Ein Wahlkampfvideo der SPD thematisiert die konservativ-katholische Einstellung von Armin Laschets Staatskanzleichef. Nach massiver Kritik hat die SPD den Film nun zurückgezogen, doch dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist das nicht genug.
"Wer Armin Laschet und die CDU wählt, wählt eine Politik, die Reiche reicher und Arme ärmer macht. Kandidierende, die die CDU an den rechten Rand rücken. Erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist."
So beginnt ein umstrittener Wahlwerbespot der SPD. Parallel zum gesprochenen Text wird eine Matroschka-Puppe immer weiter auseinandergebaut, die zunächst das Konterfei des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, danach jenes von Friedrich Merz trägt, der bei der anstehenden Bundestagswahl im Hochsauerlandkreis für einen Sitz im Parlament kandidiert; es folgt Hans-Georg Maaßens Gesicht, der sich durch vielkritisierte Aussagen in AfD-Nähe begab und für die CDU in Südthüringen antritt. Und dann ist da das Gesicht von Laschets Staatskanzleichef Nathanael Liminski. Über den ultrakonservativen Sohn eines Opus-Dei-Vaters und Mitgründer von "Generation Benedikt" hat der hpd bereits berichtet. Liminski äußerte sich in den 2000ern öffentlich gegen Schwangerschaftsabbrüche, für die "natürliche Form der Ehe und Familie" und kritisch gegenüber Sex ohne Fortpflanzungsabsicht. Die Rhein-Neckar-Zeitung spricht von Laschets rechter Hand als dessen "Verbindung ins katholisch-konservative Milieu".
Diese Haltung Liminskis im Wahlwerbespot der SPD zu thematisieren, nannte der Tagesspiegel einen "Tabubruch". Bislang seien Regierungsparteien in Deutschland davor zurückgescheut, die religiöse Überzeugung von Gegnern im Wahlkampf zu thematisieren. Ein befragter Parteienforscher sprach von "Negative Campaigning", das an amerikanische Vorbilder erinnere. Der ebenfalls hinzugezogene Staats- und Kirchenrechtler Hans Michael Heinig sagte der Zeitung, der Vorgang sei politisch einschneidend. "Denn seit dem Godesberger Programm sei die SPD bemüht gewesen, ihr positives Verhältnis zu den Kirchen herauszustellen." – Ein Umstand, der von säkularer Seite immer wieder kritisiert wird.
Nachdem auch die CDU zum Verzicht auf den Film aufgerufen hatte, da er "ein religiöses Bekenntnis dazu [missbrauche], um Wahlkampf gegen andere zu machen" (CDU- Generalsekretär Paul Ziemiak), folgte Anfang letzter Woche dann die Rolle rückwärts: Die SPD zog den Wahlwerbespot zurück. Er werde nicht genutzt, erklärte ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. die SPD trete immer für eine offene und tolerante Gesellschaft ein. Scholz wies die Frage, warum seine Partei vor einem Christen wegen seines Glaubens warnen würde, zurück und versicherte stattdessen: "Unser Land und auch ich sind vom christlichen Glauben geprägt."
Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), reicht das nicht. Laut BR24 fordert er eine Entschuldigung des SPD-Kandidaten. Doch es gibt auch andere Stimmen: In einem weiteren Beitrag des Tagesspiegels zum Thema verteidigte die Bundesvorsitzende der Jusos Jessica Rosenthal das Wahlkampf-Video: "Es ist völlig richtig, die Rolle von Herrn Liminski massiv zu kritisieren", sagte sie der Zeitung. Es gehe nicht um seine Religionszugehörigkeit, sondern um das freiheitsgefährdende Weltbild, das er vertrete. "Jede und jeder sollte wissen, von wem sich der Kanzlerkandidat der Union beraten lässt."
16 Kommentare
Kommentare
Andreas P. am Permanenter Link
Es ist schade, dass die SPD hier eingenkickt ist. Aber was man mit Genugtuung beobachten kann: Die Autorität der Kirche ist mittlerweile so gering, dass man solche Spots bringen kann. Die Erosion geht weiter.
Wie das auf katholisch.de letztens so schön formuliert wurde: Bremen und das Saarland sind ausgetreten. Hervorragend.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Soll jetzt schon wieder (mal) die Wahrheit aus dem Verkehr gezogen werden? Liminski kann jede Religionszugehörigkeit - inklusive keiner - haben, die er haben will.
