Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) Bayern lädt an diesem Donnerstag (2. Juni 2022) ab 19.30 Uhr zu einer Online-Diskussion ein. Dabei soll besprochen werden, was "humanistische Feierkultur" bedeutet und wie sie sich ausbauen lässt.
In der humanistischen Feierkultur unserer Tage haben sich zwei Schwerpunkte herausgebildet: Auf der einen Seite stehen Lebens- oder lebensbegleitende Feiern. Darunter Willkommens- oder Begrüßungsfeiern für Neugeborene, Jugendfeiern für Heranwachsende, Partnerschafts- und Hochzeitsfeiern für Verliebte, Feiern zu selbst definierten besonderen Lebensabschnitten – wie etwa Umzug, Schulabschluss, Jubiläen etc. – sowie am Ende des Lebens: Trauerfeiern, die das Leben eines Menschen für die Hinterbliebenen nachzeichnen und würdigen.
Der zweite Schwerpunkt sind öffentliche Gedenk- und Feiertage – Tage der reflektierenden Auseinandersetzung mit historischen oder gesellschaftspolitisch relevanten Geschehnissen oder Zielen. Dazu gehören jahreszeitliche Feiern wie die Winter- und Sommersonnenwende oder der Frühlingsbeginn, Gedenktage historischer Ereignisse wie der Tag der Menschenrechte oder ein "Evolutionstag", der Weltfrauentag und viele mehr.
In Bezug auf die lebensbegleitenden Feiern wird nicht selten der Vorwurf erhoben, die christliche Feierkultur zu imitieren. Ein Impulsvortrag der studierten Theologin Hedwig Toth-Schmitz, Vorsitzende des benachbarten Landesverbandes HVD Rheinland-Pfalz/Saarland, wird dagegen zeigen, dass dies auf einer Fehlannahme beruht – das Umgekehrte sei der Fall: die christlichen Kirchen hätten Rituale und symbolische Handlungen, die sie vorgefunden haben, aufgegriffen und gemäß der eigenen Lehre und zur Erreichung eigener Zwecke interpretiert. Das Jahrhunderte währende Tradierungs- und Deutungsmonopol der Kirchen habe letztlich dann dazu geführt, dass diese Feiern heute irrtümlich als genuin christlich empfunden werden.
Was die Gedenktage des Jahreskalenders anbelangt, befinden sich die säkularen Organisationen in Deutschland offensichtlich in einem kreativen Findungsprozess. Das Bedürfnis ist groß, Gelegenheiten zu etablieren, zu denen auf wichtige gesamtgesellschaftliche Anliegen aufmerksam gemacht werden kann. Ideen liegen auf dem Tisch, die Diskussion um Gewichtung und Umsetzung ist in vollem Gang. Am 22. April erst hatte der Zentralrat der Konfessionsfreien zu einer öffentlichen Themenwerkstatt dazu eingeladen, bei der damit begonnen wurde, Ideen für einen säkular-humanistischen Jahreskalender auszutauschen. Daran möchte Toth-Schmitz in ihrem Impulsvortrag am 2. Juni anknüpfen.
Feiertage werden sich nach Ansicht der Referentin wohl nur dann etablieren, wenn sich viele, im Idealfall alle Bürgerinnen und Bürger damit identifizieren können. "Durchsetzen wird sich, was nicht nur mit allgemein relevanten Inhalten, sondern was tatsächlich auch authentisch mit Leben gefüllt werden kann, was sich also für die Menschen als bedeutungsvoll erweisen wird", so Hedwig Toth-Schmitz. "Eine humanistische Feierkultur ist Ausdruck eines praktisch gelebten Humanismus. Als solche wandelt und entwickelt sie sich mit den Bedürfnissen und Vorlieben der Menschen."
Wie diese Bedürfnisse in säkular-humanistischen Kreisen empfunden werden, darüber soll im Rahmen des Humanistischen Campus am Donnerstag, 2. Juni ausgiebig diskutiert werden – ab 19.30 Uhr unter diesem Link. Alle, die sich an der Debatte beteiligen möchten, sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen.
Der "Humanistische Campus" ist ein Online-Veranstaltungsformat, das der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) Bayern zusammen mit dem Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes Anfang des Jahres 2022 ins Leben gerufen hat. Diskutiert werden dort grundlegende Fragen des säkularen, praktischen Humanismus: Welche Rolle hat der Mensch in unserer Gesellschaft? Was ist säkularer Humanismus? Was zeichnet praktischen Humanismus aus? Alle, die Lust an der Debatte und zur Weiterentwicklung eines praktischen Humanismus haben, sind herzlich eingeladen teilzunehmen. Einige bisherige Impulsvorträge des Humanistischen Campus sind auf dem Youtube-Kanal des HVD Bayern verfügbar.