Die nationalistisch orientierte Regierung Indiens unter Narendra Modi und seine rechtsgerichtete Bharatiya Janata Party (BJP) führen immer unverhohlener eine Offensive für einen allein hinduistisch ausgerichteten Staat, ungeachtet dessen, dass die indische Verfassung säkular ausgerichtet ist. Dabei bedient man sich inzwischen unverblümt Wissenschaftsleugnung und Geschichtsfälschung.
Vorn an im Fokus steht dabei die Evolutionstheorie. Das verwundert nicht, weiß man, dass laut The Indian Express im Wahlkampf 2018 für eine zweite Amtszeit Modis der damalige Bildungsminister Satyapal Singh verlautbarte, Inder stammten "nicht von Affen ab", sondern von hinduistischen "Rishis" (Weisen) – die es offenbar irgendwie per Schöpfungsakt schon immer gegeben haben muss. Er bezeichnete Darwins Evolutionstheorie als "wissenschaftlich falsch. Lehrpläne von Schulen und Hochschulen müssen geändert werden. Seit es den Menschen auf der Erde gibt, ist er immer ein Mensch gewesen. Niemand hat gesehen, wie sich ein Affe in einen Menschen verwandelt hat." Die Erklärung, wovon Nicht-Hindus abstammen, blieb er dabei allerdings schuldig.
Inzwischen schreitet man zur Tat.
Im Schuljahr 2021/2022 verschwand Darwins Theorie still und leise aus dem Prüfungslehrplan für die Schüler der Klassen 9 und 10. Im Schuljahr 2022/2023 wurde das Thema Evolution nicht weniger stillschweigend vollständig aus den Schulbüchern gestrichen, wie Al Jazeera unter Berufung auf Lehrer und Bildungsexperten berichtet.
Dabei geschehen die Änderungen von zentraler Stelle aus: Zuständig dafür ist das National Council of Educational Research and Training (NCERT), eine dem Bundesbildungsministerium nachgeordnete Einrichtung. Das NCERT steuert zentral Lehrbücher und -inhalte von über 24.000 Schulen mit mehreren Millionen Schülern, die unter dem Dach des Central Board of Secondary Education (CBSE) zusammengeschlossen sind. Der Anspruch einer zentralen Lenkung ist offensichtlich, zumal sich mehr und mehr Schulbehörden bundesstaatlicher Ebene den NCERT-Vorgaben von selbst anschließen.
"Rationalisierung" des Geschichtslehrstoffs
Noch offensichtlicher wird der nationalistische Ansatz durch die Eingriffe, die Schulbücher in Sachen Historie erfahren. Modis BJP und ihr ideologischer Sidekick, die rechtsextreme Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) betreiben seit geraumer Zeit eine Überarbeitung der Geschichtslehrbücher, um das historisch völlig falsche Bild einer rein hinduistischen Vergangenheit Indiens und damit einer nie unterbrochenen ethnischen Geschlossenheit zu zeichnen. Ungeachtet der Tatsache, dass Muslime über Jahrhunderte hinweg über Indien herrschten und dass heute die muslimische Bevölkerungsminderheit immerhin einen Anteil von rund 14 Prozent an der Gesamtbevölkerung (d. h. 200 Mio. Menschen) stellt. Da man die Zeitspanne der Muslimherrscher nicht gänzlich ausblenden kann, wird diese – welche Überraschung – durch ein "alternatives" Narrativ dahin umgedeutet, dass diese Ära eine der schlimmsten Hindu-Verfolgung gewesen sei und damit der nationalistischen Agenda dienstbar gemacht.
Von den Mogul-Herrschern des 16. bis 19. Jahrhunderts erfahren die Schüler noch weniger, geschweige denn von regionalen Entwicklungen wie zum Beispiel der des bedeutenden Sultanats von Delhi, einem muslimischen Vorgängerreich der Mogul-Ära, in dem die heutige Hauptstadt Delhi ihren – muslimischen – Ursprung hatte. Die bisherigen Informationen zu diesem historischen Abschnitt wurden aus den Schulbüchern mit der Begründung des NCERT entfernt, es handele sich um eine "Rationalisierung" des Lehrstoffs und um eine Entlastung der Schülerschaft wegen der Pandemie.
