Betreiber der Webseite "babykaust.de" vor Gericht

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Am 15. Februar findet vor dem Amtsgericht Weinheim ein Strafprozess gegen den radikalen christlichen Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen statt. Annen betreibt die Webseite "babykaust.de", auf der er suggeriert, Schwangerschaftsabbrüche seien eine Steigerungsform des Holocausts. Wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Beleidigung von ÄrztInnen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, wurden gegen Annen mehrere Strafanzeigen erstattet. Da sich die Staatsanwaltschaft im morgigen Prozess auf den Tatbestand der Beleidigung konzentriert, den Aspekt der Volksverhetzung jedoch außen vor lässt, ist eine Protest-Kundgebung geplant, die von 10 bis 12 Uhr vor dem Amtsgericht stattfinden soll.

Am 12. Februar 2021 hatte das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) Strafanzeige gegen Klaus Günter Annen erstattet wegen des Verdachts der Beleidigung nach Paragraf 185 StGB und des Verdachts der Volksverhetzung in der Alternative des Verharmlosens nach Paragraf 130 III Fall 3 StGB. "Annen trifft mehrere ehrverletzende und volksverhetzende Aussagen auf den von ihm verantworteten Webseiten, auf denen er gegen ÄrztInnen und Schwangerschaftsabbrüche agitiert", so das ifw auf seiner Webseite. Über 100 Personen und Organisationen hatten erklärt, die Anzeige zu unterstützen. Auch Ärztinnen, die von Annen persönlich beleidigt wurden, weil sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, wie Kristina Hänel, hatten sich mit eigenen Anzeigen angeschlossen. 

Hänel, die im morgigen Prozess als Zeugin aussagen wird, verweist in einer Pressemitteilung auf die politische Dimension der persönlichen Angriffe Annens auf Ärztinnen und Ärzte: "Er stellt sie auf seiner Webseite persönlich an den Pranger, schüchtert sie ein, verfolgt sie immer wieder mit E-Mails und Strafanzeigen. In meinem Fall schickte er diffamierende E-Mails sogar in den Umkreis von Veranstaltungen und Lesungen, bat darum, mich auszuladen und gab schlechte Google-Bewertungen über meine Arztpraxis ab etc. Indem Klaus Günter Annen die Verbrechen des Holocaust in einen direkten Vergleich mit Schwangerschaftsabbrüchen stellt, stachelt er zu Hass und Gewalt gegen die betroffenen Ärztinnen und Ärzte auf. Er suggeriert damit, dass ein gewaltsamer Widerstand, der damals moralisch integer und geboten war, womöglich heute gegen uns Ärztinnen und Ärzte auch integer und geboten sein könnte. Letztlich legitimiert er damit scheinbar etwaige gewalttätige Angriffe gegen uns und setzt durch seine aggressiven Emotionalisierungen Hemmschwellen herab." Dies habe auch deutliche Auswirkungen auf die Versorgungslage von ungewollt schwangeren Frauen, so Kristina Hänel. "Ohnehin ist die Zahl derjenigen stetig zurückgegangen, die bereit sind, Frauen beim Schwangerschaftsabbruch medizinisch zu versorgen. Die ständige Bedrohung ist ein Grund für diesen Rückgang. Ich habe Verständnis für alle Kolleginnen und Kollegen, die sich dem nicht aussetzen wollen. Sollte das Gericht diesen Aspekt aufgreifen und ein entsprechendes Urteil fällen, wäre dies ein wichtiges Signal für alle betroffenen Ärztinnen und Ärzte."

Erstaunt zeigt sich Hänel, dass sich die Staatsanwaltschaft zwar für die persönlichen Beleidigungen zu interessieren scheint, nicht jedoch für Annens Holocaustvergleich. "Dieser Vergleich ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer des Holocaust und ist völlig inakzeptabel. Die im Nationalsozialismus begangene systematische Vernichtung lässt sich mit nichts vergleichen. Klaus Günter Annen stellt diesen Vergleich seit Jahren auf seiner Webseite her. Er vergleicht Zahlen der Opfer der Terrorherrschaft mit Zahlen von durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen und sagt, es gebe eine Steigerungsform der grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten und meint damit Schwangerschaftsabbrüche. Auf seiner Webseite findet sich das Tor von Auschwitz neben einem gynäkologischen Stuhl, auf dem eine Frau liegt. Wenn das nicht eine Verharmlosung des Holocaust darstellt, was dann?"

Michael Schmidt-Salomon, Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), stimmt Kristina Hänel zu. In einem Video-Statement erklärt er: "Wer die systematische Ermordung jüdischer Männer, Frauen und Kinder mit der Entfernung empfindungsunfähiger Embryonen gleichsetzt, verhöhnt die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen und stellt den Widerstand gegen Hitler auf dieselbe Stufe wie den Widerstand gegen Ärztinnen und Ärzte, die ungewollt Schwangeren helfen. Das ist Volksverhetzung in Reinkultur! Es handelt sich dabei nicht bloß um eine geschmacklose, abwegige Meinung und auch nicht bloß um eine Form der Beleidigung, sondern um einen Aufruf zur Gewalt. Denn wenn das Stauffenberg-Attentat gerechtfertigt war, warum dann nicht auch Anschläge auf Ärztinnen und Ärzte?"

Dass der Rechtsstaat hier eingreifen muss, liegt für den Philosophen auf der Hand: "Der deutsche Staat muss – gerade auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Geschichte – dieser besonders perfiden Form der Holocaust-Verharmlosung ein Ende bereiten, um seine Bürgerinnen und Bürger sowie seine eigenen Rechtsnormen zu schützen. Personen und Personengruppen, die vom 'Babycaust' sprechen und damit den Holocaust in unerträglicher Weise relativieren, haben die Grenzen der Toleranz im liberalen Rechtsstaat eindeutig überschritten und müssen daher strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Viel zu lange schon hat Klaus Günter Annen mit seiner 'Babycaust'-Webseite die Debatten vergiftet. Es ist an der Zeit, ihm sein Handwerk zu legen und zu beweisen, dass Deutschland aus seiner Geschichte gelernt hat."

Prozessbeginn ist am 15. Februar 2022 um 12:45 Uhr beim Amtsgericht Weinheim. Eine Kundgebung wurde von 10 bis 12 Uhr auf dem Platz vor dem "Mahnmal für die Opfer von Gewalt, Krieg und Verfolgung" von mehreren Gruppen angemeldet.

Eine Meldung dazu erschien auch auf der Webseite der Giordano-Bruno-Stiftung.

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