Indonesien und Malaysia:

Laut Umfrage ist jeder dritte Mensch religiöser als seine Eltern

Eine Umfrage bei über 18-Jährigen in Indonesien und Malaysia zu Religion, Geschlechterrollen und medialer Repräsentation zeigt Trends in der Lebensausrichtung auf. Zwar schätzen sich 33 Prozent der Befragten als religiöse Regeln strikter als die eigenen Eltern einhaltend ein, jedoch stützen sie sich dabei auch auf moderne Technik wie Gebets- und Datingapps und versagen sich Konsum nicht, solange er als halal und mit der Sharia konform eingeschätzt werden kann.

Vom 9. bis zum 16. Mai 2022 befragten die Werbe-, Marketing- und Beratungsunternehmen Wundermann und VMLY&R Malaysia jeweils 500 Muslim*innen über 18 Jahre in Indonesien und Malaysia. Dabei waren jeweils 300 zwischen 18 und 39 Jahre alt und 200 älter als 40 Jahre. Die meisten von ihnen, 55 Prozent, lebten in städtischen Gebieten, 27 Prozent in Vororten und jeweils neun Prozent in Kleinstädten oder ländlichen Gebieten.

Befragt wurden sie zu ihrer Religiosität, ihrer Einstellung zu Geschlechterrollen und Verantwortung, zum Beispiel bei der Versorgung gemeinsamer Kinder, aber auch zu Wichtigkeit und Verständnis von Halal-Produkten sowie die Zufriedenheit mit der medialen Darstellung von Muslim*innen.

Der 112-seitige Bericht wurde im Herbst dieses Jahres veröffentlicht und zeigt Trends besonders unter jüngeren muslimischen Menschen auf. So sehen sich insgesamt 33 Prozent der Befragten als religiöser als ihre Eltern im selben Alter an. Wobei in Indonesien sich gar 40 Prozent als religiöser einschätzen, während es in Malaysia 26 Prozent sind. Insgesamt schätzen sich 45 Prozent als gleich gläubig wie die Eltern ein (Indonesien 36 Prozent, Malaysia 55 Prozent) und 21 Prozent als weniger gläubig (Indonesien 23 Prozent, Malaysia 19 Prozent). Beim Ranking nach Wichtigkeit liegen Religion und Gesundheit vorn. Insgesamt 91 Prozent der Befragten sehen Religion und ein starkes Verhältnis zu Allah als sehr wichtig an. Dabei rangiert Religion auf derselben Stufe wie die Wichtigkeit von Gesundheit. Gefolgt von der Familie, die 98 Prozent der Befragten als sehr wichtig für sich einschätzen. Dagegen sehen nur 34 Prozent Wohlstand als sehr wichtig an. In Bezug auf Geschlechterrollen sieht eine Mehrheit von 62 Prozent der Befragten die Versorgung der Kinder als Aufgabe von Frau und Mann an. Beim Haushalt sehen auch 61 Prozent eine Aufteilung auf beide als richtig an. Zum Haushaltsvorstand, dem Haupteinkommen und der Person mit dem Auftrag, die wichtigsten Entscheidungen zu treffen befragt, liegen jedoch Männer vorn.

Im Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Islam befragt, sehen nur 43 Prozent sie als gleich an.

