In den letzten Tagen wurden die Ergebnisse des Wettbewerbs um Zuschüsse aus dem Patriotischen Fonds (Fundusz Patriotyczny) bekannt gegeben. Dabei zeigte sich, dass nationalistische und profaschistische Organisationen bevorzugt werden. Dagegen protestiert die polnische Bürgerrechtsorganisation "Frauen von der Brücke" mit einem Offenen Brief.
Der Patriotischen Fonds wurde im März 2021 auf Initiative von Premierminister Mateusz Morawiecki und dem stellvertretenden Premierminister Piotr Gliński errichtet. Er steht unter der Obhut einer staatlichen Kultureinrichtung, die wiederum dem Minister für Kultur und nationales Erbe unterstellt ist: Dem Institut für das Erbe des nationalen Gedankenguts (IENG) (Instytut Dziedzictwa Myśli Narodowej). Die Einrichtung wird von Jan Żaryn geleitet, der seit vielen Jahren mit der Partei Recht und Gerechtigkeit in Verbindung gebracht wird.
Die meiste Unterstützung durch den Fonds haben Initiativen erhalten, die im Zusammenhang mit Robert Bąkiewicz stehen, einem Aktivisten mit deutlich faschistischen Ansichten, der ursprünglich dem Nationalradikalen Lager (Obóz Narodowo-Radykalny) entstammt.
Der Verein Nationalgarde (Straż Narodowa) erhält für ein Projekt mit dem Titel "Sicherheit und Professionalität bei der Organisation und dem Ablauf von patriotischen und religiösen Veranstaltungen – eine notwendige Voraussetzung für die Festigung der kulturellen Identität" 1.700.000 PLN, und der Verein Unabhängigkeitsmarsch (Marsz Niepodległości) für die Aufgabe mit dem Titel "Unabhängigkeitsmarsch – Modernität und Tradition" – 1.300.000 PLN. Diese Beträge wurden nach dem Schlüssel vergeben, der vom IENG als Investitions-, Infrastruktur- und Schulungsvorhaben zur institutionellen und organisatorischen Stärkung "der Kreise, die dem patriotischen Lager Rückhalt gewähren" beschrieben wurde. Eine weitere Organisation mit faschistischen Zügen, die Allpolnische Jugend (Młodzież Wszechpolska), erhielt den Betrag von 100.000 PLN, nach dem Kriterium beschrieben als "kulturelle, bildungserzieherische und wissenschaftliche Projekte – Konferenzen, Vorlesungen, Konzerte".
Im Offenen Brief schreiben die Frauen von der Brücke:
Nun ein paar Worte zu einer nicht allzu weit zurückliegenden Geschichte, als kurze Begründung für unser Engagement in diesem Zusammenhang. Wir sind Aktivistinnen, die sich am 11. November 2017 während des sogenannten Unabhängigkeitsmarsches in Warschau friedlich mit der symbolischen Botschaft "FASCHISMUS STOPP" in den Weg stellten. Wir wurden geschlagen, bespuckt und beleidigt, aber wir waren es, die vor Gericht wegen "Störung einer rechtmäßigen Versammlung" zur Rechenschaft gezogen wurden. Wir haben den Fall gewonnen, und im Urteil stellte das Gericht fest, dass es den Bürgern nicht verboten werden kann, im Zusammenhang mit einem gesellschaftlich wichtigen Thema friedlich zu protestieren, d. h. lautstark "Nein" zu extrem gefährlichen Phänomenen zu sagen. In einem anderen Fall, als wir gegen den Verein Unabhängigkeitsmarsch geklagt haben, erklärte die Staatsanwaltschaft ausdrücklich, dass die Gewalt, die gegen uns gerichtet wurde, ein "akzeptabler Ausdruck von Unzufriedenheit" sei. Die Forderung der Nationalisten, die Gaskammern für uns zu öffnen, wurde durch die Staatsanwaltschaft mit vielsagendem Schweigen abgetan. Ist dies nicht ein grünes Licht für extrem nationalistisch motivierte Gewalt? Wie viel mehr ist nötig, damit wir kollektiv "Es reicht” sagen? Die Biografien einiger der Menschen, die unsere Position unterstützt haben – Halina Birenbaum, Wanda Traczyk-Stawska und Marian Turski – zeigen deutlich, wohin extremer Nationalismus führt. Ihre Schicksale zeugen davon, dass "der Faschismus nicht vom Himmel gefallen ist".
