Interview

"Jemand, der stinkreich ist und bettelt, verhöhnt die Armen"

Die Schweiz und mehrere ihrer Kantone wollen Unsummen für den Umbau einer Kaserne im Vatikan bezahlen. Im Kanton Luzern hat die Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS) zusammen mit mehreren Bündnispartnern ein Referendum gegen diesen Umgang mit Steuergeldern initiiert. Am 25. September wird darüber abgestimmt. hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg sprach mit der Pressesprecherin der FVS, Lisa Arnold, die die Kampagne betreut.

hpd: Die katholische Kirche ist bekannt dafür, dass sie ein sehr großes Vermögen besitzt, trotzdem aber immer wieder Spenden für alles Mögliche haben will. So hat beispielsweise der Kantonsrat in Luzern für die Renovierung von Gebäuden im Vatikan, konkret für die Renovierung der Kaserne der "Schweizergarde", jüngst großzügige 400.000 Schweizer Franken aus allgemeinen Steuergeldern zugesagt. Wie waren die Reaktionen auf die Zusagen der Spendengelder in der Schweiz, Frau Arnold?

Lisa Arnold: Luzern ist ja bei weitem nicht der einzige Kanton mit solchen Zusagen. Und auf nationaler Ebene wurden ganze fünf Millionen Franken unserer Steuergelder versprochen, ohne Rücksichtnahme auf die Konsequenzen! Die offizielle Schweiz scheint diesbezüglich aktuell leider komplett verblendet und drückt ihre eigenen Interessen, beziehungsweise diejenigen des Vatikans, gegen jene des Volkes durch. Das Außenministerium versprach den Beitrag an den Vatikan mit einer doch sehr fadenscheinigen Begründung: "Die Päpstliche Schweizergarde schützt den Papst seit 1506 und trägt damit zum Ansehen und zur Ausstrahlung der Schweiz in der Welt bei. Die Garde genießt sowohl bei den Behörden als auch bei der Schweizer Bevölkerung großen Rückhalt, ungeachtet der konfessionellen Zugehörigkeit." Wie weit weg vom Volk sich unser Außenminister bewegt, zeigt sich hier anhand der Reaktionen in der gesamten Schweiz doch recht deutlich.

Grundsätzlich ist es wohl richtig, wenn die Schweiz mit Unrechtsstaaten wie dem Vatikanstaat normale diplomatische Beziehungen unterhält, wie sie sie auch mit Staaten wie Nordkorea, Eritrea, Iran oder Saudi-Arabien pflegt. Aber genauso wenig wie die Existenz der Schweizer Botschaft in Pjöngjang ein Grund zu besonderer Freude sein kann, ist es die Eröffnung der Schweizer Gesandtschaft am Vatikan. Ein hervorragender Artikel dazu findet sich übrigens auch in der Sommerausgabe unseres Magazins. In Luzern besteht für diese Unterstützungsleistung keine direkte gesetzliche Grundlage, deshalb beantragte der Regierungsrat beim Kantonsrat, diese Ausgabe mittels Dekret zu bewilligen. Der Regierungsrat sprach sich für die finanzielle Unterstützung des Projektes im Umfang von 400.000 Franken aus, was rund 1 Franken pro Einwohner und Einwohnerin des Kantons Luzern entspricht. Und dieses Dekret ermöglichte es uns, den Weg des Referendums zu beschreiten, was die Kugel ins Rollen gebracht hat. Dank unserem Eingreifen realisieren die Schweizerinnen und Schweizer, wie fahrlässig mit ihrem Geld umgegangen wird und dass wir alle gemeinsam etwas dagegen unternehmen können.

Nun soll mit dem Geld aber doch die Kaserne der vatikanischen "Schweizergarde" renoviert werden. Da klingt es doch erstmal naheliegend, dass die Schweiz sich auch an den Kosten beteiligt – oder etwa nicht?

Nein, absolut nicht. Die Schweizergarde ist die Privatarmee des Papstes und ist für dessen Sicherheit zuständig. Sie steht also nicht im Dienst der Schweiz. Wie unser Präsident, Andreas Kyriacou, sagte: "Ich gönne ihnen die neue Kaserne, aber nicht auf Kosten von Leuten, die mit dem Katholizismus und Vatikan nichts am Hut haben." Die Garde ist eine private Söldnerarmee, die Finanzierung wäre "die Subventionierung eines Kleinstaates, der mehr Vermögen pro Einwohner hat als jeder andere Staat auf diesem Planeten". Dagegen setzen wir uns vehement ein. Insbesondere jetzt, wo die Lebenshaltungskosten für alle explodieren und jeder Schweizer Franken hier so dringend benötigt wird.

