Humanismus - Reformation - Aufklärung

Weitere ebenfalls sehr lesenswerte Beiträge befassen sich mit “Bildern des Humanismus – ‘Bild und Bibel’ zwischen Renaissance und Reformation” (Perdita Ladwig, Kunstwissenschaftlerin); “Goethe statt Luther” (Ralf Schöppners Rezension zu Bernd Grebes “Die geschönte Reformation. Warum Martin Luther uns kein Vorbild mehr sein kann) sowie ”Mit Herrn Luther ist alles in Butter. - Zum Umgang mit Luther in der DDR“ (Horst Groschopps Kommentar zu Martin Roy: ”Luther in der DDR. Zum Wandel des Lutherbildes in der DDR-Geschichtsbildes").

Im zweiten Teil dieses Bandes werden dann einige herausragende humanistische Projekte, die sich durchaus auch auf Problemfelder der frühen Neuzeit und der Entwicklung des Protestantismus beziehen, vorgestellt. Ihnen vorangestellt ist ein einleitender Beitrag von Horst Groschopp “Die Berliner Humanistengemeinden. Humanismus in Berlin um 1900”. Der Artikel gibt Einblick in den Stand eines derzeit laufenden Projekts der historischen Selbstverständigung des HVD. Auf diesen soll hier nicht näher eingegangen werden, da dies bereits an anderer Stelle geschehen ist: siehe “Humanismus und Humanisierung”.

Es folgt ein Aufsatz des Mannheimer Privatdozenten Wilhelm Kreutz über “Das Berliner Lutherdenkmal – Ein Monument der ‘politischen Vollendung der Reformation’”, eingeweiht am 11. Juni 1895. Kreutz beleuchtet Hintergründe und Kontroversen, die dessen Errichtung und figürliche Gestaltung betreffen. Das Denkmal sei nicht zuletzt Ausdruck für eine preußisch-deutsche “Umdeutung des Protestantismus in eine Nationalreligion”. Er schreibt diesbezüglich: “Die Gestaltung des Berliner Lutherdenkmals und seine politische Botschaft lagen für die Zeitgenossen auf der Hand. (…) dies gilt es zu bedenken, wenn man heute – vor allem im Zuge der ‘Lutherdekade’ – die Wiederherstellung des Berliner Denkmals fordert.” (S. 115)

Ideen für eine Ausstellung des Humanistischen Verbandes und der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg unterbreiten Susanne Lanwerd, Peter Tucholski und Justus H. Ulbricht in ihrem Beitrag “Humanismus in Gesellschaft – Beeindruckende Erinnerung und verpflichtendes Erbe”. Hier soll es auch um das ambivalente Verhältnis der deutschen Reformation (die aber nicht auf die Person Luthers reduziert werden dürfe) zum humanistischen Erbe gehen. Abschließend regen sie eine thematische Berliner Stadtführung “Ortes des Humanismus” an.

Die Theaterschaffende Isabella Mamatis stellt das Projekt “Lange Tafel der Aufklärung” in der Lutherstraße im Stadtteil Schöneberg vor. Diese soll im Mai 2015 einen spezifisch humanistischen Beitrag zur Lutherdekade in Form einer kommunikativen Theater-Inszenierung im Spannungsfeld zwischen Reformation, Aufklärung und jüngster Neuzeit leisten.

Ralf Schöppner, der neue Direktor der Humanistischen Akademien Deutschland und Berlin-Brandenburg weist abschließend auf zwei Konferenzen zum Komplex “Humanismus und Reformation” der Berlin-Brandenburger Akademie (und mehrerer Kooperationspartner) hin.

Auf der ersten Konferenz im Jahre 2015 sollen entgegen der hierzulande praktizierten Sakralisierung kultureller Prozesse die anthropologischen, ethischen und politischen Konzepte von Menschenwürde und Freiheit in ihren konkreten historischen Entwicklungslinien bis in die Gegenwart nachgezeichnet werden.

Die zweite Konferenz im Jahre 2017 wird sich den Themen Toleranz und Intoleranz, Religions- und Weltanschauungsfreiheit sowie religiösen Repressionen zuwenden. Die von Schöppner hierzu bereits aufgeworfenen Fragestellungen lassen aufhorchen, wecken schon jetzt Neugier… Und dabei geht es beileibe nicht bloß um die Zeit Luthers, sondern sehr prononciert um heutige Zustände.

Er schreibt dazu ganz konkret: “Daß lutherische und reformierte Obrigkeiten oftmals mit großer Intoleranz und Härte gegen Andersdenkende vorgegangen sind, mag durchaus ein eigentümliches Bild auf die von Luther gepriesene Gewissensfreiheit oder die in der ‘Lutherdekade’ [mit staatlichem Segen und immensen finanziellen Mitteln; SRK] gefeierte ‘Signatur des Protestantischen’ in der modernen Welt werfen.” (S. 126)

Obwohl diese Schrift nur ein schmales Bändchen darstellt, geht sie thematisch sehr in die Tiefe, klammert Ursachen, Zusammenhänge und Wirkungen in Vergangenheit und Gegenwart nicht aus. Sie ist damit alles andere als eine der zahllosen staatlich geförderten Luther-Hagiographien, mit denen die Bundesbürger nun schon seit Jahren mit enormem agitatorischen und missionarischen Eifer überschüttet werden. Kurzum, der HVD hat mit diesem Sammelband ein überaus notwendiges Buch vorgelegt, das unbedingt weit über die Mitgliedschaft des HVD hinaus Verbreitung finden sollte.

 


Frieder Otto Wolf (Hrsg.): Humanismus – Reformation – Aufklärung: Forderungen und Vorschläge zur Lutherdekade. Schriftenreihe “Zur Theorie und Praxis des Humanismus”. 128 S. kart. Humanistischer Verband Berlin-Brandenburg. Berlin 2013. 5 Euro. ISBN 3–924041–40–3