Kommentar

Zu groß, zu teuer, zu würdig? Wenn Friedrich Merz über Armut spricht

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Vielleicht stellt sich Friedrich Merz so eine bewohnbare Wohnung vor.

Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz fordert neue Einschränkungen für Bürgergeldempfänger:innen: gedeckelte Mieten, kleinere Wohnungen, mehr Kontrolle. Doch was als ordnungspolitische Vernunft erscheint, entpuppt sich als zynischer Angriff auf das Prinzip der Menschenwürde – und auf die soziale Realität in Deutschlands Städten.

Friedrich Merz hat im ARD-Sommerinterview erneut Sozialpolitik als Bühne für populistische Stimmungsmache genutzt. Bürgergeldempfänger:innen, so sein neuester Vorschlag, sollten künftig mit einer Deckelung der Mietkosten und häufigeren Kontrollen ihrer Wohnungsgröße rechnen. Der Staat übernehme schließlich "zu hohe Mietpreise", die eine "normale Arbeiterfamilie" sich gar nicht leisten könne.

Was sich auf den ersten Blick nach ökonomischer Vernunft anhören soll, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als das, was es ist: sozialpolitischer Zynismus zum Quadrat.

Denn: Wer heute Bürgergeld bezieht und in einer "zu teuren" Wohnung lebt, muss den Differenzbetrag längst aus dem ohnehin knapp bemessenen Regelsatz zahlen. Es gibt keine stillschweigende Luxusfinanzierung – sondern eine stille Selbstverarmung. Preisgünstiger Wohnraum ist in den meisten Städten schlicht nicht verfügbar. Wer umziehen soll, landet in Wohnheimen, prekären Lagen oder auf Wartelisten.

Die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist längst gesetzlich geregelt. Was Merz vorschlägt, ist nicht Effizienz, sondern Eskalation. Und vor allem: Wer so argumentiert, schürt ganz bewusst Ressentiments. Das Bild des "faulen, aber besser wohnenden Transferempfängers" ist ein sozialer Mythos, der sich seit den Tagen von Hartz IV hartnäckig hält – und den Merz bedient wie ein Demagoge mit Maßband.

Man muss es so deutlich sagen: Entweder Friedrich Merz verkennt die Lage – dann fehlt es ihm an der nötigen politischen Urteilsfähigkeit. Oder er kennt sie genau – und redet dennoch so. Dann begibt er sich auf die Ebene des Zynismus. Und das vor den Kameras der Republik im Sommerinterview zu verkünden, dazu gehört schon einiges.

So oder so: Solche Politik ist keine Antwort auf reale Probleme, sondern ein Angriff auf das Prinzip der Menschenwürde. Wer Armut nur noch verwalten will, wird früher oder später zur Verrohung und zum gesellschaftlichen Verfall beitragen. Und zwar mit Ansage.

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