Wieso bezahlt der Papst seine Leibwache eigentlich nicht selbst?

Vielleicht hat er kein gesteigertes Interesse am Wohlbefinden seiner Leibwächter. Im Interview mit Zentralplus hat der Gardist Krummenacher verraten, dass der Vatikan den Zustand der Kaserne als okay beurteilt. Der Vatikan sieht selbst keinerlei Handlungsbedarf, obwohl es dort schimmelige Zimmer gibt, Feuchtigkeit, Wasserschäden, fehlende Isolation und, und, und. Dumm ist nur, dass potentielle Nachwuchskandidaten sich von diesem Ambiente wahrscheinlich eher nicht angesprochen fühlen. Von denen gibt es aber sowieso nur wenige, denn die Schweizergarde hat schon länger Nachwuchsprobleme. Das heißt: die Kasernenstiftung verschwendet unser hart verdientes Geld auch noch an ein totes Pferd, das sie noch immer zu reiten versucht.

"Schon der überwältigende Erfolg beim Sammeln der Unterschriften hat uns bestätigt, dass wir etwas äußerst Wichtiges tun."

Wie Sie gerade sagten: Die Spenden für dieses Projekt werden nicht direkt von der katholischen Kirche eingeworben, sondern von einer Stiftung. Was hat es mit dieser Stiftung auf sich?

Die Stiftung ist ein Deckmantel, um an unser Geld zu kommen. Für den Vatikan direkt wäre es viel schwieriger gewesen, die Lotteriefonds und Kantonskassen zu plündern. So kann man sagen, es ginge an eine steuerbefreite Stiftung und tut, als wäre diese korrekt erfasst. Auf ihrer Website schreibt sie: "Die Stiftung für die Renovation der Kaserne der Päpstlichen Schweizergarde im Vatikan wurde im Herbst 2016 in Solothurn gegründet. Ihr alleiniges Ziel ist die Erneuerung der Kasernengebäude sowie der übrigen Infrastruktur-Einrichtungen der Garde. Die Stiftung untersteht den Aufsichtsbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des Kantons Solothurn. Mit ihrem öffentlichen und gemeinnützigen Zweck ist ihr Status als steuerbefreite Stiftung anerkannt." Beinahe beschmutzt wurde der Ruf der Stiftung allerdings, als ihr ehemaliger Geschäftsleiter wegen Mordes an seiner Ehefrau unter Verdacht stand. Der laut Inside Paradeplatz Abkömmling einer der reichsten, bekanntesten und einflussreichsten Familien des Landes wurde letzten Mai schuldig gesprochen und zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Allerdings hörte man in den Medien nicht allzu viel davon, dass er der Geschäftsleiter der Kasernenstiftung war. Hinter der Stiftung stecken Persönlichkeiten wie der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank, ehemalige BundesrätInnen, diverse konservative PolitikerInnen und weitere Figuren, die Lobbying professionell betreiben. Für die Mittelbeschaffung ist ein Patronatskomitee zuständig, das auch unter altbundesrätlicher Leitung steht. Der Filz ist dicht und schwer fassbar.

Wie haben andere Kantone und der Bund auf den Spendenaufruf der Stiftung reagiert? Und mit welcher Begründung?

Der realitätsfremde und unsorgfältige Umgang des Außenministeriums mit unseren Finanzen war leider nur der Anfang. In der Schweiz ist ja bekannterweise alles von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Die Freidenker kämpfen in der Schweiz seit über 100 Jahren für die Trennung von Kirche und Staat. Dennoch gibt es sogenannte katholische und reformierte Kantone. Und auch die Sprachregionen schwanken stark in ihrer Spendierfreudigkeit an den Vatikan. Acht Kantone bezahlen gemäß Übersicht von kath.ch nichts an die Stiftung für die Renovation der Kaserne. Dazu gehören Appenzell Ausserrhoden, Bern, Basel-Stadt und Basel-Land, Thurgau und die Westschweizer Kantone Genf, Neuenburg und Waadt. Davon spricht jedoch niemand. An der Spitze der spendefreudigen Regierungen steht der Kanton Wallis, der eine ganze Million am Volk vorbeischmuggeln will! Grundlage für die Entscheide des Walliser Staatsrats ist das "Reglement betreffend die jährliche Verteilung der dem Hilfsfonds des Staatsrates zugeteilten Gewinne der Loterie Romande".

