Der Politkünstler Wolfram Kastner und der Psychologe Colin Goldner haben sich in einem "Offenen Brief" an die Verwaltung und das Abgeordnetenhaus der Stadt Berlin gewandt, in dem sie fordern, eine seit Mitte der 1950er nach einem ausgewiesenen Nationalsozialisten und Rassisten benannte öffentliche Grundschule umgehend umzubenennen.
Ort des Anstoßes ist die Ludwig-Heck-Grundschule, Königstraße 32, in Berlin-Mariendorf.
Als posthumer Namensgeber der Schule firmiert bis heute Prof. Dr. Ludwig Heck (1860-1951), der jahrzehntelang als Direktor den Berliner Zoo geleitet hatte, woraus ihm große Popularität in der Berliner Bevölkerung erwachsen war. (1931 übergab er den Zoo an seinen Sohn Lutz; auch sein zweiter Sohn, Heinz, trat in die Fußstapfen des Vaters: er war ab 1927 Direktor des Münchner Tierparks Hellabrunn.)
Ludwig Heck war, ebenso wie seine Söhne, überzeugter Nazi, was aus seinen zahlreichen Veröffentlichungen zweifelsfrei hervorgeht. In seiner 1936 vorgelegten Autobiographie etwa rühmte er sich, schon Nationalsozialist gewesen zu sein, "lange bevor man das Wort überhaupt erfunden" habe. An gleicher Stelle ließ er sich über die Segnungen des "Dritten Reiches" aus: "Und dieselbe Gleichmacherei war es auch, die mich in unserem 'Zweiten Reich' so unsagbar bedrückt hat, weil diese Bevorzugung, ja geradezu Verhätschelung des Geringwertigen, Minderwertigen, sogar Gemeinschädlichen zugunsten der Vollwertigen, Überwertigen, der leistungsfähigen Qualitätsmenschen in absehbarer Zeit mit tödlicher Sicherheit zum Untergang unseres Volkes hätte führen müssen." Anderweitig pries er die Blut-und-Boden-Propaganda als eine der "besten Errungenschaften unseres Nationalsozialismus".
Als zoologischer Rassenkundler war Ludwig Heck maßgeblich an der Entwicklung der nationalsozialistischen Rassenlehre und des sogenannten Sozialdarwinismus des NS-Staates beteiligt. Er beteiligte sich überdies (wie auch seine Söhne) an der "Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe", einer 1935 von "Reichsführer SS" Heinrich Himmler geschaffenen Einrichtung, die dazu diente, die NS-Rassenideologie des "arischen Herrenmenschen" wissenschaftlich zu untermauern und die ethnische und kulturelle Verfolgung anderer "Rassen" pseudowissenschaftlich zu legitimieren.
Anlässlich seines 80. Geburtstages im Jahre 1940 wurde Ludwig Heck von Hitler höchstpersönlich mit der "Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft", der höchsten "Kulturauszeichnung" des NS-Staates, geehrt.
Unter der Ägide Ludwig Hecks als Zoodirektor fanden zahlreiche kulturchauvinistische und teils offen rassistische "Völkerschauen" im Zoo Berlin statt: die zur Schau gestellten "Wilden", darunter Menschen aus Südafrika/Transvaal (1897), Samoa (1900) oder sogenannte "Tellerlippennegerinnen" aus der Region des heutigen Tschad (1931), bezog Heck in erster Linie über den Hamburger Tierhändler Hagenbeck.
Selbst der "Verband der Zoologischen Gärten" (VdZ) (vormals: "Verband Deutscher Zoodirektoren - VDZ), ein Zusammenschluss (vorgeblich) wissenschaftlich geführter Zoos, distanziert sich – gleichwohl erkennbar nicht an konsequenter Aufarbeitung der Geschichte des deutschen Zoowesens zwischen 1933 und 1945 interessiert – von der Zoodirektorendynastie Heck. Auf der Website des VdZ steht zu lesen, es dürfe bei der Würdigung der Hecks als bedeutende Tiergärtner "nicht verschwiegen werden, dass ihre Beziehung zu Ideologie und Führerschaft des Dritten Reiches eine Form hatte, die weit hinausging über Mitläuferschaft und bloßes deutschnationales Denken (…). Vielmehr stellten sich Vater und Söhne aktiv in den Dienst der nationalsozialistischen Ideologie, die Söhne - oder zumindest Lutz - als Mitglieder der NSDAP und Fördermitglieder der SS. (...) Zudem unterhielt die Familie Heck freundschaftliche Beziehungen zu Personen der obersten Führungsetage des Dritten Reiches."
