„Wir können ihre Stimme sein!“

Samstagmittag. Die Wochenendausgabe der Frankfurter Rundschau wird herumgereicht, sie hat ein grünes Titelblatt der Solidarität. In der Sonne sind unter dem Schutzzeltdach die Planen und Teppiche ausgebreitet. Vier Polizisten kontrollieren das durchgehende Schutzdach, gestern Abend stand es noch nicht auf dem Platz. „Woher kommt das Zelt?“ Eine Diskussion in der Gratwanderung mit Begriffen ob „Zelt“ oder „Schutzplane“ vertreibt die Zeit. Mikrofone, Boxen werden aufgestellt, zum Schweigen im Gedenken an die Ermordeten.

Farin Fakhari, die zur Gruppe der „United 4 Iran“ gehört, die den weltweiten Prostest organisiert, ist mit der Unterstützung zufrieden. „Wir haben in den letzten Tagen so viel Unterstützung erhalten, was wir nicht erwartet hatten.“ Den Eindruck, dass der Protest auch dadurch eine andere Qualität hat, weil sich so viele Frauen daran beteiligen, bestätigt sie lächelnd. „Ja, er ist fröhlicher, herzlicher, teilweise auch spontaner, als wenn Männer federführend sind. Das hat in der iranischen Geschichte aber Tradition, dass es immer eine starke Frauenbewegung gab.“ Sie betont, dass es in der westlichen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden sei, wie schwierig es für die Regierung im Iran gewesen sei, den Frauen den Schleier aufzuzwingen. Das habe Jahre gedauert und musste mit Gewalt erzwungen werden. Sie verweist zudem darauf, wie stark der Gegensatz zwischen dem privaten und dem öffentlichen Leben sei und dass Kinder bereits darauf trainiert werden müssen, in der Öffentlichkeit niemals zu erzählen, wie es bei ihnen zu Hause zuginge. „Ein Freund von mir sagt immer als Spaß, mit dem Kern einer traurigen Wahrheit: ‚Wir sind nicht 60 Millionen Iraner, wir sind 120 Millionen’. Nicht umsonst gibt es im Kino und in der iranischen Kultur eine doppelte Ebene, in der nur versteckt ausgedrückt werden darf, was man meint.“ Dieser Rückzug in den 1980er Jahren ins Privatleben würde jetzt wieder in die Öffentlichkeit zurückkehren. Die Jüngeren würden über die modernen Medien ja sehen, wie das Leben außerhalb des Iran sei und wollten auch so leben.

Auch in verschiedenen anderen Gesprächen wird deutlich, wie sehr die Menschen hier sich mit dem Land beschäftigen, in dem sie groß geworden sind. Auch wenn Frauen in Deutschland geheiratet haben und jetzt hier mit ihren Kindern leben, bleibt diese Verbundenheit. Eine meinte fröhlich: „Das grüne Flugzeug ist schon bestellt und natürlich werden wir damit in den Iran fliegen, und sei es nur zum Besuch.“

 

Zur Erinnerung an ihre eigenen Vergangenheit hat eine der Frauen die Kleidung angezogen, mit der sie ständig im Gefängnis gehen mussten, wenn sie die Zellen verließen: Schador und eine spezielle Augenbinde. So konnten sie gerade noch ihre Füße sehen und wohin sie die Füße setzten, mehr nicht. Die Peiniger und Folterer wollten nicht erkannt werden und so sind bis heute von den Tausenden der Peiniger nur wenige persönlich bekannt geworden.