KÖLN. (hpd) Am 7. Mai jährt sich in diesem Jahr zum dritten Mal der "Worldwide Day of Genital Autonomy", dem wie bereits in den beiden Vorjahren mit einer Demonstration und Kundgebung in Köln gedacht wird.
Mit dem Urteil des Kölner Landgerichts vom 7. Mai 2012, in dem eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Jungen als unzulässige Körperverletzung gewertet wurde, rückte das Thema "Beschneidung" von Jungen ins öffentliche Bewusstsein.
Das "Beschneidungsgesetz" vom 12.12.2012 stellt einen traurigen und hilflosen parlamentarischen Versuch dar, diese öffentliche Debatte durch ein verfassungswidriges Gesetz zu beenden – stellten doch zunehmend mehr Menschen die Legitimität von Vorhautamputationen in Frage, obwohl die rechtliche und sexualmedizinische Aufklärung zum Thema in den Medien oftmals lückenhaft oder sogar von Fehlinformationen geprägt war.
Dennoch war die Debatte nicht mehr rückgängig zu machen: Die ersten männlichen Betroffenen trauten sich, mit ihrer Leidensgeschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, viele Menschen nahmen das Thema "Jungenbeschneidung" erstmals als diskussionswürdiges Problem wahr und wollten sich näher informieren. Nicht zuletzt begannen auch mehrere Organisationen, wie z. B. pro familia, eine Position gegenüber Vorhautamputationen zu entwickeln und es formierte sich ein breites Bündnis für ein Menschenrecht auf genitale Unversehrtheit, das die Aktion Pro Kinderrechte, MOGiS e.V., den Bundesverband der Kinder-und Jugendärzte (BVKJ), Terres des Femmes und vielen weitere Unterstützer umfasste. Auch die Gründung des gemeinnützigen Vereins "intaktiv - eine Stimme für genitale Selbstbestimmung" ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Entwicklung.
Bei all diesen Fortschritten sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Verletzungen der genitalen Integrität von Jungen, Mädchen und intersexuellen Kindern international unverändert weit verbreitet sind und somit eine international organisierte Aufklärungsarbeit erfordern. intaktiv und MOGiS stehen daher in engem Kontakt mit der 2008 gegründeten britischen Organisation Genital Autonomy, die seit mehreren Jahren gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern (wie z. B. NoCirc-USA) jährliche internationale Konferenzen organisiert, die abwechselnd in den USA und in Europa stattfinden. In Zusammenarbeit mit Genital Autonomy ist es nun gelungen, erstmals eine Genital Autonomy-Konferenz in Deutschland zu organisieren.
Die Konferenz mit dem Titel "Myths and multiple standards" wird am 8. und 9. Mai 2015 im Haus der Jugend in Frankfurt am Main stattfinden. Die internationale Referentenliste umfasst unter anderem:
J. Steven Svoboda - der US-amerikanische Anwalt und Gründer der Organisation "Attorneys for the Rights of the Child" kontrastiert in seinem Vortrag "The rights of the child vs the rights of the parent?"
Mina Ahadi - die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime und des Internationalen Komitees gegen Steinigung und Todesstrafe gibt Antworten auf die Frage, was gegen Beschneidung von Jungen in "islamischen Ländern" getan werden kann
Shemuel Garber - der Student und Autor der Bachelorthesis "The circular cut: Problematizing the longevity of civilisation´s most aggressively defended amputation" stellt die Zusammenhänge zwischen kulturellen, religiösen und medizinischen Rechtfertigungen für Vorhautamputationen dar
Kaan Göktas - der türkische Journalist und Autor eines in der Türkei publizierten Buches über die Tradition der männlichen "Beschneidung" im Zusammenhang mit dem Islam, Sexualität und Kinderrechten berichtet über männliche Genitalverstümmelung in der Türkei
Susana Rocha-Teixeira - das Thema der Aktivistin von Terres des Femmes ist "Myths and Multiple Standards with Regards to Body Modifications"
Markus Bauer - der Mitbegründer der Organisation "Zwischengeschlecht", die sich für das Recht auf genitale Unversehrtheit von Intersexuellen und somit gegen erzwungene Geschlechtsangleichungen an Kindern einsetzt, greift die Sitzung der UN-Kommission für Kinderrechte auf, in der Anfang 2015 Genitalverstümmelungen an Intersexuellen als "schädliche Praktik" bezeichnet wurden
Marlene Rupprecht - die SPD-Politikerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete sowie Angehörige der Kinderkommission des deutschen Bundestages berichtet über die 2013 verabschiedete Resolution des Council of Europe zur körperlichen Unversehrtheit von Kindern und weitere Schritte zu diesem Ziel
Die Vorträge werden englischsprachig sein, mit Ausnahme der Rednerinnen Mina Ahadi und Marlene Rupprecht, die auf Deutsch referieren werden.
Weitere Information zum Konferenzprogramm und zur Buchung sind der Webseite von intaktiv zu entnehmen: intaktiv.de/genital-autonomy–2015-in-frankfurt/
Für Fragen zur Konferenz und zur Online-Buchung steht der Vorstand von intaktiv gerne unter vorstand[at]intaktiv.de zur Verfügung.