Indien: Religiöse Unruhen nehmen nicht ab

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Ende Mai hatte sich die Politikerin Nupur Sharma in einer TV-Debatte kritisch zur Ehe des Propheten Mohammed mit einer Minderjährigen geäußert. Seitdem haben sich die religiösen Konflikte im Land noch einmal verstärkt. Es kam nicht nur zu diplomatischen Verstimmungen mit muslimischen Ländern, zu unzähligen Anzeigen und Bedrohungen – unter anderem von Sharma und der Moderatorin der Debatte –, sondern gar zu Morden.

Der englischsprachige indische Sender Times Now hatte am 26. Mai dieses Jahres unter anderem die damalige Sprecherin der rechten, hindu-nationalistischen Partei Bharatiya Janata Party (BJP) Nupur Sharma zu einer von Navika Kumar moderierten Debatte eingeladen. Thema sollte die im 17. Jahrhundert errichtete Gyanvapi-Moschee sein. Da diese auf den Resten des zerstörten hinduistischen Vishvanath-Tempels, der Shiva geweiht war, erbaut wurde, fordern sowohl muslimische als auch hinduistische Gläubige für sich ein, dort in einem Gotteshaus ihres Glaubens beten zu dürfen.

Im Laufe der Debatte hatte sich Sharma, wie sie es bereits in anderen Medienformaten getan hatte, zur Ehe des muslimischen Propheten Mohammed mit einer Minderjährigen und dem sogenannten Vollzug der Ehe geäußert.

Mohammed Zubair, Mitbegründer der Faktenchecker-Website Alt News, und andere teilten einen Ausschnitt mit den Aussagen der BJP-Politikerin in der Sendung. Ihr zufolge soll Zubair den Beitrag zusammengeschnitten haben und schuld an der darauf folgenden Welle der Empörung sein: Aufgebrachte muslimische Gläubige aus allen Teilen Indiens zeigten nicht nur Nupur Sharma an, sonder auch die Moderatorin Navika Kumar. Hinzu kamen bei beiden unzählige Drohungen sexualisierter Gewalt und Mordfantasien.

Muslimische Länder wie die Malediven, der Oman, die Vereinigten Arabischen Emirate, Indonesien, Jordanien, Libyen, Kuwait, Iran, Katar und Bahrain zeigten ihre Verstimmung und forderten ein klares Statement der indischen Regierung. Die BJP entschuldigte sich für die Aussagen Sharmas und entfernte sie von ihrem Posten als Sprecherin der Partei. Ebenfalls gehen musste Naveen Jindal, Medienchef der BJP, der sich ähnlich wie Nupur Sharma geäußert hatte.

Trotz der Entschuldigungen und der personellen Konsequenzen kam es zu andauernden gewaltsamen Protesten in zahlreichen Regionen Indiens. Diese kosteten bereits zwei Leben. Unter anderem das des hinduistischen Schneiders Kanhaiya Lal Teli, der Sharmas Aussagen in einem bald schon wieder gelöschten Post in einem Sozialen Medium verteidigt haben soll. Teli war im Juni von zwei muslimischen Männern, die sich zunächst als Kunden ausgaben, erstochen worden. Beide Männer hatten ihre Tat filmen lassen und wurden für den Mord festgenommen.

Anfang August wurde ein 23-Jähriger von 15 Personen mit Schwertern und anderen Waffen attackiert, weil er Sharmas Aussagen geteilt haben soll.

Obwohl sich der TV-Sender Times Now schon am Tag nach der Ausstrahlung von den Äußerungen der ehemaligen BJP-Sprecherin distanziert hatte, sieht sich die Moderatorin der Debatte noch immer mit zahlreichen Anzeigen wegen der Verletzung religiöser Gefühle und Drohungen konfrontiert. Eine Verfolgung durch die Polizei wurde jedoch ausgesetzt.

Anfang dieses Monats wurde zudem Nagendra Patel gegen eine Kaution von 25.000 indischen Rupien (knapp 310 Euro) freigelassen, der die Aussagen Sharmas im Sozialen Netzwerk Facebook geteilt hatte und im Juni festgenommen worden war. Wie es um den persönlichen Schutz beider bestellt ist, ist nicht bekannt.

Der Oberste Gerichtshof, den Nupur Sharma um Schutz vor einer Verhaftung und die Einstellung der Anzeigen gegen sie angerufen hatte, hatte sich Anfang Juli zunächst abweisend verhalten und der Politikerin vorgeworfen, mit ihrer losen Zunge für die religiösen Konflikte im Land verantwortlich zu sein. Sharma fordert die Rücknahme des Vorwurfs, da sie sonst ihr Leben lang nicht mehr vor Angriffen sicher sei.

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