RONNENBERG. (hpd) Bereits die Vordenker des frühen Christentums haben sich nicht gegen die Logik der antiken Philosophie gewendet, sondern sie durch Scholastik, Apologetik und Sophisterei – also durch Zurechtbiegen der Logik – integriert und zur Theologie ausgeformt. Was damals mit der Philosophie geklappt hat, wird nun auch mit der Biologie und den anderen Wissenschaften ausprobiert. In kleinen aber steten Schritten wird der "Dialog" bemüht, der unüberwindbare Gegensätze zwischen Wissenschaft und Glauben verschmelzen soll.
Begriffe wie Gottesgen, Gottesteilchen, Neurotheologie und Natur des Glaubens sind das Hintertürchen einer erneuten Vereinnahmung durch Wortspielereien.
Wunschdenken
Auf der einen Seite wird versucht, der Bevölkerung zu suggerieren, dass alle Menschen in Wirklichkeit an irgendetwas glauben würden und von Natur aus religiös seien [Blume 2009]. Manche behaupten zudem, dass auch Atheisten auf höhere Wesen vertrauen und diese bei Gelegenheit sogar heimlich anbeten. Doch sie würden dies niemals zugeben. Stattdessen würden sie aus Hass über die Kirchen und die Religionen alles abstreiten.
Da viele Atheisten mittlerweile glaubhaft versichern konnten, dass sie nicht irgendwelche personifizierten Götter um Hilfe oder Geschenke anflehen, verwendet das Intelligent Design 2.0 neue Analogien, um ihnen einen religiösen Glauben zu unterstellen. Etwas subtiler ist nun von Konzepten, wie zum Beispiel den Menschenrechten, die Rede, an welche auch Atheisten glauben würden. Unterstellt wird auch, dass Naturalisten an gesellschaftliche Ideologien mit einem paradiesischen Endzustand sowie an Führer, wie Mao, Lenin oder Che, glauben würden. Von Quasi- oder politischen Religionen wird gesprochen. Selbst Begräbnisrituale werden von Gläubigen automatisch als quasi-religiös eingestuft. Alles wird so interpretiert, als ob der religiöse Glauben an Konzepte angeboren sei und lediglich in verschieden Facetten ausgelebt würde. Alter Wein in neuen Schläuchen.
Ärgerlich ist zunächst die altbekannte Sophisterei mit dem Begriff "glauben". Glauben bezeichnet im Deutschen als Prozess sowohl ein Teil des Denkens, im Sinne eines Vermutens (Verb), als auch das Ergebnis dieses Prozesses, im Sinne von Vermutung (Substantiv). Religiös motivierte Wissenschaftler verwenden beide Begriffe zudem in Kurzform für den religiösen Glauben, also für Fehlassoziationen. Denn das bewusste Weglassen der Erklärung “religiöser Glaube” führt zu den Missverständnissen, die für die unredliche Argumentation erwünscht sind. Ein Begriff, wie "Natur des Glaubens", lässt sich also immer so drehen und wenden, wie es gerade gebraucht wird, und ist somit nicht zu falsifizieren, also außerhalb der Wissenschaft.
Und was sagen diese Analogien wirklich aus? In erster Linie sagen sie etwas über die fehlenden biologischen Grundkenntnisse sowie die mangelnde Logik der betreffenden religiös motivierten Wissenschaftler aus. Alle Lebewesen möchten dem Selektionsdruck entweichen und in Zuständen mit uneingeschränktem Ressourcenzugriff leben. Das Paradies ist ein realer irdischer Wunsch, den es zu verwirklichen gilt. Und da alle sozial lebenden Tiere Spielregeln des Miteinanders kennen, sind die Menschenrechte nichts anderes als postulierte Ideale, die dem bestmöglichen Miteinander entsprechen.
Auch Alphatiere haben in Gruppen Aufgaben und sollen Wünsche erfüllen. Selbst Schimpansen und Elefanten verabschieden sich von toten Artgenossen. Die konkreten biologischen Tatsachen bilden die Vorlage für den Wunsch, etwas besser zu machen. Denn Utopien sind kein religiöser Glaube, sondern basieren auf der Fähigkeit, sich eine bessere Zukunft imaginieren zu können. Die Vorstellung eines Himmels basiert hingegen auf der Fehlassoziation mit dem infantilen und egozentrischen Wunsch, dass die biologischen Vorteile für alle Ewigkeit und nur für die "Guten" erhalten bleiben sollen.
Was die beiden großen Kirchen in Deutschland dazu sagen, wenn hier religiös motivierte Ketzer das Leben vor und nach dem Jüngsten Gericht auf eine Stufe stellen, ist nicht bekannt. Wissenschaftlich gesehen werden jedoch bei dieser Analogie Gleichungen mit unterschiedlichem Gültigkeitsbereich mit einander gleich gesetzt. Denn vor dem Tod ist nicht nach dem Tod. Ein fataler logischer Fehler, nicht nur im wissenschaftlichen Sinne.
Dialoge
Auf der anderen Seite wird versucht, der Bevölkerung zu suggerieren, dass Wissenschaft und Theologie im Einklang stehen. "Den 'ewigen Konflikt' zwischen Theologie und Naturwissenschaften gibt es nicht", heißt es im Vorwort von Harald Lesch [Losch 2015], und damit wird exakt der Konflikt thematisiert, den es ja gar nicht geben soll. In dem Buch von Andreas Losch und Frank Vogelsang fragen christliche Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten nach Gott und sehen sich mit der Theologie im Dialog sowie im Einklang. Es geht wie immer um die Fragen, die die Wissenschaft nicht beantworten kann. Die Theologie kann dies zwar auch nicht, doch der Mensch sucht halt nach Antworten auf Fragen, die letztendlich nicht zu beantworten sind.
Über was wird hier ein Dialog zwischen Theologie und Wissenschaft geführt? Darüber, dass Menschen an schwarze Katzen und Horoskope glauben? Mit Sicherheit nicht, dies ist hinreichend bekannt. Auch wird nicht über Gottes- oder Religiositätsgene verhandelt. Diese Frage entscheidet sich im Labor und der Gendatenbank. Letztendlich wird nur über das Gottesbild diskutiert, welches immer wieder an den Stand der Forschung angepasst werden muss. Zur Zeit in Mode ist die Definition des christlichen Gottes als "Wirklichkeit + X". Er ist halt mehr als Alles, damit die Waagschale auf Seiten der Theologen bleibt. Vergessen sind die Zeiten, als die Päpste noch vom personifizierten Gott außerhalb der Natur sprachen, der in seinem Sohn Fleisch geworden war, um uns von der Erbsünde zu erlösen. Dies ist heute – ebenso wie die leibliche Auferstehung am Tag des jüngsten Gerichtes oder die Hölle – nicht mehr zu vermitteln.
Darauf angesprochen reagieren die meisten Vertreter des Intelligent Designs 2.0 recht ärgerlich, indem sie den Angreifern vorwerfen, sie würden extra ein falsches Gottesbild verwenden, um die Gläubigen lächerlich zu machen. Dabei steht es noch in ihrem Katechismus, dessen Glaubensaussagen die wissenden Theologen jetzt aber als wortgläubigen Fideismus abtun. Es gab einmal Zeiten, da galt das Gebot, dass man sich kein Bildnis machen sollte. Aber es geht ja heute nicht nicht um Gottesfürchtigkeit, nicht einmal um Wissenschaft oder Theologie, sondern um das letzte Wort in diesem "Dialog".