Wäre diese Art der Darstellung ein Problem, kann könnte man der SPD - bzw. den Machern des hervorragenden Spots - auch den Vorwurf machen, sie kritisierten die Parteizugehörigkeit der anderen Kandidaten. Doch darum, das begreifen auch Doofe, geht es in dem Spot nicht. Man soll ja nicht SPD und nicht CDU wählen, weil deren Kandidaten Mitglieder in der CDU, der Kirche oder dem Schwimmverein sind, sondern weil sie als Kandidaten ein rückwärtsgewandtes, unsoziales Programm propagieren.
Schade, das Shitstorms heutzutage die Vernunft immer mehr vertreiben. Den Spot zu senden sehe ich als Grund, die SPD zu wählen. Ihn kleinlaut zurückzuziehen ist das exakte Gegenteil...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Na hoffentlich steht die SPD zu ihrem Spot und verbreitet ihn wo es nur geht.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Der Spot war Müll.
Das Anliegen richtig und legitim. Die Kirchennähe politischer Akteure IST ein hochrelevantes politisches Thema, das kann nicht in Frage stehen.
Aber es ist bezeichnend, dass der Retract seitens der SPD gleich wieder ein regelrechter Kotau sein musste, einschließlich expliziter Unterwerfungserklärung ...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Da hat endlich mal einer den Mut zu sagen was Sache ist, und schon wird auf Ihn eingedroschen.
Erst wenn die gesamte Menschheit von diesem überflüssigen Ballast befreit ist, öffnet sich ein Weg in eine friedlich Zukunft.
Bleibt am Ball!
Klaus Bernd am Permanenter Link
Da muss ich mich doch nochmal zu Wort melden und der Juso-Vorsitzenden den Rücken stärken. Hoffen wir, dass die SPD noch mehr Mitglieder mit Rückgrat und Realitätssinn hat.
Grundsätzlich das Thema der religiösen Befindlichkeit eines Politikers aus dem Wahlkampf herauszuhalten, kann ja nicht angehen. Und von Olaf Scholz wird auch gleich wieder dagegen verstoßen, wenn er sich zum Christentum bekennt.
Einige Gretchenfragen an einen Kanzlerkandidaten müssen einfach erlaubt sein:
- ist er ein Fundamentalist oder ein Ultraorthodoxer ?
- stellt er die Forderungen seiner Religionsführer über das Grundgesetz und die säkulare Rechtsordnung (Stichwort: man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen !) ?
- zieht er esoterische Offenbarungs-“Erkenntnis“ der weltweit anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnis vor ?
Müsste man einen muslimischen Kanzler-Kandidaten nicht fragen dürfen, ob er die Scharia für eine Rechtsnorm hält, die man in einem Staat akzeptieren oder gar durchsetzen sollte ?
Müsste man einen jüdischen Kanzler-Kandidaten nicht fragen dürfen, ob er die Sabbat-Ruhe nach dem Muster der ultraorthodoxen Viertel israelischer Großstädte einführen will ?
Muss man H. Laschet nicht fragen dürfen, ob er den §218 nach polnischem oder brasilianischen Muster verschärfen will ? Hat ihm dies der Papst, der Abtreibung als Mord und Auftragsmord bezeichnet, nicht bei seinen Privataudienzen als Auftrag mitgegeben ?
Muss man H. Laschet nicht fragen dürfen, ob er sich an die folgende Anweisung Ratzingers (als Großinquisitor) an die Politiker gebunden fühlt ?
„IV. VERHALTENSWEISEN DER KATHOLISCHEN
POLITIKER IN BEZUG AUF GESETZGEBUNGEN
ZU GUNSTEN
HOMOSEXUELLER LEBENSGEMEINSCHAFTEN (!)
Wenn sie mit Gesetzesvorlagen zu Gunsten homosexueller Lebensgemeinschaften konfrontiert werden, sind folgende ethische Anweisungen zu beachten. (!)
Wird der gesetzgebenden Versammlung zum ersten Mal ein Gesetzesentwurf zu Gunsten der rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften vorgelegt, hat der katholische Parlamentarier die sittliche Pflicht, klar und öffentlich seinen Widerspruch zu äußern und gegen den Gesetzesentwurf zu votieren. Die eigene Stimme einem für das Gemeinwohl der Gesellschaft so schädlichen (!) Gesetzestext zu geben, ist eine schwerwiegend unsittliche Handlung.“
Muss man H. Laschet nicht fragen dürfen, ob er glaubt – wie es der Katechismus der katholischen Kirche fordert – dass das Alte Testament mit all den Brutalitäten, die Gott seinem Auserwählten Volk befiehlt, „von der göttlichen Erziehungskunst der heilschaffenden Liebe Gottes“ zeugt ?