Auch in der Dokumentation, die der Berliner Zoo zu seiner Nazi-Vergangenheit auf dem Zoogelände eingerichtet hat – 70 Jahre nach Kriegsende und keineswegs aus eigenem Antrieb – , wird die enge Verbindung Ludwig Hecks mit dem Nazi-Regime zur Sprache gebracht (was den Zoo indes nicht davon abhält, bis heute und völlig unkommentiert eine Ehrenbüste Ludwig Hecks auf dem Zoogelände zu präsentieren.)
In der Ludwig-Heck-Grundschule hängt im Eingang eine bronzene Ehrentafel für den Namensgeber.
Kastner und Goldner halten es für skandalös und völlig inakzeptabel, dass eine öffentliche Grundschule bis heute unbeanstandet nach einem ausgewiesenen Rassisten und Nationalsozialisten benannt ist.
Sie fordern, dass die Schule umgehend umbenannt wird. Sie schlagen insofern eine Umbenennung in "Sara-Kaba-Grundschule" vor, in ehrendem Gedenken an die Menschengruppe aus dem heutigen Tschad, die im Zoo Berlin im Rahmen einer "Völkerschau" im Jahre 1931 in menschenverachtend-rassistischem und entwürdigendem Kontext zur Schau gestellt wurde.
Die Ehrentafel im Eingang der Schule muß mit einem Hinweis versehen werden, dass Ludwig Heck als ausgewiesener Rassist und Nationalsozialist nicht länger Namenspatron der Schule sein kann.
4 Kommentare
Kommentare
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Gegen eine Umbenennung wäre nichts einzuwenden. Der vorgeschlagene Name "Sara-Kaba-Grundschule" gefällt mir überaus gut.
Mich wundert allerdings, dass im Artikel als Beleg für die nationalsozialistische Gesinnung gerade folgendes Zitat ausgewählt worden ist:
"Und dieselbe Gleichmacherei war es auch, die mich in unserem 'Zweiten Reich' so unsagbar bedrückt hat, weil diese Bevorzugung, ja geradezu Verhätschelung des Geringwertigen, Minderwertigen, sogar Gemeinschädlichen zugunsten der Vollwertigen, Überwertigen, der leistungsfähigen Qualitätsmenschen in absehbarer Zeit mit tödlicher Sicherheit zum Untergang unseres Volkes hätte führen müssen."
Zum Vergleich hier ein ähnliches Zitat eines Arztes, nach dem in Wien ein Platz benannt ist:
"Welchen Aufwand übrigens die Staaten für völlig lebensunwertes Leben leisten müssen, ist zum Beispiel daraus zu ersehen, daß die 30.000 Vollidioten Deutschlands diesem Staat zwei Milliarden Friedensmark kosten. Bei der Kenntnis solcher Zahlen gewinnt das Problem der Vernichtung lebensunwerten Lebens an Aktualität und Bedeutung. Gewiß, es sind ethische, es sind humanitäre oder fälschlich humanitäre Gründe, welche dagegen sprechen, aber schließlich und endlich wird auch die Idee, daß man lebensunwertes Leben opfern müsse, um lebenswertes zu erhalten, immer mehr und mehr ins Volksbewußtsein dringen."
Hier handelt es sich aber nicht um einen Nationalsozialisten, sondern um den Sozialdemokraten Julius Tandler. Die Professor-Dr.-Julius-Tandler-Medaille wird von der Stadt Wien nach wie vor verliehen.
Also: Gegen das Minderwertige oder Gemeinschädliche zu hetzen macht noch keinen Nationalsozialisten. Hier hätte es gewiss geeignetere belegende Zitate gegeben.
Aber das vorliegende Zitat reicht sicher, um die Benennung einer Schule nach Ludwig Heck zu kritisieren.
Herbert Kramm-A... am Permanenter Link
dank an Kastner und Goldin für diese wichtige recherche. es gibt leider noch immer reste dieser menschenverachtenden rassistischen zeit.
Kay Krause am Permanenter Link
Da kann man doch nur die Frage stellen: wieviele Jahre wird es denn noch dauern, bis wir mit diesem menschenverachtendensogenannten dritten Reich endlich aufgeräumt haben?
Manfred Lohnbauer am Permanenter Link
Wenn die Verdienste Ludwig Hecks, die in diesem Artikel nicht erwähnt werden, grösser als seine Irrtümer sind, sollte der Name der Schule nicht geändert werden.