Die kleinen Themen
Die weiteren Tages-Vorträge wurden von den Fachbereichen organisiert und gruppiert. Diese sind: Physiologie, Ökologie, Morphologie, Neuro-, Evolutions-, Verhaltens- und Entwicklungsbiologie.
In 15 Minuten-Referaten konnten die Vortragenden ihre abgeschlossenen oder aktuellen Projekte vorstellen und sich das nötige Feedback einholen. Oft liefen vier Vorträge parallel, so dass niemand alles hören konnte. Besonders beliebter Modellorganismus (der Verhaltensbiologie) dieses Jahr waren der elektrische Fisch und die Fledermaus mit ihren spannenden Orientierungs- und Kommunikationssystemen. Ähnlich der Echoortung (Biosonar) orientieren sich die Fische mit ihren Magnetfeldern und ohne den kleinen Knorpel am Ohr (Tragus) können Fledermäuse ihre Flughöhe nicht richtig einschätzen.
Orientierung ist überhaupt ein spannendes Thema für Zoologen. Wahrscheinlich, weil sich kaum ein Großstädter ohne sein Smartphone noch zurechtfinden würde. Das Ehepaar Wilschko erforscht den Orientierungssinn von Zugvögeln bereits seit den 60er Jahren. Ihre Doktorandin stellte auf der Tagung ihre Forschung zu dem interessanten Molekül Cryptochrom vor, das bei kurzwelligem Licht aktiviert wird und so die unseren Planeten umspannenden Feldlinien wahrnehmen kann.
In einem anderen spannenden Vortrag ging es um den afrikanischen Dungkäfer (es gibt 30.000 Dungkäferarten weltweit!!), der sich anhand von polarisiertem Licht orientieren kann und eine ziemlich ungewöhnliche (an Schwimmen erinnernde) Gangart zeigt.
Ameisen können bei ihrer Suche nach Futter kreuz und quer durch die Wüste laufen und anschließend auf direktem Weg wieder zurück krabbeln, die Forscher nennen das „path integration“. Um dieses Verhalten zu erklären, manipulieren Zoologen die Beine der Insekten, indem sie sie mit Stelzen verlängern oder mit Scheren verkürzen oder beobachten, ob huckepack genommene Ameisen den Weg nach Hause allein finden können. Optic flow nennen die Wissenschaftler den Fluss an visuell wahrnehmbaren Partikeln, die an der Netzhaut passieren und in Verrechnung mit der Geschwindigkeit Rückschlüsse auf die Weglänge zulassen.
Auch beliebt unter Verhaltensforschern sind nach wie vor Singvögel. Der unheimlich komplexe Gesang der Nachtigall zum Beispiel gibt der Berliner Forscherin Prof. Silke Kipper viele Rätsel auf. Sie und ihr Team haben herausgefunden, dass sich die Weibchen für bestimmte Gesangselemente der Männchen, sogenannte buzzes interessieren, weil diese ehrliche Informationen über die Fitness des Sängers transportieren.
Der Evolution der akustischen Kommunikation widmet auch der amerikanische Prof. Andrew Bass seine Arbeit. Auch er interessiert sich für unsere Fisch-ähnlichen Vorfahren: In seiner Schlüsselvorlesung trägt er Argumente zusammen, dass bereits diese neuronale Verschaltungen hatten, die die die Produktion von akustischen Signalen möglich machten. Dazu braucht es nicht unbedingt eine Stimme. Fische produzieren Töne indem sie mit den Brustflossen an den Körper klatschen. Prof. Bass argumentierte, dass die neuronale Verschaltung für dieses Verhalten gemeinsame Wurzeln mit dem der Stimmbildung hat.