Widersprüche einebnen
Viele Wissenschaftler sind sich der unüberwindbaren Widersprüche bewusst. Daher versuchen sie wissenschaftlich zu erscheinen, in dem sie sich als Agnostiker ausgeben und felsenfest behaupten, dass niemand etwas über Gott wissen oder gar über ihn aussagen kann. Wenn sie jedoch an ihrem Glauben festhalten wollen oder beruflich sogar müssen, verstecken sie sich hinter kreativen Wortschöpfungen, wie dem des "agnostischen Theisten" oder des "theistischen Agnostikers", und verkaufen diese Wortspielereien als den letzten Stand der Wissenschaft [Blume 2014].
Was soll das bitteschön sein? Der Agnostiker in ihm definiert sich dadurch, dass er sich bewusst ist, gar nichts über die Existenz oder gar die Art eines Gottes sagen zu können. Daher sagt der Theist in ihm, dass es ganz sicher einen Gott gibt und dieser der Schöpfer sein muss. Was denn nun? Für einen Christen heißt dies, in der Messe öffentlich das Glaubensbekenntnis auszusprechen und den Vater, den Sohn und den heiligen Geist um Hilfe anzuflehen sowie gleichzeitig in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu behaupten, dass er absolut nichts über seinen Gott sagen könnte. In der Psychologie gibt es dafür einen Fachbegriff.
32 Kommentare
Kommentare
Stefan Wagner am Permanenter Link
Vielen Dank für diese sehr gut lesbare Serie, die auch m.E. die richtigen Fragen stellt.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Wagner,
ich denke, dies läuft beim Fernsehen genauso wie bei unseren atheistischen Vereinen auch. Im Zweifelsfall stellt man lieber jemanden ein, der die gleiche Gesinnung hat.
Ich rechne es Herrn Lesch hoch an, dass er zu seinem Glauben steht. Aber manchmal könnte er als Wissenschaftler halt mehr sagen, als es den Fernsehräten anscheinend lieb ist. Fernsehen hat halt auch die Aufgabe, den öffentlichen Frieden zu waren, und hinkt daher etwas hinter der Aufklärung – so sie denn gewollt ist - hinterher.
MfG
Andreas E. Kilian
Maximilian Scholl am Permanenter Link
Herr Kilian, vielen Dank für diese Artikelserie, die endlich die versuchte Rechtfertigung und Überhöhung der Religiosität mit naturwissenschaftlich verbrämten Argumenten analysiert.
Vielleicht können Sie (in einem anderen Artikel?) noch etwas näher darauf eingehen, welche angeborenen psychischen Dispositionen zu religiösem Glauben beitragen könnten. Bereits erwähnt haben sie ja zum Beispiel die Neigung, Ereignisse in teleologischen statt bloß kausalen Zusammenhängen zu sehen. Aber ich denke es gibt hier noch andere Faktoren.
Ebenfalls interessant wäre, was sie von der Memtheorie halten, auch in Bezug auf Religionen.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Scholl,
Artikel zu diesen Themen haben bei mir häufiger Überlänge und sind nicht immer hoch aktuell. Ich hoffe, die hpd-Redaktion hat ein Einsehen.
Ich werde versuchen, Ihren Wünschen nachzukommen, sowie ich aus dem Sommerurlaub zurück bin.
MfG
Andreas E. Kilian
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ah ja, "unüberwindbare Gegensätze zwischen Wissenschaft und Glauben verschmelzen" - ein frommer Wunsch wie "So wachsen auch Wissenschaft und Glauben wieder zusammen" von gbs-Beiratsmitglied G.
Werner Koch am Permanenter Link
Wäre Intelligent Design 2.0 im übertragenen Sinn vergleichbar mit Astrologen, die behaupten, ihre Vorhersagen basieren auf den aktuellen Erkenntnissen der Astronomie und die Fortschritte der Astronomie haben dazu gefü
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Koch,
es ist seit jeher die Parallelentwicklung zwischen Wissenschaft und dem Gott der Lücken. Dummheit und Aberglaube folgen auf jeden Schritt.
Doch wenn die Interpreten zu dreist werden, muss man halt wieder strengere Maßstäbe (GWUP) anlegen, um sauber trennen zu können.
MfG
Andreas E. Kilian
David am Permanenter Link
Herr Kilian, an dieser Stelle ein erneutes Danke für die weiteren Teile Ihrer interessanten Artikelreihe.
Michael Borchert am Permanenter Link
Danke für Ihre Artikelreihe. Eine Reihe von Zusammenhängen ist mir noch einmal etwas deutlicher geworden.
Weiterhin würden mich Überlegungen von Ihnen und Ihren KollegInnen interessieren, welche sich mit der anderen Seite der Wechselwirkung befassen: Anders als fundamentalistische Splittergruppen geben die Amtskirchen zunehmend dogmatische Positionen auf, um im Kampf um die Deutungshoheit des Universums nicht zu viel Boden an die Wissenschaft zu verlieren. Ich bin noch sehr unentschieden, wie das in Bezug auf die langfristige Entwicklung beider Seiten zu beurteilen ist.
Daniel Meier syn. am Permanenter Link
.. da hat sich der Autor wohl etwas übernommen und versucht, was er in Teil 1 anderen unterstellt: nicht vorhandene Kompetenzen mit akademischer Sprache und Titeln zu kompensieren..
Was das Ganze aber mit Intelligent Design zu tun haben soll, bleibt das größte Rätsel. Dass Religion evolutionär sinnvoll ist, ist absolut kein neuer Gedanke, sondern war im Darwinismus und allen seinen Modifikationen stets präsent. Neu ist vielmehr der seit einigen Jahren, im Grunde erst durch Dawkins in gewissen Kreisen populäre gewordene Gedanke, dass Religion eine Art schädliche Fehlentwicklung sei..
Apropos... Eine Vortrag von Blume veranlasste selbst eine populäre Vertreterin dieser Idee und Frontfrau des Neuen Atheismus zu öffentlichem Umdenken. Die durch Blume dargestellten Ergebnisse, so schreibt Susan Blackmore („The Meme Machine“) im The Guardian, würden nahelegen, „that religious memes are adaptive rather than viral from the point of view of human genes“ Aber, so fragt sie: „could they still be viral from our individual or societal point of view?“ Ihre Antwort: „Apparently not, given data suggesting that religious people are happier and possibly even healthier than secularists. And at the conference, Ryan McKay presented experimental data showing that religious people can be more generous, cheat less and co-operate more […] So it seems I was wrong and the idea of religions as "viruses of the mind" may have had its day.“
El Schwalmo am Permanenter Link
"Der Schwerpunkt in Blumes Arbeit"
"liegt auch gar nicht im Bereich der Vererbung, sondern bei der Frage des evolutionären Vorteils bestimmter Formen der Religion bzw. des evolutionären Nachteils von Areligiosität - so wie er sich zumindest bisher darstellt.."
Seit es entwickelte Gesellschaften gibt, in denen Reproduktion kein Vorteil mehr ist? Interessant ist auch, welche Religionen hier die Nase vorn haben, und dass 'Religiosität an sich' auch keinen Kinderwunsch produziert.
"Insbesondere hebt Blume hier auf die Demografie ab. Säkulare Gemeinschaften bzw. Gesellschaften steuerten bisher stets dem demografischen Kollaps entgegen."
Und alle Gesellschaften, die religiös waren, haben die Zeiten überdauert?
"Er betont aber auch, dass das kein ehernes Naturgesetz ist, und es prinzipiell im Vermögen des Menschen liegt, hier für die Zukunft etwas zu ändern."
Toll. Das wird dann wohl auch ohne Gott gehen, welchen Sinn macht Blumes Arbeit dann?
"Was das Ganze aber mit Intelligent Design zu tun haben soll, bleibt das größte Rätsel."
Stimmt, das habe ich mich auch gefragt. Ist wohl eine Metapher für Theismus.
"Dass Religion evolutionär sinnvoll ist, ist absolut kein neuer Gedanke, sondern war im Darwinismus und allen seinen Modifikationen stets präsent."