Auch die Zeitgeschichte kommt nicht ungeschoren davon
Sehr "subtil" verschwand in den NCERT-Lehrbüchern für Politikwissenschaft ein Hinweis auf ein kurzzeitiges Verbot der rechten Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), das ausgesprochen wurde, weil dem Mörder Gandhis Verbindungen zur RSS nachgewiesen worden waren. Zudem kann man nirgends in den Schulbüchern mehr lesen, dass Gandhi überzeugt war, dass das Streben nach einem rein hinduistischen Indien sich zerstörerisch auswirken würde. So etwas lässt man heute nicht einmal mehr dem großen Mahatma durchgehen. Dass auch jeder Hinweis fehlt, dass Gandhis steter Einsatz für eine hindu-muslimische Einheit zu mehreren Mordanschlägen auf ihn führte, ist selbstredend. Von weiteren "Kleinigkeiten" soll hier gar nicht erst die Rede sein.
1.800 Wissenschaftler und Lehrer haben inzwischen einen offenen Brief veröffentlicht, in dem die Wiederaufnahme der Evolutionstheorie gefordert wird.
In den neuen Lehrbüchern finden sich auch keine Hinweise mehr über die Unruhen des Jahres 2002 in Gujarat (Ministerpräsident Modis Heimatstadt), wobei etwa 2.000 Menschen – überwiegend Muslime – zu Tode gekommen waren. Ein Film der BBC, der Modi (damals Chief Minister in Gujarat) direkt für die Vorfälle verantwortlich machte, wurde kürzlich in Indien verboten.
Al Jazeera zitiert den Wirtschaftshistoriker S. Irfan Habib mit der Einschätzung, die "Umschreibung der Geschichte stehe im Einklang mit den Versuchen der BJP, ihre hindunationalistische Propaganda voranzutreiben". Dies werde "die junge Generation stärker beeinflussen, als wir es uns derzeit vorstellen können. Es ist ein bewusster Akt der gegenwärtigen Regierung, um die religiöse Spaltung Indiens durch einen brainwash von Kindern und Jugendlichen voranzutreiben."
Indien und das Internet
Dass die Regierung Modi auf dem besten Wege ist, eine Vorzensur für das Internet nach chinesischem Muster einzuführen, ist längst nicht mehr unbekannt. Nun, warum auch nicht? Schließlich haben die Inder das Internet ja auch erfunden! So befand jedenfalls schon 2018 Biplab Deb, Chief Minister im Bundesstaat Tripura (und derzeit für eine neue Wahlperiode erneut nominiert). Er griff zur Begründung auf die Epensammlung der Mahabharata zurück, wo der Berater eines blinden Königs stets genau sagen konnte, was auf dem Schlachtfeld gerade vor sich ging – in Echtzeit, trotz erheblicher Entfernung, mittels der Gabe eines "göttlichen Blicks".
Nun mag man so etwas in alten Legenden nicht für so ungewöhnlich befinden. Minister Deb setzte aber noch einen drauf: es habe sich bei dem "göttlichen Blick" ganz klar um Satelliten-Internet gehandelt. Das damals exklusiv von Indern erfunden und genutzt worden sei.
Dagegen sind türkische Moscheen auf Kuba gar nichts. Auch in Indien wird zwar darüber gelacht – witzig gemeint war das aber ganz und gar nicht. Von offizieller Seite blieb diese eigenwillige Deutung bis heute unwidersprochen.