Als Verwendungszweck hält das Reglement fest: "Die dem Hilfsfonds des Staatsrates zugeteilten Gewinne der Loterie Romande werden an gemeinnützige Institutionen oder Projekte verteilt", wobei als gemeinnützig Projekte gelten, "die einen sozialen Zweck erfüllen und geeignet sind, die Lebensbedingungen der gesamten oder eines Teils der Bevölkerung zu verbessern". In diesem Fall wäre es ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung: Seit Dezember 2021 stammen 14 der insgesamt 135 Gardisten aus dem Wallis. Zumindest, wenn man die Gardisten gemäß Heimatort, also ihrem Heimatkanton berücksichtigt. Ihren Wohnsitz im Kanton Wallis haben derzeit aber nur elf Gardisten, davon drei im Oberwallis. Bei einer Walliser Bevölkerung von über 350.000 ist das ein verschwindend kleiner Teil. Hinzu kommt, dass die Verteilung der Gelder aus dem Hilfsfonds nicht nur in einem Reglement, sondern auch in einer Verordnung geregelt ist. Diese schränkt die Verteilung weiter ein. "Grundsätzlich", ist in Artikel 7 der Verordnung festgehalten, werden die Beträge zugunsten "wohltätiger Aktionen und Werke sowie solcher im öffentlichen Nutzen zugesprochen". Und zwar nur solchen, "deren Tätigkeit den lokalen Rahmen übersteigt, jedoch innerhalb der Grenzen des Kantons verbleibt".

Diese Recherche stammt aus dem Walliser Boten und von der NZZ, die für unsere Arbeit zum Thema hervorragende Informationen lieferten und der Sache auf den Grund gehen. Alleine würden wir dies wohl nicht stemmen können. Doch auch den investigativen Journalisten stellt sich letztlich noch die Frage: Wieso hat der Staatsrat die Unterstützung nicht parlamentarisch absegnen und so juristisch absichern lassen? Die Frage nach der politischen Legitimation, die bleibt unbeantwortet. Die Verantwortlichen haben den Betrag klammheimlich im vergangenen Januar versprochen, um kein Referendum zu riskieren. Denn auf dem normalen, legitimen Weg, hätten die BürgerInnen im Wallis ein solches ergreifen können. Wie nun die Politik diese Heimlichtuerei begründet, ist noch offen.

Was die Freidenker-Vereinigung der Schweiz natürlich nicht einfach auf sich beruhen lassen wollte …

Natürlich nicht. Jemand, der stinkreich ist und bettelt verhöhnt uns SteuerzahlerInnen, vor allem aber die Armen, die wirklich kein Geld haben und auf Unterstützung angewiesen sind. Dass der Vatikan gemäß Financial Times mit Spenden für die Armen spekuliert, macht die Sache noch viel schlimmer. Die verhöhnen uns doch!

Beispielbild
Plakat der Kampagne in Luzern. © FVS

Gehen wir also noch einmal zurück nach Luzern. Dort hat sich der Kantonsrat die Dinge ja durch ein Dekret so zurechtgebogen, dass er Gelder für die vatikanischen Umbaumaßnahmen zusagen konnte, obwohl es eigentlich nicht rechtskonform ist, die Bauprojekte eines fremden Staates aus Steuergeldern von Schweizerinnen und Schweizern zu sponsern. Das wiederum hat Ihnen aber die Möglichkeit eröffnet, dagegen vorzugehen.

Genau. Gegen das Dekret im Kanton Luzern können wir glücklicherweise mittels Referendum vorgehen. In vielen Kantonen liegt der Betrag, der in die Stiftung fließen sollte, unter der Grenze für ein Referendum oder wurde aus Fonds entnommen, die zwar nicht dafür vorgesehen sind, aber anscheinend hat leider niemand der Verantwortlichen seine Aufgabe ernst genommen. Es wurde also überall zurechtgebogen, um an die Gelder zu kommen. Dass dies in Luzern mittels Dekret geschehen ist, hat uns ermöglicht, an dieser Stelle einzuhaken. Denn das Dekret erfordert die Zustimmung des Parlaments, was wiederum die Vorlage referendumsfähig machte.

Die Freidenker-Vereinigung der Schweiz hat das Referendum ja federführend initiiert. Wer ist mit den Freidenkern zusammen im Bündnis gegen das Dekret?