Stimmt. Hinsichtlich Darwin ist ja auch nicht gerade neu, was Blume (ab)geschrieben hat, mal abgesehen von seiner ziemlich verqueren 'Analyse' des Brief'wechsels' zwischen Darwin und Graham.
"Neu ist vielmehr der seit einigen Jahren, im Grunde erst durch Dawkins in gewissen Kreisen populäre gewordene Gedanke, dass Religion eine Art schädliche Fehlentwicklung sei.."
Eben, und hier ist es doch des Schweißes der edlen Theisten wert, auf irgendwelchen krummen Wegen doch noch irgendwie den Theismus aufzupolieren.
"Apropos... Eine Vortrag von Blume veranlasste selbst eine populäre Vertreterin dieser Idee und Frontfrau des Neuen Atheismus zu öffentlichem Umdenken."
Yepp, das kann sich Blume an die Fahnen heften. Aber Blackmore hätte leicht aushebeln können, was Blume ihr sagte (muss 'viral' unbedingt schlimm sein?). Da ich aber von Memetik nichts halte ('Mem' ist ein absolut überflüssiger Begriff für 'Idee', 'Konzept' oder was auch immer) beeindruckt mich Blumes Leistung auch hier nicht besonders.
gg am Permanenter Link
Den Ausführungen von El Schwalmo stimme ich zu.
Herr Blume listet in sozialwissenschaftlich naiver Weise Statistiken und interpretiert diese selektiv als „evolutionären Vorteil bestimmter (!) Religionen“ (Nachtigall ick hör dir trappen). Der Begriff „Evolution“ ist mehrdeutig. In diesem Kontext wirkt er evolutionsbiologisch, obgleich er sich zunächst einmal auf das diffuse Feld der „kulturellen Evolution“ bezieht; zwischen diesen Bedeutungen suggestiv zu changieren scheint Herrn Blumes Strategie. Statt (wie ein Wissenschaftler) Unterschiede sorgfältig herauszuarbeiten, verwischt er sie, so wie Sie das ebenfalls tun (siehe nächsten Kommentar). Sonst müssten sich auch Philosophiehistoriker, Musikhistoriker, Literaturhistoriker, Wirtschaftshistoriker usw. als „Evolutionsforscher“ bezeichnen.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Lieber Herr Meier syn.,
mir scheint, Sie sind bereits ein Opfer des Blume´schen Wissenschaftsverständnisses geworden.
Unterstellung? Ich zitiere Herrn Blume wörtlich und wissenschaftlich korrekt mit Literaturangaben als kompetenten Vertreter seiner Zunft. Wenn seine Ergebnisse nicht in Einklang mit der Logik oder der Naturwissenschaft stehen, so gibt es nur zwei Möglichkeiten: Dummheit oder Absicht!
Von Dummheit gehe ich halt nicht aus.
Was ich unter Intelligent Design 2.0 und Pseudowissenschaft verstehe, habe ich in Teil 1 definiert und diese Definition wende ich konsequent über alle Artikel an. Diese Vorgehensweise - mit offenen Karten zu spielen und dies zur Diskussion zu stellen - nennt man wissenschaftliche Redlichkeit. Die Definition von Intelligent Design 2.0 trifft halt auf die Arbeiten einiger Zeitgenossen zu. Intelligent Design ist ja keine Beleidigung, sondern eine Glaubensrichtung.
Wo verstecke ich mich hinter Autoritäten, wenn ich anerkannte wissenschaftliche Richtlinien zitiere und konsequent anwende?
Eine Sachlage als komplex zu bezeichnen ist noch lange keine Wissenschaft und schon gar nicht der state of the art. Wissenschaft fängt dort an, wo die Komplexität methodisch entschlüsselt wird. Bis dahin ist der Begriff nur ein Armutszeugnis hinter dem sich einige gerne verstecken.
Seit wann ist in der Wissenschaft das Gen in Frage gestellt? Wenn alles mit rechten Dingen, mit Ursache und Wirkung zugehen soll und Religiosität in jeder Generation, in jeder Ontogenese mehr oder weniger intensiv auftreten soll (wie behauptet wird), dann muss dies angeborene Ursachen haben (oder es gehört nicht zur Evolution).
Und warum ist der Begriff "Religiositäts"-Gen überholt? Egal, wie komplex 10 oder 10.000 Gene zusammenspielen, es sollte immer eine initiale genetische Startsequenz in der Ontogenese geben, die zu dieser komplexen Selbstorganisation führt. Das Gen FOXP2 wird auch "Sprach"-Gen genannt, weil es als Zeitschalter die Zusammenarbeit von hunderten von Genen aktiviert. Dies ist wissenschaftlich vollkommen korrekt!
Wer von Evolution und 1.000 Genen redet (und dies tut Herr Blume nun einmal), der muss sich an die Regeln der Naturwissenschaften halten (s. Definition Pseudowissenschaften) und den Beweis für diese Nukleotidsequenz erbringen. Kann er aber nicht! Er kann nicht einmal das von ihm postulierte angeborene Verhalten vormachen.
Zudem ist Fortpflanzung kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um erfolgreiche Gene in die nächste Generation zu transferieren. Wo es keine Religiositätsgene gibt, braucht auch nicht mit Fortpflanzung argumentiert zu werden. Religion ist lediglich die kulturelle Rechtfertigung für das eigene egoistische Verhalten. Und dass sich egoistische Verhalten über den Kinderreichtum in der Evolution niederschlagen, ist nun wirklich nichts Neues. Warum also das Ganze als „Natur“ des Glaubens bezeichnen, wenn es Herrn Blume um religiöse Ideologien geht?
Susan Blackmore hat schon bei den Memen nicht nachgedacht. Sie ringt auch jetzt wieder nur um Aufmerksamkeit und Herr Blume präsentiert ihre Dummheit als Bekehrung. So what?
(s. Definition Pseudowissenschaften und Autoritäten).
Dass religiöse Wissenschaftler logisch denken können, hat niemand bestritten. Wozu dann die Beispiele? Es geht um die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Religion, nicht um die Vereinbarkeit von Wissenschaftlern und ihren Glaubensgrundsätzen. Wissenschaft ist eine Methode, Religion ist eine Argumentationsebene. Wer behauptet, dass eine Methode mit einer Argumentationsebene zu vergleichen ist, begeht einen Kategorienfehler. Aber darauf fallen Pseudowissenschaftler immer wieder rein.
MfG
Andreas E. Kilian
El Schwalmo am Permanenter Link
OffTopic:
Ich habe vergeblich versucht, eine E-Mail-Adresse von Ihnen zu finden.
Könnten Sie bitte eine Kontaktmöglichkeit posten?
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Lieber Herr Schwalmo,
bitten Sie Alibri Ihre Mail weiterzuleiten. Kann dann dauern, müsste aber funktionieren.
MfG
Andreas E. Kilian
Daniel Meier syn. am Permanenter Link
Den "unüberwindbare Gegensätze zwischen Wissenschaft und Glauben verschmelzen" muss übrigens niemand, weil es diese ohnehin nur in der Phantasie einiger religiöser und atheistischer Extremisten gibt..
El Schwalmo am Permanenter Link
"Wer sich mit den Biografien von Kepler oder Newton, Pascal oder Leibniz befasst, merkt deutlich, wie eng hier Frömmigkeit und Forscherdrang, theologischer Hintergrund und wissenschaftliche Praxis verzahnt sind.&
und? Es geht nicht um Wissenschaftler, sondern um Wissenschaft. Dass auch Theisten Wissenschaft betreiben können ist trivial. Die Frage ist eher, was das bringt. Intelligent Design (also das 'Lesen der Spuren Gottes in der Natur') hat wohl seine Zeit gehabt.
