Ein Friseur in Hannover gibt Frauen, die ein Kopftuch tragen, Rabatt. Wer säkular ist, zahlt mehr. Ist das Diskriminierung?
Die drei Salons von Celal Kilic in Hannover bieten den Kunden und Kundinnen umfangreiche Dienstleistungen rund um das Haar und die Schönheit: Neben Waschen, Schneiden, Föhnen werden Intimhaarentfernung und eine Keratin-Botox-Maske angeboten. Die Preise beginnen bei 15 Euro für einen Maschinenhaarschnitt für Herren, und die Pediküre gibt es ab 35 Euro.
Salons wie den von Kilic gibt es an jeder Ecke; sie überzeugen längst auch Kunden ohne Migrationshintergrund mit Qualität zu günstigen Preisen. Und ein ganz besonderer Preis sorgte dafür, dass "Istanbul Frisur" kurzfristig zum bekanntesten Haarstudio der niedersächsischen Hauptstadt wurde: In den Salons gibt es mittwochs einen Rabatt von üppigen 40 Prozent "auf alles", allerdings unter einer Bedingung: Die Frauen, die ihn in Anspruch nehmen wollen, müssen Kopftuchträgerinnen sein. Der Bild sagte Kilic: "Es gibt wenig geschützte Angebote für Frauen mit Kopftuch." Eine Mitarbeiterin berichtete: "Viele Kundinnen mit Kopftuch erzählen uns, dass sie sich in den letzten Jahren die Haare selbst geschnitten oder gefärbt haben."
Bei der Antidiskriminierungsstelle Hannovers betont man auf Anfrage des hpd: "Unsere Stadt lebt von ihrer Vielfalt. Dazu gehören selbstverständlich auch Frauen, die ein Kopftuch tragen." Eine Frau ohne Kopftuch fühlte sich allerdings von der Aktion benachteiligt und wandte sich an eben jene Antidiskriminierungsstelle: "Muslimische Frauen erfahren in Deutschland aus verschiedenen Perspektiven Benachteiligung. Dennoch ist die Irritation der Anfragestellerin nachvollziehbar, dass sie sich als Frau, die kein Kopftuch trägt, anders behandelt fühlt als kopftuchtragende Frauen."
Man setze sich dafür ein, dass alle Menschen die gleichen Chancen hätten und denselben Respekt erfahren. "Dazu müssen bestehende Hürden abgebaut werden, Kundenwerbungen wie diese sind dazu aus unserer Sicht aber nicht geeignet. Unser Ziel ist eine Stadtgesellschaft, in der Unterschiede nicht trennen, sondern bereichern." Aktiv werden will man jedoch nicht, handele es sich in diesem Fall um eine privatrechtliche Angelegenheit, und man wolle als Landeshauptstadt rechtlich nicht bewerten.
Auch Rainer Ponitka vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) sieht in dem Verhalten des Friseurs zunächst keinen Skandal: "Ein Friseursalon ist nicht zur Einhaltung der religiösen Neutralität verpflichtet, somit darf der Friseur in seinen Räumlichkeiten tun, was er will, solange er kein höheres Recht verletzt." Er könne seine Öffnungszeiten frei bestimmen und verfügen, muslimische Kundinnen mit Kopftuch zu bestimmten Zeiten in bestimmten Räumen von Frauen frisieren zu lassen. "Hier ist nach meiner Auffassung keinesfalls von einer Diskriminierung von Frauen ohne Kopftuch zu sprechen; diese können sich auch frei entscheiden, einen anderen Salon aufzusuchen."
Den Konflikt sieht Ponitka woanders: "Wenn man davon ausgeht, dass das Tragen des Kopftuchs für Muslimas die Ausübung einer religiösen Pflicht ist und diese sich tatsächlich nur von Frauen frisieren lassen wollen, da sie einem 'fremden' Mann gegenüber das Kopftuch nicht ablegen dürfen, so ist das für aufgeklärte Westeuropäer sehr schwer nachzuvollziehen. Da der Friseur den kopftuchtragenden Frauen Rabatte gewährt, scheint er hier die Ausübung der religiösen Pflicht fördern zu wollen." Aber auch das müsse man hinnehmen, und es handele sich nicht um Diskriminierung.
Es gibt jedoch noch einen weiteren Aspekt, der mit der Frage nach der Diskriminierung noch nicht behandelt wurde: Auch wenn ein solches Angebot rechtlich zulässig ist, stellt es doch einen weiteren Baustein in der Normalisierung von Geschlechterapartheid in Deutschland dar. Aus dem Gedanken der Erfordernis von Schutzräumen erwächst eine Selbstverständlichkeit, bei allen möglichen Gelegenheiten geschlechtergetrennte Angebote zu machen und damit eine Norm einer islamischen Gesellschaftsordnung ein Stück weit zu etablieren.







