Verbot der Suizidhilfe

Ein schwarzer Tag für die Liberalität in Deutschland

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Rolf Schwanitz
Rolf Schwanitz

BERLIN. (hpd) Heute hat der Bundestag ein strafrechtliches Verbot der Suizidhilfe in Deutschland beschlossen. Die Entscheidung fiel eindeutig aus: Mit 360 Ja-Stimmen gegen 233 Nein-Stimmen und bei 9 Enthaltungen bekam der Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (Antrag Brand/Griese) die nach der Geschäftsordnung des Parlaments erforderliche Mehrheit.

Zuvor war bereits über alle vier miteinander konkurrierenden Gesetzentwürfe in einem sogenannten Stimmzettelverfahren parallel abgestimmt worden. Dabei lagen zwei Gesetzentwürfe vorn: Der strafrechtliche Verbotsantrag Brand/Griese erhielt bei dieser Parallelabstimmung 309 Stimmen und der zweitplatzierte zivilrechtliche, gegen ein Verbot gerichtete Gesetzentwurf der Gruppe Hinze/Reimann/Lauterbach erhielt 128 Stimmen.

Mit der heutigen Entscheidung werden ab Inkrafttreten des Gesetzes in Deutschland Personen, die von einem eigenverantwortlich handelnden Suizidwilligen um Hilfe gebeten werden, mit Strafe bedroht. Diese Strafandrohung richtet sich nicht nur gegen die wenigen hier tätigen Sterbehilfevereine, sondern auch gegen Ärzte, die zur Suizidassistenz bereit sind. Selbst Angehörige, die sich nicht nur gegenüber dem Sterbewilligen, sondern auch gegenüber einem weiteren Familienmitglied zur Suizidhilfe bereit erklären, müssen künftig mit Strafverfolgung rechnen.

Es gehört nur wenig Phantasie dazu anzunehmen, dass die Auswirkungen dieser Verbotsnorm verheerend sein werden. Suizidwillige bleiben in Deutschland ohne Hilfe und Beratung. Ärzte werden ihre Bereitschaft dazu völlig einstellen. Damit wird auch die Chance für eine wirksame Suizidprävention vertan, denn hierzu wäre eine Gesprächs- und Handlungsfreiheit im ärztlichen Vertrauensverhältnis unabdingbar. Letztendlich wird das Gesetz auch ein Konjunkturprogramm für den Sterbehilfetourismus ins liberalere Ausland werden, mit all den menschlichen und sozialen Verwerfungen, die damit verbunden sind.

Diese Entscheidung ist auch rechtspolitisch reaktionär, denn sie beendet eine rund 150jährige Rechtstradition, nach der in Deutschland neben der Straffreiheit des Suizids auch die Suizidbeihilfe nicht unter Strafe gestellt war. Nicht nur für die übergroße Mehrheit der Deutschen ist dieser Wandel absurd. Auch für die Mehrheit der Strafrechtswissenschaftler in Deutschland ist dies ein rechtssystematischer Bruch ersten Ranges, denn erstmalig wird nun bei uns die Beihilfe als Nebenhandlung strafbar, obwohl die Haupttat, die Selbsttötung, straffrei ist.

Der heutige Beschluss des Bundestages ist auch ein schwarzer Tag für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen und für die Liberalität in unserem Land. Der berühmte US-amerikanische Moral- und Rechtsphilosoph Ronald Dworkin schrieb schon 1993 im Zusammenhang mit der Diskussion über den assistierten Suizid: "Jemand zu einer Form des Sterbens zu nötigen, die anderen zusagt, die er selbst aber als grausamen Widerspruch zu seinem Leben empfindet, ist eine düstere, destruktive Form der Tyrannei." Solchen Zuständen sind wir heute leider einen Schritt näher gekommen.

Rolf Schwanitz via Facebook - mit freundlicher Genehmigung des Autors.