Ganz im Ernst: Solche Auswüchse zur bedenkenlosen Stützung einer übersteigerten nationalen Identität, zudem in einem bevölkerungsreichen, in der Entwicklung befindlichen Brückenland mit internationalem Ehrgeiz und Anspruch, sind hochgefährlich und ein unverhohlener Angriff auf humanistische und naturalistische Stimmen, die es in Indien durchaus gibt. Dass die Gesundheitsversorgung bereits 2014, bei der Machtübernahme Modis, mit der Gründung des "alternativen" AYUSH-Ministeriums in eine nationalistisch-irrationale Ecke verschoben wurde, darüber ist an dieser Stelle schon berichtet worden.
Intellektualität wird in Indien zunehmend naserümpfend als "Establishment" angesehen, was an Mao Zedongs Kulturrevolution erinnert und an die Entwicklung in China, bei der die Menschenrechte buchstäblich unter die Räder geraten sind. Das kann auch uns hier nicht kalt lassen, zumal dies vor dem nationalistischen Hintergrund in Indien sehr viele Leute erreichen und bald eine "gefühlte Wahrheit" darstellen wird. Denn all das ist ein warnendes Beispiel mehr dafür, wie "zwanglos" rechte nationalistische Tendenzen eine unheilige Allianz mit Wissenschaftsfeindlichkeit und Fake-Narrativen eingehen und der humanistische Gedanke dabei auf der Strecke bleibt.
Lesen Sie dazu auch: "Kurz vor 19:33 Uhr: Braut sich in Indien ein faschistischer Genozid zusammen?"
18 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Wo Religiöse an die Macht kommen, wird die Demokratie zerstört. Mal imSchweinsgalopp wie z.B. in der Türkei, mal ganz vorsichtig wie unter Merkel in Deutschland, mal mittelschnell wie in Indien.
Zweiflerin am Permanenter Link
Inwiefern hat Merkel die Demokratie in Deutschland zerstört?
A.S. am Permanenter Link
Das hat sie in vielfacher Weise:
- Stärkung der Religionen
- Unkontrollierte Zuwanderung
- Seltsame Verträge mit Erdogan und Putin
- Bildung an die Wand gefahren
- Schwächung der Bundeswehr
- Corona-Politik
Merkel hat das ihr vom Wähler anvertraute Land verrotten lassen und sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht, bevor es offenkundig wurde.
Jede Gesellschaft ist nur begrenzt belastbar, bis dass sie kollabiert. Unter Merkel wurden einerseits systematisch die Belastungen erhöht und andererseits die Selbstbehauptungsmöglichkeiten geschliffen.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Nur am Rande: Für die Bildung sind bei uns die Länder zuständig.
A.S. am Permanenter Link
Die Bildung ist durch die ungeregelte Zuwanderung und die Coronapolitik der Regierung Merkel gewaltig unter Druck geraten. Deswegen ist Verweis auf die Bildungshoheit der Länder hier nicht angebracht.
Michael Fischer am Permanenter Link
Mit "Demokratiezerstörung" hat das alles aber bestenfalls marginal zu tun.
Andernfalls wäre das Verfassungsgericht längst eingeschritten.
Merkel war m.E. als Kanzlerin eine Fehlbesetzung und hätte besser Außenministerin werden sollen, aber die Erosion der Demokratien, wenn man die denn sehen will, haben wohl doch eher globale und systemische Ursachen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ Zweiflerin: zerstört vielleicht nicht, aber es auch in den 16 Jahren ihrer Kanzlerschaft nicht
für nötig erachtet, dem GG Geltung zu verschaffen und die Trennung von Staat und Kirche
Ich fürchte aber auch, dass es die Ampel-Regierung auch nicht auf die Reihe bringt und so
werden wir weiterhin die Melkkühe der Kirchen bleiben.
Es ist mir bis heute ein Rätsel, weshalb die Regierungen, welche wir gewählt haben, noch immer derartig Kirchenhörig sind.
Was muss noch alles passieren oder an die Öffentlichkeit kommen, um endlich der Verfassung
Rechnung zu tragen.
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Udo Endruscheit, Zitat: "... Inder stammten "nicht von Affen ab", sondern von hinduistischen "RISHIS" ..." Wir doch auch!