"Die geistigen Grundlage bei Bacon, Descartes, Kopernikus, Galilei usw. war die Überzeugung, dass ein Gott, der Verkörperung von Logos und Liebe ist, die Welt intelligent und gesetzmäßig strukturiert erschaffen haben muss und der Wunsch, Gottes Plan in der Schöpfung - soweit geboten und Menschen möglich zu enträtseln."
Eben. Und wenn man das tut, merkt man schnell, dass man auf dem Holzweg ist. Genauer, die Theisten lügen sich einen in die Tasche. Man braucht nur das Schöne, Perfekte und so weiter in den Vordergrund stellen, Gott dafür danken, aber alles, was weniger passt, nicht beachten.
Darwin war hier ein gutes Beispiel. Er startete als Theist, aber durch seine Kenntnisse der Natur merkte er schnell, dass der Typ Gott, den er im Studium kennengelernt hatte, auf keinen Fall den Lauf der Welt bestimmen konnte, denn dafür gab es viel zu viel Leid in der Natur. Eben das 'Übel' in der Theodizee, das man nicht dem freien Willen des Menschen als 'Böses' unterjubeln konnte. Darwin hat den Sprung zum Atheismus nie ganz geschafft, aber hinter seinen Agnostizismus sollte man nicht mehr zurückfallen.
"Auch im weiteren Verlauf der Wissenschaftsgeschichte waren nicht selten gerade die herausragendsten Gestalten in ihrer Forschungstätigkeit tief durch ihren Glauben geprägt:"
Was für die Ergebnisse deren Forschungen eher ohne Relevanz gewesen sein dürfte, falls man nicht auf genetische Fehlschlüsse steht.
"Die Evolutionstheorie wurde von einem engagierten Christen entwickelt"
Nö, schon vorher von Lamarck und von Darwins Großvater, der nicht besonders christlich war. Okay, später gab es unter Evolutionsbiologen alles Mögliche, aber unter dem Strich zeigt sich, dass es in kaum einer Disziplin prozentual weniger Christen gibt als unter Evolutionsbiologen. Das ist leicht erklärlich, denn so, wie die Evolution funktioniert, bleibt wenig Platz für einen Typ Gott wie er in der Bibel steht.
Geht schon los mit dem Menschen. Für wen musste Jesus eigentlich sterben, wenn kein Adam gesündigt haben sollte? Welcher Vorfahre des Menschen war das Wesen, das als erstes ein personales Du gegenüber einem Schöpfer ausbildete? Klar, Theologen haben Hektoliter an Tinte über diese Fragen verspritzt, die Ergebnisse sind aber eher lächerlich.
" - Darwin ging seines Glaubens erst in späteren Jahren verlustig."
Genau, und es ist sehr interessant, warum das der Fall war. Darwin hat wohl auch hier intensiver nachgedacht als viele Zeitgenossen.
"Last but not least – auch die beiden elitärsten Wissenschaftlervereinigungen der Welt – die NAS und die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, vertreten offensiv den Standpunkt, dass Wissenschaft und Religion bestens vereinbar sind (Vgl. hierzu NAS: „Compatibility of Science and Religion“)"
Und? Sie sollten vielleicht noch etwas nachdenken, was Wissenschaft und Religion unterscheidet, und nicht darauf hereinfallen, dass der Dialog zwischen Wissenschaft und Religion ein Dialog zwischen Theologen und christlichen Naturwissenschaftlern ist. Schon seit Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass Rang als Naturwissenschaftler und Religiosität negativ korellieren. Darüber hinaus sollte man gelegentlich die *Inhalte* dessen, was diese theistischen Wissenschaftler vertreten, mit dem abgleichen, was von Religionen gelehrt wird. Dann wird sich schnell zeigen, wie wenig kompatibel diese Auffassungen sind.
gg am Permanenter Link
In Ergänzung der Ausführungen von El Schwalmo möchte ich feststellen:
A) Die eine Sache ist, in welcher Beziehung Religion und Wissenschaft zueinander stehen, wenn man ihre Konsequenzen bedenkt. NOMA wird von den meisten Theologen abgelehnt. Die Religion wagt sich regelhaft auf genuin wissenschaftliches Terrain vor, gleich ob es sich um cosmological fine tuning, die Lenkung der Evolution, die Entstehung des Menschen, seine Beseelung, das Leben nach dem Tode, Wunder, die Wirkung von Gebeten usw. handelt. Diese sind mit den theoretischen Grundannahmen, auf denen die Naturwissenschaft basiert, nicht kompatibel und mit den empirischen Daten nur gewaltsam vereinbar.
B) Die andere Sache ist, dass es Menschen gelingt, durch „mentale Regionalisierung“ auch inkompatible Denksysteme gleichzeitig zu vertreten. Mir liegt hier nicht daran, diese Lebenspraxis zu kritisieren. Es ist aber abwegig, aus ihr zu folgern, dann könne es auch auf der konzeptionellen Ebene keinen Widerspruch geben. Wir wissen aus der psychologischen Forschung, dass die Einschätzungen eines Menschen ganz generell nicht miteinander logisch kompatibel sein müssen.
In der Vergangenheit waren viele Wissenschaftler notwendigerweise christlich. Dies ist für die gegenwärtige Frage belanglos (s.o.). Es hatte auch, soweit ich die Wissenschaftshistorie kenne, im Großen und Ganzen keine Konsequenzen, und wenn dann wohl mehr kontraproduktive als produktive. Max Planck benötigte für die Quantenhypothese nicht Gott, ebenso wenig Fermat für seinen Satz usw. Reines „name calling“ von Ihrer Seite. Selbst Lemaitre ist fragwürdig; es ist bezeichnend, dass nur dieses Beispiel regelhaft kommt. Dynamische Lösungen sind eine zwingende Konsequenz der Feldgleichungen und wurden vorher von Friedmann entdeckt, es handelt sich also auch beim Big Bang um eine zwangsläufige Idee, die früher oder später kommen musste Zugleich gab es konkurrierende Modelle wie die steady state theory; die Entscheidung brachten die Beobachtungen und nicht die Religion. Einstein selbst war in mancher Hinsicht konservativ und lehnte auch die Idee der Black Holes ab. Lemaitre selbst wehrte sich gegen die theologische Verwertung.
C) Die Naturwissenschaften gehen pragmatisch vor, und man hat stets Grenzen erweitert, ohne solcher Begriffe wie „Idealismus“ zu bedürfen, den Sie als Brückenschlager zur Religion verwenden. Religion ist auch nicht identisch mit dem, was im weitesten Sinne des Wortes als Religiosität bezeichnet werden könnte. Sie beinhaltet spezifische Behauptungen, die im Widerspruch zu denen anderer Religionen und Erkenntnissen der Wissenschaft stehen. Sie beinhaltet Rituale, die nicht alleine einer „existenziellen Rückversicherung“ dienen, sondern einen Eingriff in den Ablauf der Dinge beabsichtigen. Es geht nicht darum, ob Religiosität und Wissenschaft, sondern ob Religion und Wissenschaft vereinbar sind.
D) Die NAS operiert politisch-opportunistisch im US-Umfeld, das stark durch religiöse Gruppen geprägt ist, deren Ideologie klar die Unvereinbarkeit von Religion und Wissenschaft demonstriert. Es geht darum, denen einen Weg zu eröffnen. Dass die Päpstliche Akademie die Vereinbarkeit vertritt, dürfte nicht verwundern; sie vertritt ja sogar die These, die Wissenschaft bedürfe der Religion, und zwar der katholischen. Sie als „elitär“ zu bezeichnen, ist eine der Manifestationen Ihrer rhetorischen Strategie. Sie mag sich so verstehen, aber das tun viele andere auch.