Die Faschistisierung des öffentlichen Raums in Polen ist eine Tatsache, keine journalistische These. Von diesem Phänomen sprechen Forscher und Wissenschaftler, Gerichte in ihrer Rechtsprechung, gesellschaftliche Aktivisten und Medienleute. Extremer Nationalismus ist nicht, wie manche es gerne sehen würden, eine "Randerscheinung unter Fußballrowdys" oder eine spezifische Folklore, die jeden 11. November ihren spektakulären Höhepunkt erlebt. Braune Kreise sitzen im Parlament, in staatseigenen Gesellschaften, in Regierungsbehörden, sind für die Bildung zuständig (Minister Przemysław Czarnek ist ein krasses Beispiel hierfür) und gestalten aktiv die lokale und gesamtpolnische Wirklichkeit. Es ist nicht nur die Straße, es ist seit vielen Jahren ein professionell eingesetztes Know-how.
Wir wollen, dass dies deutlich zum Ausdruck kommt, wir wollen, dass Minister Gliński es hört: Eine auf diese Weise betriebene "Geschichtspolitik" ist de facto eine widerrechtliche Aneignung der Kultur und eine Veruntreuung ihres positiven, inklusiven und vielfältigen Erbes. Dadurch wird die Kultur verfälscht und auf die Funktion eines primitiven Propagandawerkzeugs reduziert, das darauf abzielt, gefährliche politische Ziele zu erreichen. Wir wollen, dass der Leiter des Ressorts, das die polnische Kultur beaufsichtigt, weiß, dass die Übergabe von jedem einzelnen Zloty aus der Staatskasse an Organisationen, die verbrecherische Ideologien promoten, ein tragischer Akt zum Nachteil der polnischen Staatsbürger*innen ist. Dies zerstört ihr Recht, eine Kultur zu erleben, die keine feindlichen, gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen gerichteten Inhalte verbreitet. Herr Minister, ist es Ihr Wunsch, als Förderer faschistischer Ideen in die Geschichte einzugehen? Sind Sie bereit, die Haftung dafür zu übernehmen, dass öffentliche Gelder (wie die langjährige Praxis des von Robert Bąkiewicz organisierten Unabhängigkeitsmarsches es zeigt) für Gewalt, Einschüchterung, Ausbildung im Umgang mit Waffen, pyrotechnisches Material, Brandstiftung sowie Propagandamaterial, das die Hassrede und die Vernichtung der "Feinde des Vaterlandes" promotet, verwendet werden? Was hat das mit Kultur zu tun? Wir verlangen Erklärungen!
Wir fordern alle Menschen guten Willens, insbesondere diejenigen mit gesellschaftlich anerkannten Leistungen, nachdrücklich auf, ihre Autorität zu nutzen, um die beschämende Tatsache publik zu machen, dass unser Staat Initiativen finanziert, die offen Homophobie sowie religiös und ethnisch motivierten Hass propagieren und sich dabei auf verbrecherische Ideologien berufen, die nach polnischem Recht, einschließlich der Verfassung der Republik Polen, verboten sind – d. h. Nazismus und Faschismus. Wir müssen mehr sagen: Es ist zum Vorteil der jetzigen Machthaber und sie tun es zynisch, die faschistischen Kreise dienen ihnen dazu, die national-katholische Vision Polens in Schranken zu halten und zu sichern, die feindlich gegenüber der Vielfalt und den Menschenrechten ist, die immer mehr zu einer gewalttätigen Praxis wird, die in den Status des Gesetzes erhoben wird (gegen bürgerliche Freiheiten, Minderheiten, die LGBT+-Gemeinschaft, die Selbstbestimmung der Frau, den säkularen Staat usw.). Wir glauben auch, dass die von Minister Gliński gegründete Kultureinrichtung eine künstliche Schöpfung ist, die darauf abzielt, Handlanger der Regierungspartei mit unseren Steuergeldern zu subventionieren.
Es ist an der Zeit, dem Phänomen der Verbräunung des öffentlichen Raums wirksam Einhalt zu gebieten. Wir alle haben das Recht, in einem Land zu leben, das nicht an die düstersten Kapitel der Geschichte des 20. Jahrhunderts anknüpft.
