BERLIN. (hpd/ai) Tausende Menschen wurden im Juli 1995 beim Massaker von Srebrenica umgebracht. Auch 20 Jahre danach warten die Familien der Opfer immer noch darauf, dass die Behörden ihnen helfen und dass die Verantwortlichen für das Massaker vor Gericht gestellt werden.
Am 10. und 11. Juli 1995 griff die bosnisch-serbische Armee unter der Führung von Ratko Mladić die UN-Schutzzone Srebrenica im Osten von Bosnien und Herzegowina unter den Augen der dort stationierten UN-Soldaten an. In den folgenden Tagen wurden über 8.000 Männer und Jungen ermordet und in Massengräbern verscharrt.
Viele der Opfer wurden in den letzten Jahren exhumiert, identifiziert und konnten von ihren Angehörigen an der Gedenkstätte in Potočari nahe Srebrenica beerdigt werden. Dennoch werden noch etwa 1.000 Opfer des Massakers immer noch vermisst. Insgesamt ist das Schicksal von etwa 8.000 "Verschwundenen" des Krieges in Bosnien und Herzegowina immer noch ungeklärt.
"Es ist beschämend, dass auch 20 Jahre nach dem Massaker die Familien immer noch nicht einmal die Hilfe bekommen, die ihnen gesetzlich zusteht", sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. "Es ist das mindeste, dass die bosnische Regierung endlich das 2004 beschlossene 'Gesetz für vermisste Personen' umsetzt. Die Internationale Gemeinschaft muss mit Nachdruck auf die Aufklärung der Verbrechen und die Umsetzung des Gesetzes dringen und den zuständigen Behörden Unterstützung anbieten, damit das Schicksal der 'Verschwundenen' endlich aufgeklärt und die Verantwortlichen zu Rechenschaft gezogen werden."
Bosnien und Herzegowina hat im Oktober 2004 das "Gesetz für vermisste Personen" beschlossen. Dieses Gesetz verpflichtet den Staat, "Verschwundene" zu suchen und zu identifizieren. Es erkennt die sozialen und wirtschaftlichen Rechte ihrer Familien an und verpflichtet den Staat zur Einrichtung eines Fonds für deren Unterstützung.
"Die Familien der 'Verschwundenen' sind durch dieses Verbrechen dauerhaft traumatisiert", stellt Çalışkan fest. "Eine Aufklärung des Schicksals der Opfer und eine Wiedergutmachung für die Angehörigen sind die einzigen Mittel, die das Leid der Angehörigen zumindest etwas lindern können." Amnesty International fordert die Regierung von Bosnien und Herzegowina auf, das "Gesetz für vermisste Personen" endlich umzusetzen und insbesondere den Fonds für die Unterstützung der Familien der Opfer unverzüglich einzurichten.
"Auch das Veto Russlands gegen die Srebrenica-Resolution diese Woche im UNO-Sicherheitsrat ist ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen", sagt Çalışkan. "Es ging in der Resolution um mehr als um die Anerkennung des Massakers als Genozid. Es ging auch um die langfristige Unterstützung für die Überlebenden, auch der Überlebenden von sexualisierter Gewalt und um die Aufklärung des Schicksals der immer noch über 8.000 Vermissten des Krieges in Bosnien."
Pressemitteilung von Amnesty International