E) Zusammenfassend: Ihr Kommentar stellt in meinen Augen ein Musterbeispiel an intellektueller Unsauberkeit, Verwirrspiel und Imponiergehabe per „name calling“ dar. Ich habe ihn kopiert, um ihn gelegentlich für illustrative Zwecke zu verwenden.
Daniel Meier syn. am Permanenter Link
Sie unterstellen Wissenschaftlern eine Kleingeistigkeit, für die sich meiner Meinung nach nirgends Belege finden..
Einstein war es auch, der den Missionseifer der Hardcore-Atheisten, die es schon zu seiner zeit gab, sehr treffend diagnostizierte.. Als Kompensation noch nicht aufgearbeiteter Konflikte mit der eigenen religiösen Vergangenheit..
Blume sollten Sie dann wohl auch erstmal lesen.. Er behandelt das Christentum wie jede andere Religion sehr differenziert in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen.. Der Wahrheitsgehalt ist dabei überhaupt nicht sein Thema.. Stellenweise macht er allerdings GERADE bei solchen religiösen Strömungen, die Reproduktionsrekorde aufweisen deutlich, dass er alles andere als inhaltlich konform geht..
Die ganze Art und Weise, wie Blume hier kommentiert wird, zeigt im Grunde nur, wie ideologische Prägungen, das objektive Wahrnehmungsvermögen trüben können.. Die Bedeutung des weltanschaulichen Hintergrundes bei den Durchbrüchen in Mathematik und Physik am Beginn des 19. Jh. haben Sie leider ebenso wenig erfasst..
Klasse aber jedenfalls, dass Sie zur Verbreitung meiner Texte beitragen möchten!
gg am Permanenter Link
Sie lenken wieder mit Allgemeinheiten und Suggestiv-Vokabular („Kleingeistigkeit“) vom Thema ab.
Die Kritik an Herrn Blume bezieht sich a) auf die Auswertung der Daten, die den mir bekannten professionellen Standards nicht genügt, obwohl sich Herr Blume immer wieder als Wissenschaftler ausgegeben hat, b) auf die ideologische Verwertung, die in seinen öffentlichen Darstellungen zutage tritt und sehr wohl zeigt, wie er tickt. Er versucht sich allerdings als Meister des Suggerierens unangreifbar zu machen. Und er versteht offenbar nicht, dass es dieser unsaubere, Selbstüberschätzung nahelegende Stil ist, der viele gegen ihn aufbringt.
Einstein wandte sich gegen die konventionellen Religionen und bezeichnete den Glauben an einen persönlichen Schöpfergott sogar als „childish“, das verschweigen Sie. Inwieweit sein Urteil über den „fanatischen Atheismus“ damals im Ganzen zutreffend war und erst recht heute gilt, lasse ich dahingestellt.
Bezeichnenderweise weichen Sie jetzt auf den „weltanschaulichen Hintergrund“ aus. Es ist eine Trivialität, dass hier eine Beziehung bestand. Sogar zu Kunst, Literatur und Musik. Dazu gehörten vor allem, was die Physik angeht, die Abwendung vom Idealismus und die Hinwendung zu einem Empirismus in seiner allgemeinsten Form. Nur gehörte dazu nicht die Religion. Selbst die Philosophie erwies sich oft als wenig förderlich und eher hinderlich. Das gilt beispielsweise für den Kantianismus, später den Neukantianismus, ja im 20. Jahrhundert sogar großenteils für den Logischen Empirismus, der im Nachhinein zu ordnen versuchte, aber kaum die wissenschaftliche Produktion förderte.
Das 19. Jahrhundert zeigte ferner eine Vielzahl von Denkstilen in der Mathematik; bei diesen spielte Religion keine Rolle. Natürlich kann man zynisch argumentieren, dass die Schwierigkeiten, die Bolzano mit der Katholischen Kirche hatte, ihm die Muße für Logik und Mathematik verschafften. Einzig Cantor fand für seine Idee des Aktual-Unendlichen und darauf aufbauende Mengenlehre nachträglich Trost bei der Katholischen Kirche, da diese Idee von vielen Mathematikern abgelehnt wurde.
Zur Geschichte der Wissenschaften, speziell der Physik, Astronomie und Mathematik, kann ich unter anderem auf meine umfangreiche Bibliothek zu diesem Thema, auch mit vielen Originalwerken und Sonderdrucken von Mathematikern, Astronomen und Physikern des 19. Jahrhunderts, zurückgreifen. Sie verstehen auf dieser Basis vielleicht, dass mich Ihr Urteil über meine Kompetenz durchaus erheitert. Ob Ihre hohe Überzeugung von sich selbst von denen geteilt wird, die mit Ihren Auslassungen konfrontiert werden, werden sie diesen überlassen müssen. Ich vertraue auf die Intelligenz der Leser. Ihre Produkte erwecken für mich den typischen Eindruck dessen, der sich nicht im Einzelnen auskennt, wohl aber aus Aufgeschnapptem eine Meinung gebildet hat und die jetzt im Dunning-Kruger-Modus vertritt.
gg am Permanenter Link
Nachtrag, das fiel mir erst jetzt auf: Ihr letzter Satz erinnert verblüffend an die Diktion und Attitüde von Herrn Blume. Hier scheint eine Passung vorzuliegen.
El Schwalmo am Permanenter Link
@Daniel Meier syn.
"Die ganze Art und Weise, wie Blume hier kommentiert wird, zeigt im Grunde nur, wie ideologische Prägungen, das objektive Wahrnehmungsvermögen trüben können.."
Hüstel. Sie werden doch hoffentlich jetzt nicht unterstellen wollen, dass Sie objektiv sind? Sie argumentieren doch wie in Kreisen des Intelligent Design üblich ist: Klappern mit Titeln, Menschen auf Podeste stellen, deren Aussagen man gerne als 'Argumente' missbrauchen möchte und so weiter. Kennen Sie den Artikel von Lönnig über Nobelpreisträger? Lesen Sie den gelegentlich objektiv, vielleicht geht Ihnen dann ein Licht auf.
http://www.weloennig.de/Nobelpreistraeger1a.html
gg am Permanenter Link
Nachtrag 2:
Nicht überraschend sah ich, dass Sie den wörtlich gleichen Kommentar schon 2014 abgesetzt haben. Rezyklieren von Imponier-Listen ist eine bevorzugte Methode religiöser Apologeten, die sich überschätzen; dazu gehören auch Urteile über die Belehrbarkeit anderer.
In Kürze: Es gibt 1. die Frage, ob Religion bzgl. der Motivation in einem ursächlichen Zusammenhang mit Wissenschaft steht, 2. ob sie konkrete Beiträge liefert, 3. ob die historische Koinzidenz von Christentum und Wissenschaft etwas zu bedeuten hat.
Ad 1:
A) Religion ist keine hinreichende Bedingung für naturwissenschaftliches Interesse und Arbeiten. Sonst würde man erwarten, dass religiöse Enthusiasten besonders aktiv gewesen wären. Das Gegenteil ist der Fall, und die Orientierung auf Innerlichkeit steht für diese Abwendung, ja Feindschaft (Augustinus usw.). Auch gibt es keine Hinweise, dass die Wissenschaftler der Vergangenheit über den Durchschnitt hinaus religiös gewesen wären.
B) Religion ist auch keine notwendige Bedingung, angefangen von Demokrit bis in die Neuzeit, dazu gibt es unzählige Beispiele vor allem in 19. und 20. Jahrhundert.
C) Was zählt, ist das Interesse an der Außenwelt statt am Innenleben und Seelenheil, sowie die Befähigung, kritisch zu arbeiten und nicht entlang heiliger Texte. An Pascal sieht man, dass es mit der Wissenschaft vorbei ist, sobald die Religion dominiert. Sie haben offenbar weder wissenschaftliche Erfahrung noch Befähigung, sonst würden Sie nicht glauben und weismachen wollen, für die wissenschaftliche Motivation sei Religion wesentlich.
