Konfessionsfreie Amerikaner sind politisch exorbitant unterrepräsentiert

Abgeordnete im US-Kongress überwiegend christlich

kyrsten_sinema.jpg

Kyrsten Sinema
Kyrsten Sinema

Fast ein Viertel aller US-Bürger ist religiös ungebunden, und es werden seit Jahren mehr. Ihre politische Repräsentation im US-Kongress, der zweieinhalb Wochen vor der Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident seine Arbeit aufgenommen hat, ist jedoch marginal. Gläubige haben in den USA exorbitant bessere Chancen, ihre Anliegen politisch durchzusetzen.

Die Demokratin Kyrsten Sinema aus Phoenix im US-Bundesstaat Arizona ist weiterhin ein Unikum. Sie ist wie schon in der vorangegangenen Legislaturperiode die einzige Abgeordnete im 115. US-Kongress, die angegeben hat, religiös ungebunden zu sein. Dies geht aus der standardisierten Auswertung des Pew Research Center zur religiös-weltanschaulichen Zusammensetzung von Repräsentantenhaus und Senat hervor. Sinema steht damit weiterhin vor einer Mammutaufgabe. Bei ihr werden sich die weltanschaulich-religiösen Anliegen der knapp 75 Mio. konfessionsfreien Amerikaner (23 Prozent der Bevölkerung) stapeln.

Wie stark die gesellschaftliche Zusammensetzung von der politischen Vertretung abweicht, wird mit Blick auf die genauen Zahlen deutlich:

Zusammensetzung des US-Kongresses nach Religionszugehörigkeit
Zusammensetzung des US-Kongresses nach Religionszugehörigkeit

Demnach werden die etwa 230 Mio. Christen in den USA von 485 Abgeordneten vertreten. Oder anders ausgedrückt, auf jeden christlichen Abgeordneten kommen 475.000 Christen. Die zweitgrößte Gruppe, die 75 Mio. Konfessionsfreien, sind nur durch Kyrsten Sinema repräsentiert. Es folgen die knapp 6,5 Mio. jüdischen Amerikaner, deren Interessen von insgesamt 30 Politikern wahrgenommen werden. Hier liegt das Verhältnis der politischen Repräsentation bei 1:216.000. Die etwa drei Mio. Amerikaner, die sich in Umfragen nicht zu ihrer religiös-weltanschaulichen Haltung äußern, werden von zehn Abgeordneten vertreten (1:300.000), die etwa gleich großen Gruppen der Moslems, Hinduisten und Buddhisten von jeweils zwei bzw. drei Abgeordneten (1:500.000 bzw. 1:300.000).

Die Abweichungen der politischen Repräsentanz zwischen Repräsentantenhaus und Senat sind aufgrund der klaren Verteilung der weltanschaulich-religiösen

Präferenz der Abgeordneten politisch nahezu unbedeutend. Im Senat sind proportional etwas mehr jüdische Abgeordnete als im Repräsentantenhaus, entsprechend umgekehrt verhält es sich bei den christlichen Abgeordneten. Darüber hinaus gibt es geringe proportionale Verschiebungen der Repräsentanz innerhalb des christlichen Spektrums.

Unabhängig davon sind die Gläubigen in den USA in beiden Häusern des Kongresses überproportional zu ihrem Bevölkerungsanteil repräsentiert. Sie haben damit auch exorbitant bessere Chancen als Konfessionsfreie, ihre Anliegen politisch durchzusetzen. Dies ist vor dem Hintergrund des steigenden Anteils der religiös ungebundenen Amerikaner an der Gesamtbevölkerung für die Kirchen und evangelikalen Bewegungen von immenser Bedeutung. Dabei sind die Republikaner die "feste Burg" für deren Anliegen. 291 der 293 republikanischen Abgeordneten im 115. Kongress gaben an, christlichen Glaubens zu sein, die verbleibenden zwei Abgeordneten sind jüdischen Glaubens. Die Demokraten bringen etwas mehr Vielfalt in den Kongress, sie stellen 204 Politiker christlichen Glaubens, 28 Politiker jüdischen Glaubens, die Abgeordneten der anderen Glaubensrichtungen sowie Kyrsten Sinema, die einzige Konfessionsfreie. Dies entspricht in etwa auch der Zusammensetzung der vorherigen US-Kongresse, die historischen Veränderungen der Repräsentanz der einzelnen Glaubensrichtungen sind laut Auskunft des Pew Research Center marginal. Allerdings habe in den letzten Jahrzehnten eine Verschiebung der politischen Repräsentanz innerhalb des christlichen Spektrums stattgefunden. Von 1961 bis 2017 sank der Anteil der protestantischen Abgeordneten von 75 auf 56 Prozent, der Anteil der Katholiken stieg im gleichen Zeitraum von 19 auf 31 Prozent.

Größere Verwerfungen innerhalb des christlichen Spektrums sind unter Donald Trump nicht zu erwarten. Wenn Trump am 20. Januar als US-Präsident eingeführt wird, zieht mit dem designierten Vize-Präsidenten Mike Pence ein religiöser Hardliner mit ins Weiße Haus ein. Der ehemalige Gouverneur des US-Bundesstaates Indiana ist während seiner politischen Karriere vom katholischen ins evangelikale Lager gewechselt. Er fungiert als Bindeglied zwischen den einzelnen christlichen Gruppen. Pence ist bekennender Abtreibungsgegner und Verfechter des Intelligent Design, das sich in seinem Bezug auf eine höhere Instanz bei der Entstehung der Welt direkt gegen die Evolutionstheorie richtet.

Die 15-seitige Auswertung des Pew Research Center steht hier zum Download zur Verfügung.