Kommentar

So ne oder so ne Wissenschaft…

Am Wochenende sorgte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet mit unpassendem Gelächter im von der Unwetterkatastrophe schwer getroffenen Erftstadt für Schlagzeilen. Die darin zum Ausdruck kommende Empathielosigkeit und das mangelnde Gespür für staatsmännisches Verhalten riefen allgemeines Kopfschütteln hervor. Doch das Problem mit Laschet ist nicht nur, dass er an der falschen Stelle lacht. In Hinblick auf drängende Probleme von Gegenwart und Zukunft dürfte sich vor allem seine Wissenschaftsferne als fatal erweisen. Diese teilt er allerdings mit Vielen in Politik und Gesellschaft. Was die Sache nicht besser macht. Ein Kommentar von Udo Edruscheit.

Wir haben ein Problem. Das habe ich schon vor einigen Jahren einmal mit dem Satz illustriert: "Solange es gelingt, auf breiter Front den Menschen wirkungslose Zuckerkugeln als Medizin zu verkaufen, so lange wird es nicht gelingen, Akzeptanz für wissenschaftlich fundierte Problemlösungen in anderen Bereichen zu wecken."

Will sagen: mehr denn je ist in der Pandemie schmerzlich deutlich geworden, dass allzu viele Menschen mit dem Begriff "Wissenschaft" bzw. "Wissenschaftlichkeit" nichts anzufangen wissen. Als "Weltanschauung", gar als "Religionsersatz" oder auch "Ideologie" wird die Wissenschaft angesehen, als ein Tummelplatz der Meinungen, als Bestellbörse für genehme "Ergebnisse". Nicht etwa als eine Methode zur Generierung von Erkenntnisgewinn, die von ständiger Selbstüberprüfung lebt und sich durch das Verwerfen von Falschem und Ungenauem und dem Hinzufügen von Neuem und Besserem "emporirrt" – und das immer auf der Grenze zwischen Wissen und Nichtwissen. In Unkenntnis dessen werden Irrwege eingeschlagen und Schlussfolgerungen gezogen, die im Ergebnis Fakten und Meinungen ununterscheidbar machen. Wir pfeifen auf Intersubjektivität und entscheiden nur noch, ob wir dem persönlichen Bauchgefühl folgen oder uns eine Portion Opportunismus leisten wollen!

Solches Unverständnis in der breiten Bevölkerung ruft (laut) nach Aufklärung und Bildung, nach Vermittlung von Grundwissen über die wissenschaftliche Methode schon in der Schule. (Es soll gar Universitätsabsolventen geben, die nach ihrem Abschluss nicht imstande sind, den Begriff "Wissenschaft" halbwegs korrekt zu definieren.)

Haarsträubende Selbstverortung bei Politikern

Eine andere Kategorie sind Aussagen und Selbstverortungen von Politikern und Leuten mit vergleichbarer öffentlicher Wirkung. Hier tritt die Kritik, auch scharfe, an die Stelle der Aufklärung. Als Notwehr.

Das klassische Beispiel einer haarsträubenden Selbstverortung zur Wissenschaft ist Claudia Roth. Auf den Hinweis, dass Homöopathie in überwältigendem Konsens wissenschaftlich erledigt sei, entblödete sie sich einst nicht, vor laufender Kamera zu antworten: "Es gibt so ne Wissenschaft und so ne Wissenschaft."

Wie es scheint, hat sie nun einen würdigen Mitstreiter gefunden: Armin Laschet, mit dem sie sich mit einiger Wahrscheinlichkeit gar in nicht allzu ferner Zukunft in einer Regierungskoalition wiederfinden wird.

Nämlicher Armin Laschet höchstselbst vertrat vor kurzem öffentlich im Landtag von NRW die Ansicht: "Immer, wenn jemand ankommt und sagt 'die Wissenschaft sagt', ist man klug beraten, zu hinterfragen, was dieser gerade im Schilde führt. Denn 'die Wissenschaft' hat immer auch Mindermeinungen. Und wenn es ein Einzelner ist."

Es macht die Sache nicht gerade besser, dass er selbst diesen Satz nicht gesagt hat. Eher schlimmer. Denn einen doppelten Fehlgriff hat Laschet dadurch getan, dass er einem AfD-Vertreter, der zuvor mit dieser Sentenz hervorgetreten war, bescheinigte, damit habe jener "einen wahren Satz gesagt".

Es sei deutlich gesagt: Solche Leute als hochrangige Entscheider können wir uns schlicht nicht mehr leisten. Sie stellen angesichts der anstehenden Probleme, unter ihnen einige der größten der menschlichen Zivilisation, eine reale Gefahr dar. Und nein, das hier ist kein politischer Rant. Er handelt einfach nur von öffentlichkeitspräsenten Persönlichkeiten, die offensichtlich selbst während der und durch die Pandemie in Sachen Wissenschaft nichts, gar nichts gelernt haben. Was vielleicht die eine oder andere Entscheidung in der Vergangenheit sogar verständlicher machen mag. Zweifellos kann man noch manche hinzufügen, die aber zumindest so klug sind, sich nicht auch noch mit ihren Ansichten öffentlich zu exponieren.

Ach so, ich vergaß: das alles handelt von Deutschland, dem Vernehmen nach eines der reichsten und höchstentwickelsten Länder der Welt. Nicht, dass da Missverständnisse aufkommen.

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