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Ach ja ... jetzt muss ich nur noch rauskriegen, ob Minister Satyapal Singh Steiner kannte ...
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Udo Endruscheit Vielleicht ist Satyapal Singh eine Reinkarnation von Rudolf Steiner? Oh, halt! vielleicht doch eher Winfried Kretschmann ...: https://hpd.de/artikel/grussworte-politikern-den-anthroposophen-17070
Rene Goeckel am Permanenter Link
Es ist so traurig. Wenn ich das lese, möchte ich nicht mal mehr vom Menschen abstammen.
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Rene Goeckel, Zitat: "Wenn ich das lese, möchte ich nicht mal mehr vom Menschen abstammen." Volltreffer!
David Z am Permanenter Link
Bei aller berechtigten Kritik an den nationalistischen Strömungen in Indien möchte ich zwei Gedanken anmerken.
1. Evolutionstheorie
Ja, ein Angriff auf die Evolutionstheorie und damit die Naturwissenschaften und faktische Sachlichkeit ist höchst kritikwürdig. Allerdings wundere ich mich immer wieder, warum wir allen ernstes glauben, solche Handlungen in anderen Ländern auf Basis von Rationalität kritisieren zu können, wenn wir gleichzeitig in unserem eigenen Land in staatlichen Organisationen, Universitäten, Schulen oder sogar KITAs Ideen dulden, die ähnliche Wissenschaftsfeindlichkeit zum Ausdruck bringen, wenn sie zB behaupten, es gäbe mehr also zwei Geschlechter oder das Geschlecht könne man ändern oder morgen gehe die Welt unter.
2. Ausbreitung des Islam
"...durch ein "alternatives" Narrativ dahin umgedeutet, dass diese Ära eine der schlimmsten Hindu-Verfolgung gewesen sei und damit der nationalistischen Agenda dienstbar gemacht."
Aber die islamische Ausbreitung nach Indien und die folgenden muslimischen Herrschaften waren doch tatsächlich mit die übelsten, die der Islam vorgebracht hat. Da ist sich die Geschichtswissenschaft nach meinem Kenntnisstand ziemlich einig und verweist nicht zuletzt auf die religiös begründeten Unterscheidung im Islam: Buchreligion vs Polytheismus. Dass sich das Verhältnis im 17./18. Jhd tendenziell verbessert hat, mag durchaus sein, ändert aber nichts an den äußerst unschönen Anfängen. Diese historischen Erkenntnisse zu verschweigen ist genau so unredlich, wie sie zeitlich und im Ausmaß zu übertreiben.
Reinhard Plier am Permanenter Link
Danke! Das dachte ich auch, als ich das las. Sehr unredlich, in diesem Kontext ausgerechnet Muslime in Schutz zu nehmen.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Die Kritikwürdigkeit von Irrationalitäten in Gesellschaft und Politik hierzulande ist doch nun wirklich tägliches Thema hier beim hpd (siehe auch meine anderen Beiträge hier) Von daher gibt es sicher keinen Grund, den
Nicht zuletzt habe ich den Beitrag auch mit Blick darauf verfasst, dass die deutsche Bundesregierung derzeit sehr um Indien bemüht ist - und dabei solche Entwicklungen, die durchaus eine "chinesische" Richtung zu nehmen scheinen, mit keinem Wort erwähnt.
Dass in der Tat die Muslimherrschaft in Indien eine durchaus elitäre war und Hindus darunter zu leiden hatten, ist unbestritten. Aber wie ich ja schrieb, geht es darum, dass diese Periode bzw. deren überzogene Darstellung in den Schulbüchern gezielt für Indoktrination zugunsten die nationalistische Agenda nutzbar gemacht wird. Schwerer mag vielleicht sogar das Verschwinden des Sultanats von Delhi aus dem Schulunterricht wiegen - ein praktisch vollständiges Verschweigen.
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Udo Endruscheit "»Wir können als Wertepartner enger zueinander wachsen und tun das bereits«, sagte Baerbock auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem indischen Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar."
