Verfassungsziel Speziesismus?

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Titelblatt der ZEIT
Titelblatt der ZEIT

BERLIN. (hpd/gbs) Der ZEIT war die Initiative “Grundrechte für Menschenaffen” eine Titelgeschichte wert, doch der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags lehnt die Veröffentlichung der entsprechenden Petition ab. Hauptpetent Michael Schmidt-Salomon hat dagegen Widerspruch eingelegt und die eigentümliche Begründung des Petitionsausschusses argumentativ auseinandergenommen.

Die von Schmidt-Salomon eingereichte und von mehreren Tierrechtsverbänden unterstützte Petition “Grundrechte für Menschenaffen” will das Recht der Großen Menschenaffen auf persönliche Freiheit, Leben und körperliche Unversehrtheit in Artikel 20a der deutschen Verfassung verankern. Eine Forderung, die führende Primatologen unterstützen und für die sich durchaus auch eine Mehrheit in der deutschen Bevölkerung finden ließe. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hingegen sieht in der Petition ein solch aussichtsloses Unterfangen, dass er sie gar nicht erst veröffentlichen will.

Die Begründung für die kategorische Ablehnung des Petitionsausschusses ist bloß zwei Sätze lang und zeugt nicht gerade von rechtsphilosophischem Tiefgang: “Die Grundrechte (Artikel 1 bis 19 Grundgesetz) sind natürlichen Personen vorbehalten und erstrecken sich nicht auf alle Lebewesen. Auch wenn von einer hohen genetischen Übereinstimmung von großen Menschenaffen und Menschen ausgegangen werden kann, handelt es sich bei diesen Affen um Tiere.”

“Ich wäre ja im Leben nicht darauf gekommen, dass es sich bei diesen Affen um Tiere handelt!”, scherzt Michael Schmidt-Salomon, der wie kaum ein anderer deutscher Philosoph auf die Aufhebung der “sakrosankten Trennlinie zwischen Mensch und Tier” hinarbeitet. In seinem Antwortschreiben an den Petitionsausschuss fordert er die umgehende Veröffentlichung der Petition (“Eine Ablehnung der Veröffentlichung würde Sinn und Funktion des Petitionsverfahrens in Deutschland sehr in Frage stellen”), wobei er es sich nicht nehmen lässt, die Mitglieder des Ausschusses über eine Reihe “trivialer Tatsachen” aufzuklären, die hochrangige Vertreter des Staates eigentlich wissen sollten – etwa dass Menschen ebenfalls Tiere sind und Menschenaffen alle Eigenschaften “natürlicher Personen” aufweisen.

Natürlichen Personen allein deshalb Rechte vorenthalten, weil sie nicht unserer Art angehören, sei “Ausdruck von Speziesismus”, einer “ethisch illegitimen Argumentationsweise, die strukturell äquivalent dem Rassismus oder Sexismus ist” und dem “Geist unserer Rechtsordnung” entgegensteht. Mit seiner Argumentationsweise untergrabe der Petitionsausschuss letztlich die ethischen Fundamente der Verfassung, so Schmidt-Salomon in seiner mit spitzer Feder geschriebenen, rechtsphilosophischen Erwiderung.

Zur Untermauerung seiner Position hat Schmidt-Salomon seinem Brief Stellungnahmen von Dieter Birnbacher, Vorsitzender der Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, Volker Sommer, Lehrstuhlinhaber für “Evolutionäre Anthropologie” an der University of London, sowie Eisenhart von Loeper, einer der Initiatoren der Aufnahme des Tierschutzes in Artikel 20a der Verfassung, beigefügt.

Wir dokumentieren auf der Folgeseite das Schreiben von Michael Schmidt-Salomon an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags im Originalwortlaut.