BERLIN. (hpd/hvd) Der Humanistische Verband Deutschland (HVD) sieht nach dem Beschluss zur Verfassungsbeschwerde der Gewerkschaft ver.di keinen Anlass zur Einstellung von Diskussionen über notwendige Reformen beim kirchlichen Arbeitsrecht.
"Hinsichtlich des Anwendungsbereichs des kirchlichen Arbeitsrechts besteht unverändert politischer Handlungsbedarf. Daran hat der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nichts geändert. Der sogenannte Dritte Weg befindet sich weiterhin unter hohem Legitimations- und Reformdruck", sagte der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Frieder Otto Wolf, zu der jetzt erst veröffentlichten Entscheidung (2 BvR 2292/13).
Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in dem Beschluss vom 15. Juli 2015 eine Beschwerde der Gewerkschaft ver.di als unzulässig abgewiesen, welche sich damit gegen die Begründung eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts zum Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen wandte. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wurde mit dem Fehlen der Beschwerdebefugnis begründet. Die Gewerkschaft drückte in einer ersten Stellungnahme Bedauern über die Entscheidung aus, sieht aber zunächst keine negativen Auswirkungen auf das gewerkschaftliche Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen. Die Entscheidungsgründe wolle man nun eingehend juristisch prüfen, teilte ver.di mit.
Der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands sagte weiter, dass er trotz des wohlwollenden Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom November 2012 kein Verständnis für den immer noch weiten Anwendungsbereich des Dritten Wegs habe. "Angesichts einer meist fast und teilweise vollständigen Finanzierung der meisten Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft aus den Mitteln des Sozialstaats bzw. den Entgelten der Leistungsempfänger bedürfen die gesetzlichen Grundlagen des kirchlichen Arbeitsrechts umfassenderen Veränderungen, die sowohl die legitimen Interessen kirchlicher Träger wie auch die aller Arbeitnehmer in einen angemessenen Ausgleich zu bringen in der Lage ist. Warum die Bestimmungen des kollektiven und individuellen Arbeitsrechts für Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen oder Bewerber auf entsprechende Stellen generell nicht zur Anwendung kommen sollten, ist aus unserer Perspektive jedenfalls nicht einsichtig", so Frieder Otto Wolf.
Das bestehende kirchliche Arbeitsrecht benachteilige ohne gute Gründe sowohl Beschäftigte in den kirchlich getragenen Einrichtungen wie auch Arbeitnehmer, die keiner christlichen Konfession angehören, da letztere pauschal von der Mitarbeit ausgeschlossen werden dürfen. "Dies betrifft auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Arbeitsbereichen, die keinen wirklichen Verkündigungsauftrag bzw. kein erkennbar religiöses Profil haben", betonte Wolf, wie etwa Verwaltungsangestellte, Chirurgen, Techniker oder Pflege- und Reinigungspersonal. Verstärkt würden die bestehenden Probleme dadurch, dass kirchliche Arbeitgeber eine marktbeherrschende Position im sozialen Sektor und mitunter auch Monopolstellungen besitzen. Zudem rufe das Nebeneinander unterschiedlicher arbeitsrechtlicher Regelungen für in der Alltagswahrnehmung gleiche Berufstätigkeiten bei den Beschäftigten unnötige Unsicherheiten und Unklarheiten bezüglich ihrer Rechte und Ansprüche hervor.
Frieder Otto Wolf bekräftigte daher die Forderung, künftig die "Sonderstellung des kirchlichen Arbeitsrechts auf den im engsten Sinne verkündigungsnahen Bereich" zu begrenzen. Zudem sollten alle darüber hinausgehenden Sonderregelungen jenseits des legitimen Tendenzschutzes, die zur Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund ihrer weltanschaulichen bzw. religiösen Überzeugungen führen, gestrichen werden.
Pressemitteilung des Humanistischen Verbandes (HVD)