Iran

Zwei Aktivistinnen wegen ihres Einsatzes für LGBTQIA+-Rechte zum Tode verurteilt

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Kundgebung für Elham und Zahra in Köln am 10. September.

Zahra Sedighi-Hamadani (31) und Elham Chubdar (24) sind vom islamischen Revolutionsgericht im nordwestiranischen Urmia zum Tode verurteilt worden. Laut der kurdischen Menschenrechtsorganisation Hengaw wird den beiden "Korruption auf Erden durch die Beförderung von Homosexualität" vorgeworfen. Da in diesem Jahr bereits über 250 Personen im Iran hingerichtet wurden, ist lauter weltweiter Protest dringend nötig, um die Aktivist*innen zu retten.

Bereits im Oktober 2021 hatte die Aktivistin Zahra Sedighi-Hamadani aus der iranischen Stadt Naghadeh, auch bekannt als Sareh, versucht zu flüchten und die Grenze vom Iran zur Türkei zu überqueren, um dort Asyl zu beantragen. Der Fluchtversuch wurde notwendig, nachdem sie im Mai 2021 bei BBC Persian berichtet hatte, unter welchen Repressionen die LGBTQIA+-Gemeinschaft in der semi-autonomen Region Kurdistan im Nordirak – in welcher sie zu der Zeit als Restaurantbesitzerin und Mutter zweier Kinder (14 und 12) lebte – leiden muss. Unmittelbar nach der Ausstrahlung war sie bereits von Asayesch, dem Geheimdienst Kurdistans, für 21 Tage gefangen genommen und gefoltert worden.

Vor ihrer Inhaftierung im Iran konnte sie noch ein Video an 6Rang, das iranische lesbische und Transgender-Netzwerk senden, in dem sie von ihrer Furcht vor einer Gefangennahme und ihrem Fluchtversuch sprach. Am 21. Oktober 2021 wurde sie schließlich vom Islamic Revolutionary Guard Corps (IRGC, dem Korps der Islamischen Revolutionsgarden) in West-Aserbaidschan, einer iranischen Provinz, festgenommen und nach Urmia ins Gefängnis gebracht. Während der 53 Tage ihrer Einzelhaft mit Beleidigungen zu ihrem vermeintlich nicht geschlechtskonformen Aussehen und ihrer Geschlechtsidentät sowie der Drohung, ihr das Sorgerecht für ihre Kinder wegzunehmen, sollten falsche Geständnisse erpresst werden. Zahra sollte zugeben, dass sie iranische Frauen zur Prostitution ins irakisch-kurdische Gebiet bringen wollte. Sie hielt dem Druck stand und legte kein falsches Geständnis ab.

Am 30. Dezember 2021 übernahm das Islamic Revolutionary Guard Corps Zahras Telegram-Kanal, tauschte ihr Profilbild gegen das Logo des Korps aus und veröffentlichte die Nachricht "Der Schutz der Familienwerte ist die rote Linie der unbekannten Soldaten von Imam Zaman [der Titel des "Mahdi", des zwölften schiitischen Imams, der als messianischer Erlöser erwartet wird – die Red.] für die Geheimdienstorganisation der Revolutionsgarden".

Am 16. Januar wurde Zahra informiert, dass ihr auch "Mofsed-e-filarz", die Verbreitung von "Korruption auf Erden" vorgeworfen wird – eine der schwerwiegendsten Anklagen im Iran –, außerdem: Kommunikation mit Medien, die gegen die Islamische Republik agieren, sowie die Bewerbung des Christentums. Die ersten beiden Anschuldigungen werden abgeleitet aus ihrer Verteidigung von LGBTQIA+-Rechten in den Sozialen Medien und aus ihrem Auftritt im BBC Persian-Beitrag. Die weitere Beschuldigung stützt sich laut Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die sich seit Monaten für Zahras Freilassung stark macht, darauf, dass die Aktivistin eine Halskette mit Kreuz getragen und vor einigen Jahren an einer Hausmesse teilgenommen habe.

Im Juli 2022 sollten Video-Aussagen außerdem die Menschenhandels-Vorwürfe gegen Zahra Sedighi-Hamadani stützen. Nach Recherchen von 6Rang zeigte sich jedoch, dass diese Aussagen von anderen Gefangenen gegen das Versprechen ihrer Freilassung erpresst worden waren. Nach Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen illegaler Einreise in den Iran im August 2022 erhielt Zahra Anfang September schließlich die Nachricht, dass sie wegen Verbreitung von "Korruption auf Erden" und somit einem schweren Verstoß gegen die Scharia-Gesetze zum Tode verurteilt worden sei.

Dieselben Anschuldigungen inklusive der Verbreitung der im Iran verbotenen Homosexualität wurden auch gegen Elham Chubdar erhoben, die gemeinsam mit Zahra Sedighi-Hamadani zum Tode verurteilt wurde. Elham, 24-jährige Besitzerin eines Brautmoden-Ladens in Urmia, hatte bis zur deren Abschaltung durch das Islamic Revolutionary Guard Corps nicht nur eine erfolgreiche Instagram-Seite, sondern trat auch in den Netz-Präsenzen ihrer Freundin Zahra auf, wo beide unter anderem ihre Beziehungen besprachen. Nach Zahra wurde auch Elham verhaftet und die Anschuldigungen gegen sie mit gefälschten Geständnissen zum Vorwurf des Menschenhandels untermauert.

Übergriffe auf Unterstützungs-Demo in Köln

Neben den Vereinten Nationen zeigen sich auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International über die Verurteilung besorgt. Allein in diesem Jahr sollen im Iran bereits über 250 zur Todesstrafe verurteilte Personen getötet worden sein. Um Zahra und Elham vor diesem Schicksal zu bewahren, ist weltweites Handeln dringend erforderlich. So müssen Homosexualität sowie die Verteidigung von LGBTQIA+ entkriminalisiert und Rechte etabliert werden.

Während in Österreich die grüne Nationalratsabgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic das iranische Urteil im Standard als "skandalösen Schuldspruch" bezeichnet und im Falle eines Vollzugs Konsequenzen im Umgang mit dem Iran fordert, müssen sich Aktivist*innen in Deutschland vor Übergriffen bei ihrer Unterstützung für das Leben und die Freiheit Zahras und Elhams fürchten. Nach Bekanntwerden des Urteils hatten Mina Ahadi, Maryam Namazie, Rana Ahmad und weitere Menschenrechtsaktivist*innen mit Protesten reagiert, die unter anderem von Deutsche Welle Persian begleitet wurden. In Köln kam es dabei zu Übergriffen. Während die Tatsache, dass zwei Frauen der Tod droht, die Störer kaum zu interessieren schien, nahmen diese jedoch Anstoß an einem Schild mit der Aufschrift "Allah is a woman" (Allah ist eine Frau), das Namazie hochhielt.

Mit "Allahu Akbar"-Rufen versuchten sie, die Proteste zu unterbrechen und ein Bedrohungsszenario aufzubauen. Eine Situation, in die die Demonstrierenden nur kommen konnten, weil nicht laut und umfassend genug gegen das brutale iranische Vorgehen protestiert wurde und sich dem nicht weit mehr Aktivist*innen für LGBTQIA+-Rechte auf der Straße entgegenstellten.

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