Die 14 Frauen von der Brücke:
Maria Bąk-Ziółkowska
Ewa Błaszczyk
Beata Geppert
Kinga Kamińska
Katarzyna Kwiatkowska
Lucyna Łukian
Zofia Marcinek
Agnieszka Markowska
Izabela Możdrzeń
Monika Niedźwiecka
Elżbieta Podleśna
Katarzyna Szumniak
Agnieszka Wierzbicka
Krystyna Zdziechowska
Der Offene Brief wird von folgenden Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und dem öffentlichen Leben unterstützt:
Paweł Althamer, Bildhauer
Tadeusz Bartoś, Philosoph
RadosławBaszuk, Rechtsanwalt
Anna Baumgart, visuelle Künstlerin, Drehbuchautorin, Produzentin
Edwin Bendyk, Publizist
Marek Beylin, Journalist
Bogdan Białek, Psychologe, gesellschaftlicher Aktivist
Konrad Bieliński, Mathematiker
Anna Bikont, Journalistin, Schriftstellerin
Halina Birenbaum, Schriftstellerin
Jacek Bocheński, Schriftsteller
Małgorzata P. Bonikowska, Journalistin
Marek Borowik, Rechtsanwalt, Unternehmer
Halina Bortnowska, Theologin
Igor Brejdygant, Schriftsteller
Stanisław Brejdygant, Schauspieler, Schriftsteller
Alina Cała, Historikerin
Beata Chmiel, Kulturmanagerin
Beata Chomątowska, Schriftstellerin
Sylwia Chutnik, Schriftstellerin
Izabella Cywińska, Regisseurin
Krzysztof Czyżewski, Regisseur, Kulturanimateur
Jacek Dehnel, Schriftsteller
Patrycja Dołowy, Schriftstellerin
Artur Domosławski, Schriftsteller, Journalist
Jacek Dubois, Rechtsanwalt
Dominika Dudek, Psychiaterin
Barbara Engelking, Holocaust-Forscherin
Feliks Falk, Regisseur
Natalia Fiedorczuk, Schriftstellerin
Andrzej Franaszek, Literaturwissenschaftler
Bogdan Frymorgen, Journalist, Schriftsteller
Tadeusz Gadacz, Philosoph
Grzegorz Gauden, Verleger, Schriftsteller
Konstanty Gebert, Publizist
Agnieszka Glińska, Theaterregisseurin
Regina Gogol, Schriftstellerin, Übersetzerin
Piotr Gordon, Publizist
Ewa Gorządek, Kulturhistorikerin
Jan Grabowski, Historiker
Agnieszka Graff, Schriftstellerin
Manuela Gretkowska, Schriftstellerin
Hanka Grupińska, Schriftstellerin
Piotr Gruszczyński, Dramaturg, Theaterkritiker
MikołajGrynberg, Schriftsteller
Remigiusz Grzela, Schriftsteller
Izabella Gustowska, intermediale Artistin
Karolina Hamer, paralympische Sportlerin, Schwimmerin
Maciej Hen, Schriftsteller
Agnieszka Holland, Regisseur
Zbigniew Hołdys, Musiker
Inga Iwasiów, Schriftstellerin
Andrzej Jakimowski, Filmregisseur
Iwona Jakubowska-Branicka, Soziologin
Katarzyna Janowska, Publizistin
Marcin Kęszycki, Schauspieler
Jacek Kleyff, freiberuflicher Künstler
Maciej Klimczak, Kulturanimateur
Ryszard Kluszczyński, Kulturwissenschaftler
Anna Karolina Kłys, Schriftstellerin
Krzysztof Knittel, Komponist
Jacek Kochanowski, Soziologe, Philosoph
Antoni Komasa-Łazarkiewicz, Komponist
Maja Komorowska, Schauspielerin
Andrzej Koraszewski, Journalist
Elżbieta Korolczuk, Soziologin
Joanna Kos-Krauze, Regisseurin
Dorota Kotas, Schriftstellerin
Grzegorz Kozera, Schriftsteller
Hanna Krall, Schriftstellerin
Wojciech Kuczok, Schriftsteller
Ewa Kulik-Bielińska, Anglistin
Danuta Kuroń, gesellschaftliche Aktivistin
Borys Lankosz, Filmregisseur
Andrzej Leder, Psychoanalytiker, Philosoph
Wojciech Lemański, Geistlicher
Jacek Leociak, Historiker
Adam Leszczyński, Historiker, Soziologe, Publizist