Mit der Religiosität geht nach Auswertung der Umfrage jedoch kein Verzicht auf Konsum, Reisen und Kommunikation einher. Vielmehr befeuert der als westlich eingeschätzte Konsum-Wunsch einen rasch wachsenden Markt für Mode, Pflege, Reisen, Finanzen, Technologie und Ernährung, der die Halal-Bedingungen erfüllt. Schlüsselmärkte sind nach Auskunft der Agenturen, die die Umfrage durchgeführt haben, Indonesien, Malaysia, Singapur und Brunei. Als Beispiele für Produkte, die mit dem islamischen Gesetz, der Scharia, übereinstimmen beziehungsweise als halal gelten, nennen sie Banking-Apps, Haar-Salons nur für Hijabis (Trägerinnen eines Hijab), Halal-Restaurants, die kein Schweinefleisch verarbeiten und keinen Alkohol ausschenken oder auch Schulen. Verwendet werden auch Gebets-Apps, die an Gebete erinnern, per GPS die Gebetsausrichtung vorgeben und Koran-Texte bereitstellen. Hinzu kommen auch Dating-Apps, die alles andere als ein flottes Date bei Cocktails, welches womöglich zu sexuellen Handlungen führen könnte, wünschen. Sie sollen den User*innen vielmehr die Möglichkeit geben, ein ähnlich religiöses Gegenüber zur Heirat zu finden. Für 86 Prozent der Befragten ist es sehr wichtig, eine*n muslimischen Ehepartner*in zu haben. 55 Prozent wünschen sich muslimische Freundschaften, 54 Prozent einen muslimischen Kindergarten oder eine muslimische Schule für ihren Nachwuchs. Nur 25 Prozent halten es für wichtig, auch Freundschaften mit nicht muslimischen Personen zu haben.

Frauen ist in der Befragung ein eigenes Kapitel in Bezug auf Kopf-Verschleierung mittels Hijab gewidmet. Alle befragten Frauen zwischen 18 und 39 Jahren gaben an, mehr als einen Hijab zu besitzen und nur drei Prozent der Frauen über 40 erklärten, keinen einzigen zu besitzen. Für viele ist der Hijab ein modisches Accessoire geworden. Sodass etwa 20 Prozent der Frauen mehr als 50 besitzen, einige davon auch in Luxusausführung, zum Beispiel erzeugt in Kooperation mit Disney oder Barbie oder mit Label-Logo eingestickt mit Swarowsky-Steinen. Äquivalent dazu gibt es auch Luxus-Telekung, edle Gebetsumhänge. 80 Prozent der Frauen erklären, dass sie sich entschieden haben, Hijab zu tragen. Sie räumen jedoch gewisse Beeinflussungen durch Ehepartner (39 Prozent), Familie und Freundschaften (34 Prozent) und Erwartungen an Arbeitsplatz und in der Schule (31 Prozent) ein. Ausgewählt werden Hijabs nach Komfort (90 Prozent), leichte Pflegbarkeit (76 Prozent), Bewegungsfreiheit (59 Prozent), Style (44 Prozent), Mode (41 Prozent) und nach Bedeckung (40 Prozent). Wenig verwunderlich, dass Produkte, die von Hijab-Trägerinnen gekauft werden sollen, mit "kühl", "frisch" und "gegen Juckreiz" beworben werden.

Frauenrechten, wie zum Beispiel der Zugang zu Bildung, der von 65 Prozent aller Befragten befürwortet wird, wird ein weiteres Kapitel gewidmet. Sehr unterschiedlich bewerten jedoch Frauen und Männer weitere Rechte. Während 51 Prozent der befragten Frauen sich wünschen, dass Frauen in Beziehung und Ehe eine gleich starke Stimme haben sollten wie Männer, sehen das nur 37 Prozent der befragten Männer so. Und während sich 40 Prozent der Frauen einen stärkeren weiblichen Einfluss auf die Regierung wünschen, sind es nur 26 Prozent der Männer.

Eine muslimische Feministin und Frauenrechtlerin, Kalis Mardiasih, kommt in einem Interview mit ihren Forderungen zu Wort. Kritik am rapide wachsenden Scharia- und Halalmarkt kommt ebenfalls vor. So wird gefragt, ob es sein muss, alles halal zu labeln. So wird zum Beispiel eine von einem muslimischen Geistlichen als halal eingestufte und gelabelte Matratze genannt.

Auch wird gefragt, ob es nötig ist, Windeln mit einem Hijabi-Baby zu bewerben.

Generell fühlen sich die Befragten als Muslim*innen in Medien und Werbung jedoch besser als noch vor einigen Jahrzehnten repräsentiert.

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