17 Kommentare
Kommentare
PJ am Permanenter Link
Vor einigen Monaten hat der Neonazi Sven Liebich seinen Geschlechtseintrag und seinen Vornamen (nun Marla Svenja Liebich) abgeändert.
Steht Marla Liebich damit ein 40% Rabatt zu, wenn die gute Dame mit einem Kopftuch in diesen Friseursalon geht?
PJ am Permanenter Link
Diese Entwicklung ist eine einzige Farce und verunsichert mich. Ich bin verunsichert, dass diese Geschäftspraktiken nicht einkassiert werden.
Mich verunsichert, dass diese Form der positiven Diskriminierung und Unterscheidung in fromme Muslimas (die sich Allahs Regeln unterwerfen) und in die Anderen tatsächlich legal sein soll.
Mich verunsichert, dass diese Nachricht nicht in der breiten Öffentlichkeit diskutiert und einfach stillschweigend hingenommen wird.
Und mich verunsichert der ausbleibende Aufschrei und Boykott.
Es ist kein Whataboutism, wenn ich annehme... eine Besserstellung von Atheisten in der Autowerkstatt würde deutlich anders behandelt und diskutiert werden.
SG aus E am Permanenter Link
"Wenn man davon ausgeht, dass das Tragen eines Kopftuchs [...], so ist das für aufgeklärte Westeuropäer sehr schwer nachzuvollziehen."
"[...] und damit eine Norm einer islamischen Gesellschaftsordnung ein Stück weit zu etablieren."
Ich denke, an kopftuchtragende Frauen sollten die ach so aufgeklärten Europäer sich inzwischen gewöhnt haben. Und, dass Migration zu Veränderung führt, sollte ebenso klar geworden sein. Wie Normen sich in einer Migrationsgesellschaft ändern, ist - finde ich - ein sehr interessantes Thema, und ich beobachte diese Veränderungen mit großem Interesse. An der Uni Frankfurt gibt es ein Institut dazu: Normative Orders heißt es.
malte am Permanenter Link
Das Kopftuch steht symbolisch für die Unterscheidung von "ehrenhaften" Frauen und solchen "ohne Ehre".
Dorothe Weiss am Permanenter Link
und ich gewöhne mich niemals an die pseudo-liberalen Kommentare von malte, dem kein (Kopftuch-) Klischee zu abgenutzt ist, Hauptsache, es geht gegen Muslimas
malte am Permanenter Link
Wie kommen Sie darauf, mein Kommentar richte sich gegen Musliminnen? Ich bin gegen religiös begründeten Sexismus. Mit den Frauen, die darunter leiden, bin ich solidarisch.
Dorothe Weiss am Permanenter Link
merkwürdige Form von "Solidarität", merkwürdiges Selbstverständnis von malte
Roland Fakler am Permanenter Link
SG aus E sollte mal zur Kenntnis nehmen, dass der Islam in seinen Fundamenten eine demokratie-, frauen- und menschenrechtsfeindliche Ideologie ist.
Roland Fakler am Permanenter Link
Und was wäre dagegen einzuwenden, wenn einen Bäcker Frauen ohne Kopftuch an einem bestimmten Tag Rabatt gewähren würde, um die Säkularität zu fördern?
Seb am Permanenter Link
Wie sehr dieser Sachverhalt doch die Doppelstandards in unserem Land aufzeigt könnte man allein daran sehen, was medial los wäre, würde man Kopftuchträgerinnen durch Christinnen oder gar dadurch "weiße alte Männe
Solange das allg. Gleichstellungsgesetz in Deutschland explizite Ungleichbehandlung (resp. Diskriminierung) im Ausgleich (vermeintlicher, nicht näher definierter und immer herleitbarer) bestehender Nachteile explizit zulässt, solange werden wir nie wirkliche Gleichbehandlung erfahren. Das würde dann ja dem Opfergruppenkult in Deutschland zu wieder laufen, das ist ja nicht gewollt.
Als Referenz, §5 AGG:
Ungeachtet der in den §§ 8 bis 10 sowie in § 20 benannten Gründe ist eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.
Ich persönlich sehe hier übrigens auch keine Diskriminierung, das sollte jedem Geschäft frei überlassen sein, ist es aber nicht (siehe oben). Problematisch sehe ich das aber trotzdem, denn es ist ja ein klarer Anreiz (zumindest an einem bestimmten Tag) dafür Kopftuch zu tragen und damit klar missionarisch.
Helena P. am Permanenter Link
Bei der Antidiskriminierungsstelle Hannovers betont man auf Anfrage des hpd: "Unsere Stadt lebt von ihrer Vielfalt. Dazu gehören selbstverständlich auch Frauen, die ein Kopftuch tragen."
Und es werden öffentlich Frauen preislich durch ein Unternehmen diskriminiert, die KEIN Kopftuch tragen. Das sollte man sich einmal umgekehrt vorstellen - ein Frisör oder Kosmetiker diskriminiert Muslimas per Preisunterschieden bei seiner Dienstleistung - und macht diese für Muslimas wurschtig deutlich teurer.