Dariusz Libionka, Historiker
Renata Lis, Schriftstellerin
Mikołaj Lizut, Journalist
Magdalena Łazarkiewicz, Regisseurin
Ewa Łętowska, Rechtsanwältin
Stanisław Łubieński, Schriftsteller
Andrzej Markowski-Wedelstett, bildender Künstler
Bogdan Miś, Journalist
Paulina Młynarska, Publizistin
Dorota Nieznalska, visuelle Künstlerin
Michał Nogaś, Journalist
Dorota Nowak, Verlegerin
StanisławObirek, Theologe
Małgorzata Omilanowska, Kunsthistorikerin
Jan Ordyński, Journalist
Maja Ostaszewska, Schauspielerin
Piotr Pacewicz, Journalist
Jacek Pałasiński, Journalist
Rafał Pankowski, Soziologe, antifaschistischer Aktivist
Antoni Pawlak, Schriftsteller
Grażyna Plebanek, Schriftstellerin
Monika Płatek, Rechtsanwältin
Adam Pomorski, Schriftsteller
Jacek Poniedziałek, Schauspieler
Paweł Potoroczyn, Kulturmanager
Barbara Przedpełska-Trzeciakowska, Sanitäterin während des Warschauer Aufstands
Natalia Przybysz, Vokalistin
Adam Puławski, Historiker
Piotr Pytlakowski, Journalist, Schriftsteller
Piotr Rachtan, Journalist
Karol Radziszewski, Maler
Aneta Reluga, Informatikerin
Piotr Paweł Reszka, Reporter
Anda Rottenberg, Kunsthistorikerin
Zyta Rudzka, Schriftstellerin
Michał Rusinek, Schriftsteller
Piotr Rypson, Kunsthistoriker
Nina Sankari, feministische, atheistische Laienaktivistin
Andrzej Saramonowicz, Regisseur
Paula Sawicka, Psychologin, gesellschaftliche Aktivistin
Michael Schudrich, Historiker, Religionswissenschaftler
Ernest Skalski, Journalist
Jan Skoczyński, Philosophiehistoriker
Wojciech Smarzowski, Filmregisseur
Magdalena Smoczyńska, Psycholinguistin, Sprachwissenschaftlerin
Wawrzyniec Smoczyński, Publizist
Aleksander Smolar, Politologe
Anna Smolar, Theaterregisseurin
Jerzy Sosnowski, Schriftsteller
Beata Stasińska, Verlegerin
Andrzej Stasiuk, Schriftsteller
Krzysztof Stępiński, Rechtsanwalt
Monika Strzępka, Theaterregisseurin
Jan Suchodolski, bildender Künstler
Stach Szabłowski, Historiker und, Kunstkritiker
Małgorzata Szcześniak, Szenografin
Monika Szewczyk, Kunsthistorikerin
Helena Szmuness, Journalistin
Monika Sznajderman, Schriftstellerin, Verlegerin
Wit Szostak, Schriftsteller
Adam Szostkiewicz, Journalist
Magdalena Środa, Philosophin
Anna Tatar, antifaschistische Aktivistin
Waldemar Tatarczuk, Perfomer, Ausstellungsmacher
Andrzej Titkow, Regisseur
Wojciech Tochman, Reporter, Schriftsteller
Wanda Traczyk-Stawska, Teilnehmerin des Warschauer Aufstands
Mirosław Tryczyk, Schriftsteller
Magdalena Tulli, Schriftstellerin
Marian Turski, Journalist, Historiker
Agata Tuszyńska, Schriftstellerin
Jakub Urbanik, Rechtshistoriker
Krzysztof Warlikowski, Theaterregisseur
Mirosław Wielgoś, Gynäkologe, Perinatologe
Marek Wilczyński, Amerikanist
Anna Wolff-Powęska, Historikerin
Ewa Woydyłło-Osiatyńska, Psychologin, Schriftstellerin
Ewa Wójciak, Theaterregisseurin
Piotr Wójcik, Pressefotograf, Dokumentarfilmer
Ludwika Wujec, gesellschaftliche Aktivistin
Krystyna Zachwatowicz-Wajda, Szenografin, Teilnehmerin des Warschauer Aufstands
Krzysztof Zalewski, Musikerin, Schauspieler, Komponist
Marcin Zegadło, Dichter, Publizist
Antoni Ziemba, Kunsthistoriker
Adam Ziółkowski, Historiker
Maria Zmarz-Koczanowicz, Regisseurin