Quelle für das Baerbock-Zitat: https://www.handelsblatt.com/politik/international/deutsche-aussenministerin-in-neu-delhi-baerbock-lobt-indien-als-wertepartner-obwohl-das-land-enorme-mengen-an-russischem-rohoel-importiert/28848808.html
David Z am Permanenter Link
Sicher sind diese Irrationalitäten oft ein Thema. Nur eben selten aus dem gleichen Munde. Darauf wollte ich hinweisen. Das hat mit "Relativierung" oder whataboutism nichts zu tun.
Der Punkt, an den ich mich vielmehr erinnert fühle (im allgemeinen dt. Gesellschaftskontext, nicht ihr Artikel im speziellen) und den ich auszudrücken versuchte, ist die groteske Situation, wenn die eine Religion die andere wegen ihrer Irrationalität kritisiert, ohne zu realisieren, dass die exakt selbe Kritik selbstverständlich auch für sie selbst gilt.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Religionen sind heute vielfach zu gesellschaftlichen Krebsgeschwüren entartet. Ein geradezu entlarvendes Beispiel bietet – neben dem heutigen Iran – schon immer, aber derzeit besonders die Altstadt von Jerusalem.
Es muss hier nicht wiederholt werden, was uns die täglichen Nachrichten in Rundfunk und Fernsehen an Berichten bieten. Eine Religion schlägt auf die andere ein, denn jede ist von der absoluten und alleinigen Wahrheit der eigenen Lehre überzeugt und beansprucht demgemäß die heiligen Stätten je für sich. Mir zeigt die Art und Weise, wie diese Religionen praktiziert werden, dass sie dort inzwischen geradezu zu gesellschaftlichen Krebsgeschwüren entartet sind. Dass im Hintergrund fundamentalistisch denkende Regierungen und weitere ebenso dogmatisch orientierte Gruppierungen lauern und die Anhänger ihrer jeweiligen Glaubenslehre wiederum in ihrem Sinne instrumentalisieren, ist natürlich nicht neu und Udo Endruscheit beschreibt in seinem Beitrag ein ebenso erschütterndes Beispiel.
Entartete Religionen zu bekämpfen, ist ebenso schwer und in vielen Fällen ebenso vergeblich wie bei Menschen der Krebs. Erst mit dem Tod eines Menschen erlischt oft genug erst das unheilvolle Wirken diese Geißel der Menschheit. Religionen, verkörpert durch ihre Anhänger, wie sie derzeit zum Beispiel in Jerusalem aufeinanderprallen, zeigen in ihrem Verhalten zueinander, dass ihre Lehren inzwischen nicht mehr sind als nur noch mörderische Waffen im Kampf gegeneinander. Ähnlich wie so mancher Krebs bei Menschen sein zerstörerisches Werk erst beendet, wenn es diesen Menschen nicht mehr gibt, so muss man wohl annehmen, dass diese entartete Form praktizierter Religion erst mit dem Ableben der sie exekutierenden Menschen sein gebührendes Ende findet.
Mag sein, dass Christen inzwischen etwas zurückhaltender geworden sind. In früheren Jahrhunderten kannte etwa im Zuge der Kreuzzüge ihre Verachtung anderer Religionen und ihre Zerstörungswut keine Grenzen. Die Zahl der menschlichen Opfer ging jeweils in die Abertausende. Die behaupteten Götter der beteiligten Religionen schauten offenbar nur interessiert von oben herab zu. Die Wirkung ihrer angeblichen Barmherzigkeit und Friedensliebe, wie sie in ihren religiösen Texten niedergelegt sind, war jedenfalls nicht zu erkennen. Achtung gebührt halt stets nur dem Anhänger des eigenen Glaubens.
Gegen eine privat gelebte Religion, die sich auf die spirituelle Komponente beschränkt, ist nichts einzuwenden. Aus Gründen des sozialen Friedens kennt unsere Gesellschaftsform dafür das Grundrecht der Religionsfreiheit.