Das Nein-Komitee ist erfreulich breit abgestützt. Wir dürfen auf die Grünliberalen, die Grünen, die Sozialdemokraten und ihre Jungparteien zählen. Bei den Liberalen unterstützen uns als Partei nur die Jungfreisinnigen, doch auch bei ihrer Mutterpartei war die Vorlage höchst umstritten. Zu den Köpfen des Komitees gehören Andreas Kyriacou und ich von der Freidenker-Vereinigung der Schweiz, Joachim Cerni (Freidenker und Ortsparteipräsident FDP.Die Liberalen), Claudia Huser (glp Kanton Luzern, Kantonsrätin), Tamina Kronenberg (Präsidentin jglp Luzern), Jörg Meyer (Kantonsrat SP), Michelle Meyer (Junge Grüne), Flurina Näf (Vorstand JUSO Luzern), David Roth (Präsident SP Kanton Luzern, Kantonsrat), Riccarda Schaller (Co-Präsidentin glp Kanton Luzern, Kantonsrätin), Hans Stutz (Grüne Kanton Luzern, Kantonsrat), Rachele Unternährer (JUSO Luzern), Gian Waldvogel (Vorstand Grüne Kanton Luzern, Kantonsrat) und Lukas Blaser (Präsident Jungfreisinnige Luzern). Alles sehr engagierte und sympathische PolitikerInnen.

Wie sehen die Rückmeldungen aus, die Sie von der Bevölkerung bisher zu Ihrer Initiative bekommen haben? Erfahren Sie eher Unterstützung oder eher Ablehnung?

Ich bin ehrlich gesagt etwas überrumpelt, wie groß und wie positiv das Echo ist auf unsere Aktivitäten. Gerade in der doch sehr katholisch geprägten Zentralschweiz war ich nicht sicher, wie weit wir kommen. Doch schon der überwältigende Erfolg beim Sammeln der Unterschriften hat uns bestätigt, dass wir etwas äußerst Wichtiges tun. Unser fleißigster Sammler hat in knapp drei Wochen mehrere hundert Unterschriften gesammelt. Wir haben in der halben Zeit die doppelte Anzahl nötiger Signaturen erhalten. Das ist einfach unglaublich! Und unsere Mitglieder melden uns die Zustimmung und Lob aus ihren Netzwerken, das ermutigt und motiviert natürlich unglaublich, wirklich dranzubleiben.

Dank unserem Referendum in Luzern wird das Problem auch immer mehr Menschen überhaupt bewusst. Wir erhalten Nachrichten auf allen Kanälen von Menschen, die wissen wollen, wann ihr Kanton so etwas beschlossen hat und weshalb es überhaupt zu dieser Frechheit kommen kann. In vielen Kantonen besteht zudem berechtigter Zweifel an der Rechtschaffenheit solcher Entscheide. Die angezapften Lotteriefonds etc. sehen keine Spenden im Ausland vor – schon gar nicht für die Armee eines Staates, der nicht einmal die Menschenrechtsabkommen der UNO unterschrieben hat.

"Die angezapften Lotteriefonds (...) sehen keine Spenden im Ausland vor – schon gar nicht für die Armee eines Staates, der nicht einmal die Menschenrechtsabkommen der UNO unterschrieben hat."

Sie haben für den 25. September also ein gutes Gefühl?

Wir wollen diese Abstimmung natürlich gewinnen! Und die aktuelle Berichterstattung der relevanten Schweizer Medien gibt uns recht. Die Luzerner Zeitung bezeichnete eine Zahlung der Gelder an den Vatikan kürzlich als Sündenfall – und dies in einem Leitartikel zur Abstimmung! Wir haben aber eigentlich jetzt schon gewonnen, denn die Aufmerksamkeit, die das Thema unterdessen erhält, ist für uns unglaublich wertvoll. Das Engagement von uns allen, vor allem von den Menschen, die sich hier seit Jahren für mehr Transparenz und eine klare Trennung von Kirche und Staat einsetzen, trägt wunderschöne Früchte. Ob wir tatsächlich die Mehrheit der Abstimmenden hinter uns haben werden, kann ich noch nicht sagen. Dass wir aber insgesamt einen riesigen Schritt vorwärts kommen, steht schon heute fest. Bei einem "Nein" zählen wir auf jeden Fall darauf, dass andere Kantone auf ihre überstürzten Finanzierungsentscheide zurückkommen und die uns wohlgesinnten PolitikerInnen uns in diesem Thema mit vollem Elan unterstützen. Und auch finanziellen Support nehmen wir sehr gerne an, um die Kosten decken zu können, die durch das Referendum in unserer Vereinskasse entstehen.

Nun drücken wir den StimmbürgerInnen des Kantons Luzern die Daumen und geben alles, denn jede einzelne Stimme gegen das Dekret zählt. Wir haben jetzt die Chance, diesen Mist an der Urne zu versenken und 400.000 Franken für die dringend benötigte Prämienverbilligungen für Krankenkassenzahlungen, Kitaplätze, Schulen und Polizeiposten zurückzupfeifen. Denn die Teuerung schiesst schon jetzt in die Höhe, die Heizung, die Krankenkasse und der Strom sind aber noch nicht bezahlt.

Unterstützen Sie uns bei Steady!