Kanada

Nach Papstbesuch noch kein Plan zur Entschädigung von Internatsopfern vorgelegt

Vor gut einem Monat besuchte Papst Franziskus Kanada. Dort entschuldigte er sich für die Verbrechen, die an tausenden indigenen Kindern und Jugendlichen in von der katholischen Kirche geführten Internaten begangen wurden. Für die Betroffenen war die Entschuldigung ein erster Schritt, dem jedoch Taten folgen müssen. Bislang ist nach dem Besuch von einem Fahrplan zur Entschädigung jedoch nichts zu sehen.

Beginnend im 19. Jahrhundert und bis weit hinein ins 20. Jahrhundert versuchte die kanadische Regierung indigene Sprachen, Bräuche und Identitäten auszulöschen. Dazu ließ sie über die Jahrzehnte mehr als 150.000 Kinder und Jugendliche aus ihren Familien rauben und in Internate bringen. Diese Internate wurden überwiegend von der katholischen Kirche geführt. Nicht nur Hunger und Kälte bedrohten die Kinder, sondern auch Gewalt. Mit Schlägen und anderen Gewalttaten sollte ihnen die Verwendung ihrer Sprachen und gewohnten Handlungen ausgetrieben werden. Sexualisierte Gewalt kam für viele Betroffene hinzu. Unzählige Kinder und Jugendliche überlebten nicht. Ihre Körper wurden teilweise in unmarkierten Gräbern auf den Geländen der Internate vergraben.

Seit Jahrzehnten kämpfen Betroffene und Nachfahren von Betroffenen um Aufarbeitung und Entschädigung. Obwohl nicht nur der kanadische Staat bereits gerichtlich zur Entschädigung verpflichtet wurde, hatte die katholische Kirche sich lange kaum bewegt. Nachdem sich die katholische Kirche endlich bereit erklärt hatte, vorhandene Internatsdokumente zur Untersuchung freizugeben, wurden weitere Schritte gefordert. Im Vorfeld des Papstbesuches Ende Juli wurden eine Entschuldigung von Franziskus und Wiedergutmachung gefordert. Die Entschuldigung erfolgte, umfasste auch die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, jedoch nicht die Rolle der katholischen Kirche beim Versuch der Auslöschung indigener Lebensweisen und der Kolonisierung indigenen Landes. Auch ein Entschädigungspaket, wie es die kanadische Regierung leisten muss, ist bisher nicht vorgesehen.

Die katholische Kirche scheint sich auf einer im Jahre 2015 getroffenen Vereinbarung auszuruhen, welche sie, anders als den kanadischen Staat, von einer Entschädigungszahlung entbindet. Ursprünglich sollte die katholische Kirche insgesamt 79 Millionen kanadische Dollar (etwas über 60 Millionen Euro) zahlen. Aufgeteilt werden sollte die Summe in drei Tranchen. Eine von ihnen sollte 25 Millionen Dollar (etwa 19,1 Millionen Euro) für Überlebende der Internate enthalten. Nachdem die Kirche kaum vier Millionen kanadische Dollar (etwas mehr als drei Millionen Euro) gesammelt hatte, kam es zum Handel zwischen dem damals Zuständigen für indigene Angelegenheiten und der katholischen Kirche, welcher die Kirche in ihrer Gesamtheit für alle Zeiten von dieser Verpflichtung befreit.

Seit dem 29. August 2022 hat die kanadische Regierung die Survivors' Flag, die Fahne der Überlebenden, am Parlament gehisst. Dort soll die Fahne mit Kindern, die ihre Arme nach ihren Familien ausstrecken, bis 2024 hängen und an die Betroffenen der Internats-Verbrechen erinnern. Möge sie auch die katholische Kirche jeden Tag daran erinnern, dass die Forderungen der Menschen an sie jeden Tag auf Erfüllung warten.

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