Muss man H. Laschet nicht auch fragen dürfen, ob er das im Dom zu Aachen verehrte Stück Stoff tatsächlich für die/eine Windel Jesu hält ?
Muss man H. Laschet nicht fragen dürfen ob er sich verpflichtet fühlt – wie es das kanonische Recht fordert – seinen „Hirten“ - also z.B. den Herren Woelki, Puff und Schwaderlapp – mit Ehrfurcht und ggf. mit Gehorsam zu begegnen ?
Nach seinen Positionen zu Staatsleistungen, Kirchensteuer, kirchliches Arbeitsrecht … braucht man ja gar nicht erst zu fragen.
Wenn man sich so massiv in Staatsangelegenheiten einmischt, wie es die Großkonzerne des Esoterik-Business in Deutschland tun, muss es einfach erlaubt sein, Politikern, die sich zu ihnen bekennen und/oder mit ihrem Bekenntnis auf Stimmenfang gehen, die Frage zu stellen:
Wie hältst Du’s mit der Religion ?
Dr.med.Horst am Permanenter Link
Dem ist nichts hinzuzufügen!
Marg69 am Permanenter Link
Ein inhaltlich richtiger und sehr gut gemachter Wahlkampfspot, der auf breite Zustimmung in der Öffentlichkeit stößt, wird unterwürfig von der SPD zurückgezogen, weil die Bischofskonferenz Kritik übt?
Zwei Seiten derselben Medaille und wiederum Zeugnisse der unappetitlichen Einflussnahme der Religiösen jedweder Couleur auf Politik, Behörden, Staat etc.
Ersteres ganz sicherlich Grund, aktuell auch die Charakterfestigkeit eines atheistischen SPD-Kanzlerkandidaten kritisch zu hinterfragen!
A.S. am Permanenter Link
Es ist ja nicht so, dass einzelne Politiker autonom über die Politik bestimmen. Es sind immer Teams und Netzwerke.
Und was die Religion angeht: Wie viele Politiker werben für sich damit, dass sie öffentlich gut sichtbar zum Papst reisen, in die Kirche gehen, ... ?
Wolfgang von Sulecki am Permanenter Link
Der Frau Rosenthal ist zuzustimmen - weil die Einflüsterung bei dem Kandidaten Laschet mangels dessen eigener Ideen sicher auf fruchtbaren Boden fallen wird.
Wer sich wie Liminski derart exponiert und öffentlich eine solche Lebenshaltung propagiert will damit Einfluss ausüben und es darf an der Neutralität im Amt gezweifelt werden.
Siehe dazu → https://www.re-actio.com/wordpress/?p=110554 [Darf man die Gesinnung von Staatskanzleichef Nathanael Liminski hinterfragen ...?]
Thomas A. am Permanenter Link
Dir Kampagne war doch ein voller Erfolg. Die SPD ist es gelungen, mit ihre beeindruckendste Fähigkeit herauszustellen: Auf das kleinste bisschen Druck von rechts her einzuknicken und umzufallen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Nicht "die SPD", maximal die von heute, repräsentiert durch ihre Führung.
klaus Weidenbach am Permanenter Link
Selbstverständlich muss das religiöse Umfeld eines Kandidaten durchleuchtet werden können, denn die religiösen und geistigen Beschränkungen dieser Menschen haben einen nicht geringen Einfluss auf das Leben anderer.
…
Jürgen Becker am Permanenter Link
Sie haben vollkommen recht, Herr Weidenbach, mit der Feststellung, dass das religiöse Umfeld eines Kandidaten für den Bundes- und/oder Landtag durchleuchtet werden muss.
Petra Pausch am Permanenter Link
ohe jetzt Werbung für eine Partei machen zu wollen: Die Partei der Humanisten, die Piraten und auch VOLT haben die Trennung von Staat und Kirche im Parteiprogramm.
klaus Weidenbach am Permanenter Link
Meines Wissens ist "die Linke" die einzige (größere) Partei, die die Trennung von Staat und Kirche im Parteiprogramm hat.