Ad 2: Ich greife nur zwei der bei Apologeten beliebten Beispiele heraus, sowie ein weiteres, willkürliches.
A) Kepler verwendete einen sehr erheblichen Teil seiner Zeit darauf, auf platonistisch-religiöser Grundlage das Planetensystem mittels regulärer Körper zu erklären. Erst als er sich davon inklusive der Präokkupation mit Kreisen trennte und die Daten der Marsbahn beschreibend statt metaphysisch voreingenommen analysierte, kam er zu dem, was wir heute als die drei Keplerschen Gesetze kennen: seine eigentliche Leistung. Konkret eher ein Beispiel für den hinderlichen Einfluss von Religion.
B) C.F. von Weizsäcker leistete in den 1930er-Jahren einen Beitrag zur Physik der Atomkerne (Tröpfchenmodell, semi-empirische Energieformel) sowie zum Verständnis der Energieerzeugung in der Sonne (in Ergänzung zu Bethe). Hierbei spielte Religion keine erkennbare Rolle (in meinem Exemplar seines Buches von 1937 findet sich nichts davon). Als er sich nach dem WK2 primär der Philosophie zuwandte, gab es keine bedeutenden physikalischen Beiträge mehr. Jedoch auch seine Überlegungen zur Quantenlogik und seine „Ur“-Theorie, die keine Resonanz fanden, lassen keinen religiösen Input erkennen.
C) Der Astronom Johann Elert Bode schrieb 1808 ein Büchlein „Allgemeine Betrachtungen über das Weltgebäude“, in dem er den Stand des damaligen astronomischen Wissens zusammenfasste. Das Büchlein ist durchzogen von Lobpreisungen der Herrlichkeit der Schöpfung und der Güte des Schöpfers. Überall, wo es aber konkret wird, sei es was die Natur der Sonne ist, was die Natur der Sterne, der Nebelflecken, der Milchstraße, der Kometen usw., werden aber konkrete physikalische Überlegungen ausgeführt, die nicht erkennbar mit Religion zu tun haben. Ich bezweifle aber, dass Sie sich aus derartigen Büchern ein Urteil bilden, Sie halten es wohl eher mit dem allgemeinen „Erfassen“.
D) Resümee: kein relevanter Input der Religion in die wissenschaftliche Theoriebildung. Zu Lemaitre hatte ich meinen Teil schon gesagt. Es ist bezeichnend, dass immer die gleichen, gängigen Traktätchen entlehnten Beispiele vorkommen.
Ad 3:
A) Über die längste Zeit wurde Wissenschaft nur von Männern betrieben. Erst in den letzten Jahrzehnten wurden auch Frauen aktiv. Fast alle großen Leistungen wurden von Männern vollbracht (Ausnahmen: Curie, Noether, Meitner und wenige andere). Es gab ausführliche, oft religiös unterfütterte Begründungen, warum Frauen für Wissenschaft ungeeignet seien. Thomas von Aquin beispielsweise konstatierte, sie seien moralisch und geistig minderwertig (weshalb sie erst 80 und nicht 40 Tage nach der Empfängnis beseelt würden) und dienten nur Reproduktionszwecken. Ferner geht das Auftauchen der Frauen in der Wissenschaft exakt mit dem „Verschwinden der Riesen“ parallel. Es passt also alles zu der Behauptung, Wissenschaft gedeihe nur auf der Basis einer tiefen Männlichkeit und nur durch und durch männliche Wissenschaftler hätten Erfolg.
B) Der Satz, heutige Wissenschaftler stünden auf den Schultern von “Riesen“, wurde von fähigen Wissenschaftlern wiederholt angeführt. Aus dem Munde eines Laien, der offenbar nicht nur ein wissenschaftlicher Zwerg, sondern eine Null ist, hört er sich eigenartig an, erst recht, wenn er klar der Diskreditierung moderner, nichtgläubiger Wissenschaftler dient. Es gibt im 20. Jahrhundert ebenso „Riesen“ wie früher, die weitaus meisten sind nicht religiös. Nur ist heute alles viel komplizierter geworden, und die „Riesen“ fallen im Allgemeinen der Öffentlichkeit nicht so mehr auf, weil das rechte Verständnis ihrer fundamentalen Beiträge zu viele Voraussetzungen an Vorwissen und Verständnis erfordert.
Zusammenfassend: Bitte machen Sie sich im Detail fachkundig statt die typischen Zitationen aus Traktätchen und apologetischer Schundliteratur zu bringen. Sie sitzen auf einem hohen Ross, das sich aber denen, die a) sich in der Materie auskennen, b) selber denken können und c) darin geübt sind Blender zu erkennen, eher als mickriges Karussellpferdchen darstellt, mit dem Sie unter religiösem Gebimmel stolz im engen Kreise herumfahren.
Siegbert am Permanenter Link
@gg
Sie beeindrucken mich mit dem profunden Inhalt Ihrer Kommentare. Und ich würde mir ja gerne mal Ihre Bibliothek ansehen.
gg am Permanenter Link
Danke für Ihr Interesse. Leider ist es so, dass ich selbst manchmal Teile meiner Bibliothek gerne sehen würde, da sie aus Platzgründen auf mehrere Lokalitäten verteilt ist, eine davon weit entfernt.
Wenn Sie sich für Wissenschaftsgeschichte interessieren, kann ich Ihnen die Lektüre von Originalwerken der Zeit nur anempfehlen. Man lernt viel darüber, wie Wissenschaft funktioniert, und man lernt auch „Demut“ im Sinne der Einsicht in die Fehlbarkeit und Vorläufigkeit unseres Wissens (nicht „Demut“ in dem Sinne, wie sie von religiösen Bescheidwissern „angeraten“ wird; damit ist ja in der Regel nur die Habachtstellung vor ihrem eigenen, der Wissenschaft überlegenen, absoluten „Wissen“ gemeint).
Ein Beispiel, das ich gerade greifbar habe, ist „Kronos. Genealogisch-historisches Taschenbuch auf das Jahr 1816“ (Gleditsch/Leipzig und Gerold/Wien). Darin finden sich zwei Aufsätze von H.W. Brandes: „Blicke in die Ordnung des Weltgebäudes“ sowie „Einige neue Vermuthungen über die Natur der Cometen und ihrer Schweife“. Man sieht darin schön die gewundenen Pfade der Forschung. Nur ein Beispiel aus letzterem Aufsatz: Brandes spekuliert, dass es eine von der Sonne ausgehende Kraft geben müsse, die dazu führe, dass die Kometenschweife von der Sonne weggerichtet seien. Heute wissen wir, dass (partikulärer) Sonnenwind und Strahlungsdruck, in unterschiedlicher Form, verantwortlich sind. Nachdem Brandes ganz nahe an der korrekten Erklärung ist und die auch im Detail begründet, führt er auf einem inkorrekten Modell basierende Berechnungen ein, die ihn zu einer inkorrekten Erklärung per Äther gelangen lassen. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie eine korrekte Hypothese durch falsche Überlegungen bzw. falsch interpretierte Daten verworfen wird. Und das 120 Jahre vor der Debatte des Verifikationismus versus Falsifikationismus.
Wenn Sie an solche Bücher kommen, vielleicht durch Einsicht in einer großen Bibliothek, vielleicht per Fernleihe oder Scan (oder natürlich antiquarisch), und wenn Sie Geduld und ein paar Vorkenntnisse mitbringen, werden Sie reich belohnt werden. Dass Sie die gebetsmühlenhafte Rhetorik religiöser Propagandisten ohne Problem ablaufen lassen können, ist ein Nebeneffekt.