Ja, verehrte Antidiskriminierungsstelle, mein Land lebt vom Grundgesetz, d.h. u.a. dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Antdikriminierungsgrundsatz. So wollten es zumindest einmal die Gründerväter der bundesdeutschen Verfassung. Und nun werden hier in aller Offenheit gleich beide Verfassungsgrundsätze über Bord geworfen - und dem politischen Islam ein weiteres Türchen geöffnet. Ich würde mir ein promptes Disziplinarverfahren gegen die/den verantwortliche/n Mitareiter/in wünschen.
M.S. am Permanenter Link
Man stelle sich vor, es wäre andersrum: Frauen OHNE Kopftuch würden einen Rabatt von 40% bekommen. Sähe die rechtliche Bewertung da auch so aus?
Das ist das, was mir dabei Bauchschmerzen macht. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass es andersrum einen öffentlichen Aufschrei gäbe.
Mit einem geschützten Raum hat ein Rabatt ja auch rein gar nichts zu tun. Im Artikel steht noch nichtmal etwas davon, dass an diesen Aktionstagen Männer keinen Zutritt haben, seien es Kunden oder Mitarbeiter.
Rüdiger Kramer am Permanenter Link
Das ist eine Form von Anerkennung der religiöser Unterdrückung. Laut Papier sind wir ein säkularer Staat, da dürfte sowas nicht geduldet werden.
F.G. am Permanenter Link
Die Frisuerbrache ist da traditionell etwas komisch - der Preis wird nicht vom Aufwand bestimmt, sondern vom Geschlecht des Kunden/der Kundin.
XYZ am Permanenter Link
Wenn sich nicht einmal Vertreter einer atheistischen Organisation dazu durchringen können, diese glasklare Diskriminierung nichtmuslimischer Frauen zu verurteilen, läuft etwas gewaltig schief.
Juristisch mag der Friseur im Recht sein. Aber: es hat auch sehr lange gebraucht, daß die gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Migrationshintergrund etcpp bekämpfen zu können. Es war die Arbeit von unermüdlichen AktivistInnen davor, die erst zu Anti-Diskriminierungsgesetzen geführt hat. Hier scheint sich aber niemand zuständig zu fühlen. Von dem weitgehend kaltgestellten, irrelevanten Mainstreamfeminismus erwarte ich nichts anderes, aber ich hatte wenigstens gehofft, daß atheistische Organisationen und AkteurInnen der Zivilgesellschaft Rückgrat zeigen und diese unverschämte Bevorzugung religiöser Frauen verurteilen.
Thomas Baader am Permanenter Link
"diese glasklare Diskriminierung nichtmuslimischer Frauen"
Es ist ja noch nicht einmal nur das.
Urs Kuba am Permanenter Link
Vorab:
Jedwede autoritäre und intolerante GottesanbeterInnen und noch mehr deren Leitfiguren sind mir ein Gräuel; es steht außer Frage, dass die Welt ohne sie extrem viel friedlicher und lebenswerter wäre.
Zitat: „In den Salons gibt es mittwochs einen Rabatt von üppigen 40 Prozent "auf alles", allerdings unter einer Bedingung: Die Frauen, die ihn in Anspruch nehmen wollen, müssen Kopftuchträgerinnen sein."
Zur besseren Einordnung:
1. Jede(r) GastronomIn hat bekanntlich das Recht, jeden beliebigen Kunden ohne Angabe von Gründen aus seinem Etablissement herauszuwerfen oder gutaussehenden Frauen Freigetränke zu spendieren; jeder Verkäufer hat bekanntlich das Recht, jeden beliebigen Kunden ohne Angabe von Gründen vom Kauf der von ihm angebotenen Waren auszuschließen – ich wüsste nicht, warum sowas bei anderen privat geführten Dienstleistungsgeschäften anders geregelt sein sollte.
2. An lediglich einem von mindestens fünf Tagen der Woche (heutzutage haben viele Friseurgeschäfte sogar an sechs Tagen geöffnet) bietet der Friseur seinen Rabatt an.
Diejenigen, die sich hier aus relativ nichtigem Anlass über den Friseur echauffieren (und es z.T. nicht lassen können, die kopftuchtragenden Frauen ohne jeden Beweis als unterdrückte Frauen zu diffamieren) sollten sich lieber mit dem sehr viel größeren Problem der sogenannten „Amtskirchen“ in der BRD beschäftigen: z.B. mit der durch sie ausgeübten Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, mit der ihnen gewährten milliardenschweren direkten und indirekten Subventionierung auf Kosten ALLER Steuerzahler, mit ihrem unmäßig großen Einfluss auf die Gesetzgebung, mit der regelmäßig zu ihren Gunsten erfolgenden Strafvereitelung im Falle von Straftaten ihrer „Würdenträger“ oder Unternehmen, usw. usf. - ganz zu schweigen von der Hetze, die von dieser Klientel auf allen Kanälen betrieben wird ...