Joachim Meisner, der sprichwörtliche Kardinal

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Prof. Horst Herrmann, Foto: © Evelin Frerk

KÖLN. (hpd) Nun hat er aufgehört. Künftig werden sich die Medien kaum mehr mit seinen Äußerungen befassen. Der Kölner Kardinal ist im Ruhestand. Das Aufsehen, das er immer wieder erregte, hat im Übrigen von seinen Leistungen abgelenkt.

 

Denn es war kein Leichtes, gegen die öffentliche Meinung und die Mehrheit des Wahlgremiums, des Domkapitels, nach Köln zu ziehen und Deutschlands größte und reichste Diözese dann 25 Jahre lang ohne eigentliche Skandale zu leiten. Zum Vergleich: Die Diözese Limburg zählt gerade einmal knapp 700.000 Gläubige, und ihr Bischof Tebartz-van Elst, einmal als Nachfolger Meisners gehandelt, scheiterte nach relativ kurzer Zeit.

Das wäre Meisner nicht passiert. Der gelernte Bankkaufmann konnte mit Geld umgehen. Und mit seinen Meinungen ebenso. Sie waren von trotziger Kindlichkeit, wenn nicht Naivität geprägt. Sein Wahlspruch spes nostra firma (unsere Hoffnung steht fest) sprach für sich. Ein eigentlicher Theologe war Meisner, der aus einem strikt katholischen Breslauer Milieu stammte, nun einmal nicht.

Hubertus Mynarek hat 1991 seinem lesenswerten Buch über den 1983 vom Wojtyla-Papst zum Kardinal erhobenen Meisner den treffenden Titel “Erster Diener Seiner Heiligkeit” gegeben. Wie ein solcher Diener sich fühlte? Meisner sprach nie vom “Papst”, immer nur vom „Heiligen Vater“. Das gehörte sich seiner Meinung nach gerade für einen Kardinal, selbst wenn er sich mit Seiner Heiligkeit duzte (was ihm Probleme machte, wie er mir auf einem Flug nach Rom sagte, der uns zufällig zusammen brachte).

Dieser Diener übertrieb gehörig: “Ich habe ihm in meiner persönlichen Gratulation geschrieben: Heiliger Vater, wenn Jesus 80 Jahre alt geworden wäre, dann würde er aussehen wie Du. Denn Du lebst in 80-jähriger inniger Gemeinschaft mit dem Herrn.” Das steht an der Grenze zur Blasphemie.

Auch die sonstigen Ausfälle des 2003 mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband ausgezeichneten Kirchenfürsten sind berüchtigt. Ich erinnere an einige, die mich noch immer zornig machen: “Nur ein gläubiger Mensch wird auf Dauer ein friedfertiger Zeitgenosse bleiben”, eine historisch wie aktuell höchst fragwürdige Meinung. “Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet.” Noch 2007 zeigt Meisner starke Anklänge an die Nazi-Wortwahl. “Es ist bezeichnend: Wo der Mensch sich nicht relativieren und eingrenzen lässt, dort verfehlt er sich immer am Leben: zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht” (2005). “Toleranz predigt der Islam immer nur dort, wo er in der Minderheit ist” (2001). „Ähnlich wie einst die Nationalsozialisten im einzelnen Menschen primär nur den Träger des Erbgutes seiner Rasse sahen, definiert auch der Vorreiter der neuen Gottlosen, der Engländer Richard Dawkins, den Menschen als ‘Verpackung der allein wichtigen Gene’, deren Erhaltung der vorrangige Zweck unseres Daseins sei" (2009).

Meisner musste sich 2007 vom Zentralrat der Juden sogar ein “notorischer geistiger Brandstifter” nennen lassen. Ein solcher Kardinal, der sich zudem auf das fragwürdige “Gotteswerk” Opus Dei stützte, hatte keine Chance, in der Bischofskonferenz eine Mehrheit zu finden, nicht einmal als Kandidat gegen den rangniedrigeren und schwächlichen Freiburger Erzbischof Zollitsch. Doch die Gruppe hält sich schadlos. Zusammen mit den geschassten Bischöfen Mixa und Tebartz-van Elst sowie der Fürstin Gloria von Thurn und Taxis fand er sich auf dem Empfang ein, den Ratzingers Nepot Müller aus Anlass seiner Erhebung zum Kardinal als Weißwurst-Essen feierte: Man bleibt unter sich. Da lässt sich trefflich über den unpassenden Papst Franziskus reden, über diesen Fehlgriff des Heiligen Geistes.

Was aus unserem gemeinsamen Flug wurde? Er half mir in den Mantel, trug mein Gepäck. Seine Entourage, ein halbes Dutzend wohlgenährter Kleriker, glotzte. Die Frau an meiner Seite hatte er gefragt: “Heißen Sie Ursula, wie alle schönen Frauen?” Altherren-Charme nach Art des Kardinals von Köln.

Und mir hatte er gesagt, einer Kirche könne nichts Schlimmeres passieren, als unter einer goldenen Decke wie in Deutschland zu leben. Das traf meine Meinung genau. Nur habe ich zurückgefragt, warum er nichts in dieser Richtung unternehme.

Prof. Horst Herrmann