Ein neueres, detailliertes Buch über die Geschichte der Astronomie und Physik ist „To Explain the World“ (2015) von Steven Weinberg, sicher kein Zwerg unter den Physikern. Das Spektrum seiner Fähigkeiten und Interessen ist bewundernswert; man muss nicht nur seine Leistungen, die zum Nobelpreis führten, sehen, sondern auch seine Bücher über Quantenfeldtheorie und Kosmologie, bei denen man sich fragt, wie das eine einzige Person zusammensehen und so ganz nebenbei mit vielen neuen Ergebnissen versehen kann. In dem Buch führt Weinberg an einer großen Zahl von Beispielen aus, auf welcher Basis zeitgenössischen Wissens die Wissenschaftler zu ihren Resultaten kamen, und in einem Anhang ist das jeweils mathematisch ausgeführt. Letzteres ist manchmal nicht so trivial, wie es aussieht, sollte aber mit Schulmathematik zu bewältigen sein. Auch stößt der etwas nüchterne und auf präzise Argumentation versessene Stil von Weinberg nicht überall auf begeisterte Zustimmung, wie ich vom Verleihen des Buches weiß. Dennoch kann ich es Ihnen nur empfehlen.
Daniel Meier syn. am Permanenter Link
El Schwalmo... Da irren Sie sicherlich .. Die wenigsten Wissenschaftler werden wohl das Thema Religion so leichthin abhaken, wie ein paar Hardcore-Atheisten das tun..
Ihre Anmerkung zu Lamarck und Darwin - Sie können die Erfindung der ET auch in der Genesis ansetzen ("die Erde bringe hervor")
Zum Verständnis von M. Blume ein Zitat aus "Religion und Demografie": „Wir kennen heute Dutzende religiöse Traditionen wie die orthodoxen Juden, Amish, Hutterer, Mormonen usw., die über Generationen hinweg kinderreich geblieben sind; aber keine einzige nicht-religiöse Population, Gruppe oder Gemeinschaft, die auch nur ein Jahrhundert lang die Bestandserhaltungsgrenze von wenigstens zwei Kindern pro Frau hätte halten können. Religiöse Traditionen können demografisch scheitern (z.B. auch durch allzu starren Familien- Traditionalismus); aber nichtreligiöse Populationen scheiterten bislang demografisch immer.“
Zu Ihrem Punkt TE und „Sündenfall“ … Wir bekommen es doch als Menschen auch hin, einen Punkt zu bemessen, an dem wir Menschen für voll verantwortungsfähig ansehen...
Hier das Statement der NAS zum Thema "Religion and Science": http://www.nas.edu/evolution/Compatibility.html
Hier die Stanford Encyclopedia of Philosophy, "Religion and Science" zum unwissenschaftlichen Absolutheitsanspruch eines dogmat., reduktion. Naturalismus: "Insofar as naturalism is a quasi-religion by virtue of performing the cognitive function of a religion, there is a sort of religion/science conflict-not between theistic religion and science, but between naturalism and science."
Hier der legendäre Evolutionstheoretiker Stephen Jay Gould im Hinblick auf den hysterischen Atheismus seines Kollegen Richard Dawkins: "Um es für alle meine Kollegen und zum abermillionsten mal zu sagen: Die Wissenschaft kann das Thema der möglichen leitenden Hand Gottes durch ihre anerkannten Methoden nicht beurteilen. Wir bestätigen es nicht, wir weisen es auch nicht zurück, wir können als Wissenschaftler einfach nichts darüber sagen. [...] Darwin selbst war Agnostiker (der seine religiösen Gefühle erst nach dem tragischen Tod seiner Tochter verlor), aber der amerikanische Botaniker Asa Gray, der das Konzept der natürlichen Selektion befürworte und ein Buch namens "Darwiniana" schrieb, war ein ergebener Christ. Gehen wir 50 Jahre weiter: Charles D. Walcott, der Entdecker der Burgess Shale-Fossilien war ein überzeugter Darwinianer und ein gleichermaßen treuer Christ, der daran glaubte, dass Gott die natürliche Selektion erfunden hatte, um die Geschichte des Lebens gemäß Seinen Plänen zu erschaffen. Noch einmal 50 Jahre weiter bis zu zweien der größten Evolutionsbiologen unserer Generation: G.G. Simpson war humanistischer Agnostiker und Theodosius Dobshansky ein gläubiger Russisch-Orthodoxer. Entweder ist die Hälfte meiner Kollegen ausnehmend dumm oder die Wissenschaft des Darwinismus ist vollkommen vereinbar mit herkömmlichen religiösen Überzeugungen - und ebenso vereinbar mit dem Atheismus."
Hier Francisco J. Ayala, in den USA an vorderster Front im Kampf gegen den Kreationismus („Die großen Fragen - Evolution"): Schließt die Theorie der Evolution religiösen Glauben aus? Ist Naturwissenschaft nicht grundlegend materialistisch und daher unverträglich mit spirituellen Werten? Die Antwort auf beide Fragen lautet nein". Der Zuständigkeitsbereich der Naturwissenschaft ist die natürliche Welt, Erklärungen, die prinzipiell durch Beobachtungen und Experimente bestätigt oder widerlegt werden können. Außerhalb dieser Welt hat sie keine Autorität, keine Aussagekraft, keinen irgendwie gearteten Anspruch, Position zu beziehen."
malte am Permanenter Link
Die Antwort auf die Frage, ob die Evolutionstheorie mit Religion vereinbar ist, steht und fällt mit der Art von Religiösität, über die man redet.
So sehr ich S. J. Gould schätze - das häufig zitierte Statement, das auch sie hier anbringen, ist nicht besonders gut durchdacht. Wenn Wissenschaftler widersprüchliche Ideen zusammendenken, liegt das in den seltensten Fällen daran, dass sie "ausnehmend dumm" sind. Dass auch viele Evolutionsbiologen meinen, das Christentum sei mit dem Darwinismus vereinbar liegt m.E. daran, dass Religion eben eine sehr fest sitzende Identität ist, die bereits in frühester Kindheit "implantiert" wird. Es ist allgemein bekannt, wie schwer es vielen Menschen fällt, sich davon zu lösen. Es ist dann meist einfacher, alles so lange zurecht zu interpretieren, bis auch eigentlich widersprüchliche Ideen vermeintlich zueinander passen. Die gesamte "moderne" liberale Thheologie basiert auf diesem psychologischen Mechanismus - und eben auch die Gedankenverrenkungen christlicher Evolutionsbiologen.
El Schwalmo am Permanenter Link
@Daniel Meier syn.
"Da irren Sie sicherlich .. Die wenigsten Wissenschaftler werden wohl das Thema Religion so leichthin abhaken, wie ein paar Hardcore-Atheisten das tun.."
als Wissenschaftler schon. Was sie im stillen Kämmerlein treiben ist ein anderer Thread.
"Hier geht es immerhin um Fragen, die die großen Geister der Menschheitsgeschichte seit jeher bewegt haben.."
Als Menschen. Das ist unbestritten. Aber solange sie sauber gearbeitet haben, haben sie diese Gedanken von dem getrennt, was sie als Wissenschaftler trieben.
"Ich weiß auch nicht, ob Ihnen klar ist, wie die Päpstliche Akademie der Wissenschaften besetzt ist.."
Ich weiß nur, dass diese Menschen nichts Katholisches in ihren fachwissenschaftlichen Publikationen schreiben.
"Dass Wissenschaftler - wie Sie schreiben - heute zu großen Teilen areligiös sind, sagt viel über Berufspräverenzen aber wenig über die Kompatibilität von Religion und Wissenschaft.."
Schön, wie Sie sich die Welt hinbiegen. Mein Punkt war Wissen*schaft*, sie kommen immer mit Wissen*schaftlern* daher, wo ich doch geschrieben habe, dass der Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft einer zwischen Theologen und frommen Naturwissenschaftlern sei.
