteilung der Humanistischen Union