Prozessbeginn heute:

Erneut Anklage gegen Frauenarzt wegen Verstoßes gegen Paragraph 219a

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Vertreterinnen der "Medical Students for Choice" auf einer Demo gegen Paragraph 219a in Berlin
"Medical Students for Choice"

Der Frauenarzt Detlef Merchel aus Nottuln hat sich heute ab 10:45 Uhr vor dem Amtsgericht Coesfeld (Münsterland) zu verantworten. Von Abtreibungsgegnern angezeigt wird im bevorstehenden Prozess wieder einmal der Verdacht, gegen Paragraph 219a verstoßen zu haben, verhandelt. Das Vergehen: Der Frauenarzt informiert auf seiner Webseite sachlich, dass und wie er Schwangerschaftsabbrüche durchführt.

Die nach Paragraph 219a kriminalisierten Ärzt*innen haben die Aufgabe und Pflicht, betroffenen Frauen zutreffende und notwendige Gesundheitsinformationen zu geben. Nach dem Patientenrechtegesetz haben Patient*innen den Anspruch auf diese Informationen. Jede sachliche Information zu Schwangerschaftsabbrüchen von Ärzt*innen auf ihren Webseiten bleibt allerdings auch nach der Reform des Paragraphen im Februar 2019 unter Strafe gestellt.

Rechtssicherheit ergab die Reform nicht: seit Februar 2020 wurden zwei Ärzt*innen nach Paragraph 219a verurteilt, bei zwei weiteren wurde der Prozess niedergelegt. Auch der reformierte Paragraph 219a verbietet vermeintliche Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft. Selbst das Bundesverfassungsgericht führte 2006 aus: "Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können." (Bundesverfassungsgericht vom 24.05.2006 – 1BvR 1060/02–BVerfGK 8, 107-118)

Weiterhin instrumentalisieren Abtreibungsgegner*innen den Strafrechtsparagraphen, um Frauen und Ärzt*innen einzuschüchtern und ihre Ideologien durchzusetzen. Die unterzeichnenden Organisationen fordern: "Das muss endlich ein Ende haben". Die Paragraphen 218 und 219a StGB verletzen in unerträglicher Weise die sexuellen und reproduktiven Rechte von Frauen, wie sie die Menschenrechte und die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) international garantieren (siehe Pressemitteilung des Arbeitskreises Frauengesundheit). Diese Verträge hat die Bundesrepublik Deutschland unterschrieben. Sie hat sich damit verpflichtet, diese Rechte umzusetzen.

Die unterzeichnenden Organisationen erklären sich solidarisch mit dem Frauenarzt Detlev Merchel, der wegen Verstoßes gegen Paragraph 219a angeklagt ist, und fordern seinen Freispruch. Sie fordern die Abschaffung der Paragraphen 218 und 219a.

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