Zeigen Sie mir, was die Wissenschaft als Wissenschaft weiter bringt, wenn ein Theist sie als Theist betreibt. Was kann der finden, was ein Atheist nicht finden kann?
"Dass der Theismus "gläubiger" Wissenschaftler reflektierter ist, wie der eines KfZ-Mechanikers ist eine Binsenweisheit..."
Stimmt, und daher ist dieser Theismus nichts mehr, was mit dem herzallerliebsten Jesulein zu tun hat. Also sollten die Kirchen die Finger davon lassen.
"Generell sind heutige Wissenschaftler Zwerge auf den Schultern von Riesen.. Und unter den Riesen waren Atheisten dünn gesät..."
Ups. Nun müssten wir erst mal definieren, was ein Theist ist. Wollen wir wetten, dass die meisten der 'Riesen', auf die Sie anspielen, bestenfalls Deisten waren?
"Ihre Anmerkung zu Lamarck und Darwin - Sie können die Erfindung der ET auch in der Genesis ansetzen ("die Erde bringe hervor")"
Natürlich. Interessanterweise haben die Christen vor Darwin davon nichts bemerkt. Was eigentlich nur heißt, dass man in alte Schriften hineinlesen kann, was man gerne möchte.
"Zum Verständnis von M. Blume"
Ich habe das Buch gelesen. Und ihn vermutlich nicht schlechter verstanden als Sie.
"Zu Ihrem Punkt TE und „Sündenfall“ … Wir bekommen es doch als Menschen auch hin, einen Punkt zu bemessen, an dem wir Menschen für voll verantwortungsfähig ansehen..."
Ach ja. Okay, dann lesen wir doch mal wieder Evolution in die Genesis.
[ ich hoffe, sie wollen es sich nicht antun, dass ich ihnen nun auch Links maile ]
"Hier der legendäre Evolutionstheoretiker Stephen Jay Gould"
'Legendärer Evolutionstheoretiker' klingt gut. Würden Sie bitte präzisieren, was Gould qualifiziert, so etwas zu schreiben? Was hat Gould als Evolutionst*theoretiker* geleistet? Gehen Sie davon aus, dass ich die einschlägigen Arbeiten von Gould (einschließlich deren Kritik) kenne.
Ich habe keine Lust, mich durch irgendwelche Zitate zu wühlen. Glauben Sie mir, ich habe hinreichend andere Zitate in meiner Datenbank, wir sollten nicht Fernschach spielen. Formulieren Sie *selber*, was sie vertreten möchten, dann diskutieren wir gerne darüber. Sich als Zwerg auf Schultern von Größen zu stellen, die sich nicht gegen Zitiertwerden wehren können, bringt es nicht.
El Schwalmo am Permanenter Link
@Daniel Meier syn.
Vielleicht noch ein paar Anmerkungen zu dem (nicht besonders gut übersetzten) Zitat von Stephen Jay Gould:
"Entweder ist die Hälfte meiner Kollegen ausnehmend dumm oder die Wissenschaft des Darwinismus ist vollkommen vereinbar mit herkömmlichen religiösen Überzeugungen - und ebenso vereinbar mit dem Atheismus."
Lassen wir einfach mal weg, was 'Wissenschaft des Darwinismus' sein könnte und problematisieren nicht weiter, ob tatsächlich die Hälfte der Kollegen Goulds gläubig ist, sondern konstatieren zunächst, dass das alles auch mit dem Atheismus vereinbar ist. Das heißt doch nur, dass man sich als 'herkömmlich religiös Überzeugter' mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften genauso anfreunden kann wie als Atheist, dass es also letztlich Schnuppe ist, welchen privaten *Glauben* ein Naturwissenschaftler hat. Letztlich ist Naturwissenschaft eine *Methode*, die aber so erfolgreich ist, dass sie Gläubige dazu zwingt, ihren Glauben entsprechend anzupassen.
Kreationisten (tm) mal ausgenommen haben die Christen doch längst das Tafelsilber verkauft. Wenn Gott durch Evolution schafft, dann ist das ein Offenbarungseid. 'Leben durch Sterben' (wie der Kreationist Reinhard Junker die Buchausgabe seiner Dissertation betitelte) ist doch nun wirklich nicht das, was die Bibel lehrt. Theologen, die Evolution und Christentum als kompatibel ansehen, müsste man eigentlich mit 'ü' schreiben. Es ist immer wieder putzig, die merkwürdigen Versuche, Christentum und Evolution unter einen Hut zu bekommen, zu lesen. Ich habe eine gewisse Achtung von Kreationisten (tm), die sind zwar Ritter von der traurigen Gestalt, die den Schuss noch nicht gehört haben, aber immerhin Ritter. Moderne Theologen hingegen sind keine Ritter, nur traurige Gestalten.
Das gilt auch für Naturwissenschaftler, die 'oben ohne' nicht auskommen und dann als Wandler zwischen Welten vagabundieren und es nicht schaffen, sich entweder für ein Christentum (tm) oder für ein sauberes naturwissenschaftliches Weltbild zu entscheiden. Nicht Fisch noch Fleisch. Es grenzt an Realsatire, wie sich diese Menschen bemühen, einen eingreifenden Gott abzulehnen (klar, das wäre ein Lückenbüßer, der an Wohnungsnot zugrunde gehen wird), aber dennoch von einem Wesen, das den Rahmen schafft und hält, nicht loskommen. Schon merkwürdig, wenn Deisten meinen, Christen zu sein, und Christen (tm) sich darüber freuen, nur weil sie sich dann einbilden können, derartige Menschen in ihren Reihen zu haben.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Lieber Herr Meier syn.,
Herr Blume hat nicht (!) festgestellt, dass es bis heute keine einzige nicht-religiöse Gesellschaft gegeben hätte, die sich erfolgreich durch Fortpflanzung erhalten hätte. Er hat einfach alle Gesellschaften, in der Religiöse vorkommen, als religiös definiert und findet nun heraus, dass Religionen - und nur - Religionen für die Reproduktion verantwortlich sein müssten.
Wenn ich die Untersuchungsgruppen von vornherein so definiere und Korrelation mit Kausalität verwechsle, dann kommt das natürlich auch dabei heraus. Dies nennt man in der Wissenschaft "Ergebnisse schießen".
Die Frage ist aber, ob in den säkularen Gesellschaften die Religiösen auch beim Planen und Zeugen der Kinder religiös oder eher säkular (ressourcenorientiert) motiviert sind.
Auch ich als Biologe bin nicht 24 Stunden am Tag Biologe. Selbst beim Schreiben dieser Zeilen, versuche ich logisch zu denken und nicht "biologisch".
Religiöse haben bestimmt einen säkularen Anteil in Beruf und Freizeit und sind nicht "Vollzeitreligiöse". Die meisten Christen sind 364 Tage im Jahr säkular und lediglich zu Weihnachten Christ. Solche Befunde der Psychologie müssen auch berücksichtigt werden, wenn man nicht in ein Schwarz-Weiß bzw. Religiös-Nichtreligiös-Schema verfallen möchte.
MfG
Andreas E. Kilian
Wolfgang am Permanenter Link
Gott erschuf Adam: und siehe da, er hatte einen Nabel! Was uns doch wohl der Künstler damit sagen wollte? Ich bin aber davon überzeugt, die Gläubigen sehen es nicht oder wollen es einfach nicht sehen.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Glauben und Wissen sind konträre Begrifflichkeiten, bei denen sich Wissen und Wunschdenken begegnen. Dass geschäftstüchtige Machtbesessene sich des Glaubens/Wunschdenkens bedienen, ist hinlänglich bekannt.