Sehr possierlich waren auch die Zeitlupenaufnahmen von tanzenden Zebrafinken des jungen Berliner Verhaltensbiologen Robert Ullrich, die einen mit dem Gesang koordinierten Balztanz aufführen. Die galoppierenden Dungkäfer hingegen wirkten in Zeitlupe unglaublich schwerfällig und plump. Der lustigste Vortrag handelte übrigens von schwulen Gliedertieren: Dr. Inon Scharf aus Tel Aviv fasste die Studien zum Thema zusammen und überprüfte die möglichen Hypothesen um homosexuelles Verhalten bei Arthropoden zu erklären. Die meisten Argumente streicht auch die einfachste Erklärung ein: „Verirrung“. „Vertan, schrie der Hahn und stieg von der Ente“ zitierte der israelische Jungforscher ein deutsches Sprichwort. Eine Hypothese zur Gefühlswelt der Krabbeltiere wurde übrigens nicht mal in Erwähnung gezogen.

Begleitprogramm
Neben den wissenschaftlichen Vorträgen gab es auch Informationsveranstaltungen zur Planung der eigenen wissenschaftlichen Karriere, zu der Vertreter der deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) informierten. Zum festlichen Teil gehörte noch die Vergabe von drei Forscherpreisen, dem Jugend-forscht-Preis für Schüler, dem Doktorandenpreis und dem Nachwuchswissenschaftlerpreis. Begleitet wurde der Festakt von zwei jungen Musikern, die natürlich selber in Mathematik und Neurobiologie promovieren.
Am Rande der Mitgliederversammlung unter Sonstiges wurde es noch einmal hochschulpolitisch. Die Tierschutzvereine bemängeln schon lange, dass alle Studierenden im Biologie-Grundstudium den sogenannten „Schnippelkurs“ absolvieren müssen. Ein Kurs, in dem tote Ratten oder Muscheln seziert werden. Viele Studierende wissen schon von Anfang an, dass sie später die botanische Richtung einschlagen wollen oder kritisieren, dass Bachelor-Absolventen anderer Studiengänge ohne Sezierkurs auch zum Bio-Masterstudium zugelassen werden.
Etwas süffisant berichtete Prof. Dr. Jürgen Markl aus Mainz, dass sich gerade einmal neun Studenten für den neu konzipierten Alternativkurs interessiert hätten. Nach einer Informationsveranstaltung hätten aber auch diese bereitwillig am toten Tier seziert. Das Thema Tierethik ist für viele Zoologen ein „Nicht schon wieder“- Leidensthema. Für jeden Tierantrag müssen bürokratische Hürden genommen, die sich von Jahr zu Jahr ändern und strenger werden. Aber auch privat müssen sich Biologen ständig für ihre Arbeit rechtfertigen. Das macht einige taub und abgestumpft. Man wird eigenartigerweise gerade unter Forschern, die Gene für Muttergefühle und Gehirnzellen für Sozialverbände in Ratten und Fischen beschreiben immer belächelt, wenn man bemängelt, dass es kein vegetarisches Mittagsangebot oder keine „Schnippelkurs“-Alternative gibt. Zum gemeinsamen Abendessen im Brauereikeller musste man die vegetarischen Speisen tatsächlich mit der Lupe suchen, selbst im Krautsalat fanden sich Speckwürfel. Fleischesser fanden sich allerdings im Bayerischen Speisehimmel wieder.
Bleibt zu hoffen, dass der rege Austausch an den Postern, während der Kaffeepausen und abends bei bayerisch deftiger Kost und Gerstensaft genug Grundlage für neue spannende Zusammenarbeiten gelegt hat.
Nächstes Jahr wird die Jahresversammlung in Göttingen stattfinden. Da bleibt kaum noch Zeit, die nächsten Experimente zu planen, auszuwerten und auf bunte Poster und Powerpoint-Folien zu bringen. Der Vorrat an wissenschaftlichen Fragestellungen an das Leben der Tiere ist hingegen unerschöpflichen. Zum Glück.
Adriana Schatton
Titelbild: In den Kaffeepausen und Postersessions wird eifrig diskutiert
Abb. 1: Prof. Grothe hält einen Vortrag zur Geschichte der Zoologie in Bayern
Abb. 2: Geschlechterverhältnis der Vortragenden. Abgebildet ist die Redezeit in Minuten. Rot: Frauen, blau: Männer. Zahlen in den Säulen geben die Anzahl an Vortragenden wider. Das Kreisdiagramm zeigt das Verhältnis der Gesamtredezeit.
Abb. 3: …damit es jeder weiß, der die prächtige Aula betritt





