Städtische Beschäftigungskriterien für Kirchen?

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Peter Pätzold, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN im Stuttgarter Gemeinderat

STUTTGART. (hpd): Der Stuttgarter Gemeinderat beschloss, die Verwaltung möge alle „freien Träger“ zu einem Gespräch über deren Einstellungs- und Beschäftigungskriterien einladen. Und zwar mit dem Ziel, dass die bei der Stadt üblichen Kriterien erfüllt werden. Das dürfte für die kirchlichen Einrichtungen und ihre diskriminierenden Arbeitsrechte unangenehm werden, zumal gleichzeitig „eine einfache und transparente Fördersystematik“ erarbeitet werden soll.

 

„Wir haben uns dem schwelenden Thema der umstrittenen Beschäftigungskriterien angenommen, um Transparenz darüber zu erhalten, was mit den von uns bewilligten Steuergeldern geschieht. Bei öffentlichen Aufgaben und Geldern sehen wir es als unsere Pflicht an, für gewisse Mindeststandards zu sorgen“, erläutert Peter Pätzold, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/die Grünen, gegenüber dem hpd.

Seine bekanntlich größte Fraktion in Stuttgart stellte den Antrag zusammen mit allen anderen vertretenen Parteien, d.h. (der Größe nach) mit den Fraktionen der CDU, SPD, Freien Wählern, FDP und SÖS/Die Linke. „In seltener Einigkeit“ stellte die Nachrichtenseite katholisch.de zurecht fest und setzte zur Verteidigung vermeintlich zustehender Rechte auf Diskriminierung an.
Pätzold weiter: „Wir können und möchten nicht in bestehendes Bundesrecht eingreifen und auch nicht die Arbeit der Kirchen angreifen.“ Weil man aber die Diskriminierungen nicht weiter hinnehmen möchte, sondern städtische Standards auch bei „Freien Trägern“ umgesetzt sehen möchte, sehe man sich als Geldgeber jedoch "zu Fragen berechtigt".

Gängige Praxis besprechen

Auslöser war die Forderung kirchlicher Kinder- und Jugendeinrichtungen, die Anpassungsweitergabe des öffentlichen Tarifs nicht jedesmal beantragen zu müssen, sondern automatisch zu erhalten. „Inwiefern tatsächlich nach Tarif bezahlt wird und wie schnell die Tarifanpassung weitergegeben wird, ist sicher eine spannende Frage“, findet Pätzold.

„Es geht nicht um Forderungen und Drohungen. Wir möchten uns mit den Einrichtungen an einen Tisch setzen, um über deren gängige Einstellungspraxis zu reden. Und zwar ergebnisoffen und von der Verwaltung möglichst unaufgeregt moderiert,“ skizziert Pätzold sein Anliegen. Ergebnisoffenheit stellte auch der Fraktionsvorsitzende der CDU in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung in den Vordergrund. Außerdem ginge es um das Ausräumen von Missverständnissen und könne man von den christlichen Arbeitgebern womöglich noch etwas lernen.

Das Blatt zitiert auch den evangelischen Kirchenpfleger zum („pikanten“!) Ausschluss muslimischer Bewerberinnen und Bewerber, der dann prompt antwortete, „Uns ist es wichtig, dass unsere Mitarbeiter einer christlichen Kirche angehören.“

Etwas lockerer scheint man das auf katholischer Seite zu sehen: Auf katholisch.de wird nämlich der Stuttgarter Stadtdekan zitiert, der sich eine muslimische Kindergärtnerin in einem katholischen Kindergarten vorstellen könne. Dass das aufgrund von Personalnot längst Praxis ist, wird nicht erwähnt, sondern als „multikultureller Anspruch“ bezeichnet. Auch die nicht vorhandenen Aufstiegschancen bleiben unerwähnt.

Rückzugsgefechte

Auf katholisch.de wird sogar eingeräumt, die Handhabung der arbeitsrechtlichen Sonderstellung könne „auch manchmal in die Irre leiten“. Weiter: „Beispiele für tatsächliche oder vermeintliche Diskriminierung lassen sich denn auch leicht finden: Verschlossene Türen für Partner gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften und Kündigungen nach dem zweiten Gang zum Standesamt wirken nicht gerade wie ein Ausweis christlicher Nächstenliebe und Toleranz. Dies gilt umso mehr, seitdem die anhaltende Diskussion über eine Wiederzulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion und der offene Umgang des Papstes mit dem Thema Homosexualität Gedankenspiele angeregt haben, die von kirchlichen Personalabteilungen allein wohl kaum wieder gestoppt werden können.“

Die Kirche stehe nicht nur wegen Limburger Vorfälle „unter Beobachtung“, sondern müsse „ihr Handeln gegenüber einer kritischer gewordenen Öffentlichkeit rechtfertigen, die ihr nicht mehr automatisch den Bonus guter Werke zubilligen wird.“ So findet laut katholisch.de auch der Stadtdekan, es stünde der Kirche aufgrund der nicht „unwesentlichen“ öffentlichen Finanzierung gut an, über die Arbeitsbedingungen „Auskunft zu geben“: Man könne sich nicht „auf eine bequeme Empfängermentalität beschränken“, sondern habe eine „informative Bringschuld.“

Dass man beim Thema Geld empfindlich reagiert, verdeutlicht der Autor von katholisch.de , indem er der Stadt schlechten Erziehungsstil zuschreibt, wenn sie mit „Gratifikation fürs Bravsein“ drohe, um ihre Erwartungen durchzusetzen. „Es steht dem Staat nach dem Grundgesetz nicht zu, als Erzieher der Kirche aufzutreten, der das für soziale Aufgaben vorgesehene 'Taschengeld' von ihrem Wohlverhalten abhängig machen kann.“

 

Corinna Gekeler

 

Zu weiteren Initiativen gegen Diskriminierung in kirchlichen Einrichtungen auf kommunaler Ebene:
http://www.aks-muenchen.de/?cat=21
http://hpd.de/node/17195
http://hpd.de/node/17196
http://hpd.de/node/17747