BERLIN. (hpd) Heute stellte sich in Berlin das Bündnis “Selbstbestimmung bis zum Lebensende” vor. Die beteiligten Verbände und Organisationen fordern, dass auch zukünftig die Suizidhilfe in Deutschland straffrei bleiben muss - entgegen den Plänen der neuen Bundesregierung.
Im voll besetzen Saal 3 im Haus der Bundespressekonferenz wurde heute Vormittag über ein noch viel zu häufig tabuisiertes Thema gesprochen: Hilfe zum Suizid.
In der letzten Legislaturperiode noch scheiterte ein Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition zur Verschärfung des Strafrechts, das die Beihilfe zum Suizid unter Strafe stellen wollte. Doch kaum war der neue Gesundheitsminister, Hermann Gröhe (CDU) im Amt, rief er erneut nach einem Strafrechtsparagraphen, der “organisierte Selbsttötungshilfe” verbieten soll. Ganz so, als wäre ihm die Zustimmung von drei Vierteln der Bevölkerung gleichgültig, die der Ansicht sind, dass es zum Selbstbestimmungsrecht und zur Würde jedes Menschen gehört, über sein Lebensende selbst und frei bestimmen zu können.
Christliche Moralvorstellungen
Johann-Albrecht Haupt von der Humanistischen Union (HU) wies in seinem Statement explizit darauf hin, “dass der Versuch, durch gesetzliche Regelungen, Verbote und Strafandrohungen mehr oder weniger alle ärztlichen und alle organisierten Formen freiwilliger Hilfe bei der Selbsttötung erschwert oder gänzlich verhindert werden” insbesondere “die moralische Ächtung des Wunsches, seinem Leben ein Ende zu machen” bedeutet. “Diese Ächtung”, so Haupt, “hat auch und vor allem einen religiösen Hintergrund.” Während in vorchristlicher Zeit - oder auch außerhalb des christlichen Kulturraumes - es weder “sündhaft” war - sondern in einigen Fällen sogar als “ehrenhaft” galt - hat die christliche Religion Selbstmörder als “Gottesfrevler” ausgestoßen. “Diese religiös motivierte Beurteilung darf in einem säkularen Staat aber nicht zum Maßstab staatlichen Handelns und staatlicher Gesetzgebung gemacht werden.”
Matthäus-Maier fordert Respekt
Damit aus diesen religionskritischen Worten nicht abgeleitet werden kann, dass das Bündnis generell religiösen Menschen ihre Ansichten abspricht, wies die Koordinatorin des Bündnisses, Ingrid Mattäus-Maier, mehrfach darauf hin, dass “wir respektieren, dass andere zum Beispiel auf Grund ihres Glaubens Suizid und und daher auch Suizidbegleitung ablehnen.” Es gäbe auch “keine Absicht, diese Überzeugungen irgendjemandem auszureden. Wir erwarten aber auch umgekehrt Respekt und weisen darauf hin, dass in einem religiös-weltanschaulich neutralen Staat das Strafrecht nicht dazu missbraucht werden darf, die eigene weltanschaulich-religiöse Überzeugung anderen aufzuzwingen.”
Eine Änderung des Strafrechts - und schon gar nicht die Einführung eines neuen Straftatbestandes - ist nicht notwendig. Denn das geltende Recht stellt weder den Suizid noch die Beihilfe dazu unter Strafe. Darüber verunsicherte Patienten wie auch Ärzte aufzuklären ist somit auch die hauptsächliche Aufgabe des Bündnisses.
Mattäus-Maier wies darauf hin, dass es bei einer Strafrechtsverschärfung dazu käme, dass sich “nur begüterte Sterbewillige - entweder geheim in Deutschland oder offiziell im Ausland - ärztlichen Beistand bei der Selbsttötung leisten können.”
Palliativmedizin ist nicht immer hilfreich
Von den Befürwortern einer strafrechtlichen Verfolgung von Suizidbegleitung hört man immer wieder, dass es heute nicht mehr nötig sei, darüber nachzudenken, da die Palliativmedizin heute in der Lage sei, Menschen bis an Ihr Lebensende schmerzfrei zu begleiten. Dem setzte Gita Neumann vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) einige Tatsachen entgegen, die das in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. So stellte sie klar, dass zwar jeder Platz in einem Hospiz von der Allgemeinheit mit 250 Euro am Tag finanziert wird (so dass er für Patienten völlig kosten- und zuzahlungsfrei ist) - es allerdings eine nur sehr selten öffentlich gemachte Einschränkung gibt: “Die stationäre Hospitzversorgung ist nach § 39 SGB V (Sozialgesetzbuch) beschränkt auf überschaubare letzte Lebenstage oder -wochen, was zu über 90 Prozent nur auf Krebskranke im Endstadium zutrifft und nur gut 1 Prozent der Bevölkerung in Anspruch nehmen kann.” Alle anderen, kranken und leidenden Menschen sind also davon schon per Gesetz ausgeschlossen. Das gilt auch für Menschen, die in Pflegeheimen leben.