Erfolgsgeheimnis der kooperativen Intelligenz

(hpd) Der Evolutionsforscher Martin A. Nowak untersucht in seinem Buch die Bedeutung der Kooperation als bedeutendem Faktor im Entwicklungsprozess des Menschen bis in die Gegenwart. Das populärwissenschaftlich geschriebene Werk verknüpft dabei Erkenntnisse der Evolutionsforschung mit der Spieltheorie und kritisiert die Auffassungen von der Verwandtenselektion.

Der „Kampf ums Dasein“ prägt die Entwicklung von Mensch und Tier in der Natur, auf diese vereinfachte Formel bringt man nicht selten die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Die Auffassung wird aber schon der weitaus differenzierteren Lehre des Autors von „Über die Entstehung der Arten“ und „Die Abstammung des Menschen“ nicht gerecht. Eine genaue Lektüre dieser Schriften Darwins macht bereits deutlich, dass er sehr wohl auch der Kooperation eine hohe Bedeutung für den evolutionären Prozess zugeschrieben hat.

An diese Erkenntnis knüpft in den letzten Jahren eine Fülle von Naturwissenschaftlern unterschiedlichster fachlicher Ausrichtung an. Zu ihnen gehört auch der Österreicher Martin A. Nowak, der als Professor für Biologie und Mathematik in Harvard und als Direktor des dortigen Instituts für evolutionäre Dynamik arbeitet. Mit Unterstützung von Roger Highfield dem ehemaligen Chefredakteur von „New Scientist“, legte er nun auch in deutscher Sprache ein erstes populärwissenschaftliches Buch mit dem Titel „Kooperative Intelligenz“ vor.

Darin sieht er, so auch der Untertitel, „Das Erfolgsgeheimnis der Evolution“, denn: „ ... Konkurrenz erzählt nicht die ganze Geschichte der Biologie. Etwas Grundlegendes fehlt. Um zu überleben, betreiben die Geschöpfe jedweder Spezies und auf jeder Stufe der Komplexität auch Kooperation!“ (S. 11). Diese Erkenntnis ist in der Tat nicht neu, hatte doch bereits der russische Anarchist Peter Kropotkin in seinem gleichnamigen Buch von 1902 auf die „Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt“ verwiesen.

Nowak geht dieser Auffassung indessen aus einer ganz anderen Perspektive nach, nimmt er doch eine Verknüpfung der Erkenntnisse der Evolutionsforschung mit der Spieltheorie vor. Immerhin gilt die mathematische Erforschung der Gesetze der Evolution als sein Spezialgebiet. Im Ergebnis kommt der Autor dann zu der Einsicht: „Um die kreativen Aspekte der Evolution zu verstehen, müssen wir jetzt auch anerkennen, dass Kooperation ein drittes Prinzip in der Entwicklungsgeschichte des Lebendigen darstellt“ (S. 16).

Zur Erläuterung dieser Einschätzung wird zunächst an das Gefangenendilemma in der Spieltheorie erinnert, woraus sich der allgemeine wie gegenseitige Nutzen der Kooperation für alle Beteiligten ergibt. Dann arbeitet Nowak die fünf Mechanismen der Kooperation systematisch heraus: Wiederholung (direkte Reziprozität), Reputation (indirekte Reziprozität), räumliche Selektion, Multilevel-Selektion und Verwandtenselektion. „Mit diesen fünf Mechanismen der Kooperation sorgte die natürliche Auslese dafür, dass wir von einem Leben in Gesellschaft mehr profitieren als von einem einsamen Dasein, in dem wir egoistisch eigene Ziele verfolgen. Dank dieser Mechanismen kann aus dem im Wesentlichen auf Konkurrenz ausgerichteten Antrieb in vielen Situationen Kooperation erwachsen“ (S. 297).

Welche gesellschaftlichen und politischen Perspektiven aus dieser Einsicht ergeben könnten, erörtert der Autor danach anhand von Themen wie der Bedrohung durch die Klimakatastrophe, der Frage nach der richtigen Strafpolitik oder dem Umgang mit öffentlichen Gütern.

Nowack politisiert hier nicht in einem besonderen ideologischen Sinne, macht aber durchaus auf gesellschaftliche Konsequenzen seine Einsichten aufmerksam. Allgemein bewegt er sich mit der Hervorhebung der Kooperation als Gesichtspunkt der Evolution im Konsens mit der neueren Forschung und Publizistik. Seine besondere Perspektive, die in der Kombination evolutionstheoretischer, mathematischer und spieltheoretischer Gesichtspunkte besteht, hebt sein Buch von diesen Veröffentlichungen ab.

Ein besonderer Aspekt löste indessen heftige Kritik aus: Bei den Ausführungen zu den Mechanismen der Kooperation kritisierte Nowak die traditionelle Auffassung von der Verwandtenselektion, was zu einer Protesterklärung von über 100 Forschern in der Zeitschrift „Nature“ führte. In der deutschen Ausgabe seines Buchs geht der Autor nur kurz darauf ein: „In keinem Schreiben wiesen unsere Kritiker auf einen Fehler in unserem mathematischen Ansatz hin ...“ (S. 131). Dieser Aspekt berührt aber auch nicht die Kernaussagen von Nowaks Bild von der Kooperation.

Armin Pfahl-Traughber

Martin A. Nowak mit Roger Highfield, Kooperative Intelligenz. Das Erfolgsgeheimnis der Evolution. Aus dem Englischen von Enrico Heinemann, München 2013 (C. H. Beck-Verlag), 347 S.