BONN. (hpd) Der Politikwissenschaftler und Soziologe Björn Wendt untersucht in seinem Buch "Die Bilderberg-Gruppe. Wissen über die Macht gesellschaftlicher Eliten" das Wissen von Medien, Politik und Verschwörungsanhängern zur genannten Gruppe. Dabei macht er deren strukturellen Blindheiten und Verzerrungen deutlich, kann aber – was indessen auch nicht sein Ansatz ist - letztendlich auch keine Einschätzung zur politischen Relevanz der "Bilderberger" vornehmen.
Die "Bilderberg"-Gruppe ist im Internet ein Objekt wilder Verschwörungsvorstellungen. Sie gilt manchen Konspirationsanhängern als eigentliches Machtzentrum der internationalen Politik. Belege gibt es für diese Auffassungen zwar nicht, was deren inflationäre Verbreitung indessen nicht einschränkt. Immerhin gibt es eine "Bilderberg"-Gruppe, was ja nicht für alle behaupteten Verschwörungsakteure zutrifft.
Seit 1954 treffen sich Angehörige der gesellschaftlichen Elite aus Politik und Wirtschaft zu Konferenzen und sprechen über die Entwicklungstendenzen in den internationalen Beziehungen. Da sich der elitäre Kreis von der Öffentlichkeit abschottet und nur wenige Journalisten über diese Treffen berichteten, kamen entsprechende Konspirationsvorstellungen auf. Dagegen kann man schon mit der schlichten Bemerkung gegensteuern, dass eine “geheime Weltregierung” nur bei einem einmaligen Treffen in einem Jahr wohl schwerlich die ganzen politischen Prozesse regeln und steuern könnte. Doch was ist denn nun eigentlich die "Bilderberg"-Gruppe?
Da man diese Frage mangels genauer Kenntnis über Abläufe und Wirkungen nicht beantworten kann, hat der Politikwissenschaftler und Soziologe Björn Wendt in seiner Studie einen anderen Ansatz gewählt. Darin heißt es bereits zu Beginn, untersucht werde "weder die Macht, noch die Ohnmacht der Bilderberg-Gruppe". Es gehe vielmehr darum, "was spezifische gesellschaftliche Akteure über die Macht und Ohmacht der Bilderberg-Gruppe wissen" (S. 3).
Demnach wird die Frage, handelt es sich um einen Debattierclub oder ein Machtzentrum, letztendlich gar nicht beantwortet oder erörtert. Statt dessen soll mit einer Dokumentenanalyse im Sinne einer qualitativen Inhaltsanalyse eine machttheoretisch und wissenssoziologisch orientierte Untersuchung erfolgen. Als Vorbereitung darauf dienen die methodischen Anmerkungen zur empirischen Elite- und Machtforschung, die man auch als Einführung in diesem sozialwissenschaftlichen Bereich lesen kann. Erst danach folgt der Kern der Studie über den öffentlichen Diskurs über die Macht der "Bilderberg"-Gruppe, wobei drei Ebenen unterschieden werden:
Zunächst geht es um die Medien, dann um die Politik und dann um die Verschwörungsideologen. Wendt fragt jeweils danach, wie sich diese Akteursgruppen ihre Kenntnisse über die "Bilderberger" aneignen und welche Macht sie ihr zuschreiben. Der Autor geht davon aus, dass in jedem der Bereiche strukturelle Blindheiten und Verzerrungen über die Bedeutung und den Einfluss der Gruppe bestünden. Gleichwohl kann man diese schlecht aufgrund des geringen sicheren Wissens über deren Macht einschätzen. Im Fazit heißt es: "Die schwierigste Herausforderung in Bezug auf die Frage nach der Macht der Bilderberg-Gruppe bliebt das Führern handlungstheoretischer Nachweise, die es erlauben, Verbindungen zwischen den Bilderberg-Konferenzen und weltpolitischen Ereignissen herzustellen, also aufzuzeigen, wie genau sich Geldmacht auf der Mikroebene in politische Macht auf der Makroebene transformiert" (S. 192).
Wer demnach von der Lektüre der Arbeit eine Darstellung und Einschätzung der Macht eben dieser "Bilderberg"-Gruppe erwartet, der wird mehr als nur enttäuscht sein. Genau dies ist nicht das Thema von Wendt. Indessen stellt sich die Frage, ob eine Auseinandersetzung mit den Auffassungen der genannten drei Akteuren zur Macht der Gruppe so erkenntnisfördernd ist. Zutreffend werden Besonderheiten herausgearbeitet wie etwa die geringe Berichterstattung der Medien aufgrund der Geheimhaltung der Inhalte von Treffen oder die Kritik aus den eher "linkeren" Parteien aufgrund der fehlenden Transparenz der Gruppe.
Bei den Ausführungen zu den Konspirationsanhängern hätte man sich etwas mehr zur Dekonstruktion von deren Zerrbildern gewünscht. In der Gesamtschau legt Wendt aber eine methodisch gut entwickelte Analyse zur Wahrnehmung der "Bilderberg"-Gruppe als Bestandteil der gesellschaftlichen und politische Elite vor. Eine andere Perspektive wäre indessen erkenntnisfördernder und spannender gewesen – war aber nicht sein "Ding".
Björn Wendt, Die Bilderberg-Gruppe. Wissen über die Macht gesellschaftlicher Eliten, Göttingen 2015 (Optimus-Verlag), 256 S., 69,90 Euro
3 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Seitdem bekannt ist, dass Leute wie Gabriel und Guttenberg zu den Bilderbergern eingeladen werden, habe ich die Beschäftigung mit diesem Thema unter "unwesentlich" abgelegt.
Stefan Dewald am Permanenter Link
Da erlaube ich mir doch aus der Wikipedia zu zitieren:
»Niemand glaubt ernsthaft daran, von diesen Treffen könne irgendeine Wirkung ausgehen. In Wirklichkeit sind sie nur eins: Freizeitgestaltung in ihrer distinguiertesten Form«
https://de.wikipedia.org/wiki/Bilderberg-Konferenz#Auswirkungen
Tom Gold am Permanenter Link
Aber gerade die beiden genannten verhalten sich nicht "typisch" sozialdemokratisch (Arbeiter, Gewerkschaften) oder christlich/sozial/konservativ (Doktorarbeit, Wehrpflicht)....