Kommentar

Franziskus – Der erbarmungslose Papst

TRIER. Jorge Mario Bergoglio alias Papst Franziskus erlaubt katholischen Priestern, Abtreibungen zu vergeben. Wer dies als Ausdruck päpstlicher Barmherzigkeit deutet, irrt gewaltig. Ein Kommentar.

Franziskus erklärte in einem kürzlich veröffentlichten Brief, "allen Priestern die Vollmacht zu gewähren, von der Sünde der Abtreibung jene loszusprechen, die sie vorgenommen haben und reuigen Herzens dafür um Vergebung bitten." Der vereinfachte Weg zur Vergebung von der vermeintlichen Sünde ist allerdings nur vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016 möglich. Anlass ist die Feier des sogenannten "Heiligen Jahres". Es solle "für alle Gläubigen ein echter Moment der Begegnung mit der Barmherzigkeit Gottes" werden.

Die Vergebung Gottes könne Frauen, die abgetrieben haben, also nicht verweigert werden. Aus der Perspektive eines reaktionären Männervereins mit eigener Zeitrechnung mag dies Ausdruck päpstlicher Barmherzigkeit sein. An der anachronistischen Position der katholischen Kirche zu Abtreibung und sexueller Selbstbestimmung wird damit jedoch nicht gerüttelt. Franziskus lässt schließlich keinen Zweifel aufkommen, dass der Schwangerschaftsabbruch nach wie vor eine schwerwiegende Sünde sei. Laut Katechismus der katholischen Kirche handelt es sich um ein "verabscheuungswürdiges Verbrechen". Daran wird sich vorerst nichts ändern. Die freie Entscheidung von Frauen wird weiterhin dramatisiert und kriminalisiert.

"Ich bin sehr vielen Frauen begegnet, die in ihrem Herzen die Narben dieser leidvollen und schmerzhaften Entscheidung trugen", schreibt Franziskus und bezieht sich dabei auf das von Abtreibungsgegnern häufig angeführte "Post-Abortion-Syndrom". Dabei handelt es sich um ein psychisch-emotionales Syndrom in Folge eines Schwangerschaftsabbruchs. Ein solches ist jedoch weder im medizinischen Diagnoseschema ICD-10 noch im psychologisch-psychiatrischen Diagnoseschema DSM IV klassifiziert. Es wird von keiner medizinischen oder psychiatrischen Vereinigung als echtes Syndrom anerkannt. Selbsternannte "Lebensschützer" bleiben vom aktuellen Stand wissenschaftlicher Forschung freilich unbeeindruckt. Traditionsgemäß postulieren sie angebliche Gefahren, um eine Abtreibung als persönliche Tragödie zu deklarieren. Unter genau dieser moralisierenden Stigmatisierung haben viele Frauen dann tatsächlich zu leiden.

Wäre der religiöse Eifer auf diesem Gebiet unproblematisch, könnte man schmunzelnd über die Äußerungen des Papstes hinwegsehen. Leider verhält es sich anders. Denn die fromme Rede von Schuld, Sünde und Sühne erschwert den Weg zu einer zeitgemäßen, enttabuisierten Sexualaufklärung, durch die viele Schwangerschaftsabbrüche weltweit verhindert werden könnten. Daran hat das Oberhaupt der katholischen Kirche leider kein ernsthaftes Interesse. Stattdessen wird weiterhin eine erbarmungslose Strategie verfolgt: Das Erfinden einer Sünde, um sich zugleich als barmherzigen Erlöser zu stilisieren.