Peter Thiel ist ein deutschstämmiger Milliardär, ein wichtiger Unterstützer Donald Trumps und – wenn man den Autoren einer Podcast-Serie über Thiel glauben schenken möchte – "der Strippenzieher hinter dem kulturellen Rechtsruck in den USA". Wer ist dieser Mann, woran glaubt er und ist er wirklich die Graue Eminenz des aktuellen Rechtsrucks?
Peter Thiel wurde 1967 in Frankfurt am Main geboren. Als er ein Jahr alt war, wanderten seine Eltern mit ihm in die Vereinigten Staaten aus. Später studierte er Philosophie in Stanford und schloss sein Studium 1989 mit einem Bachelor of Arts ab. Bereits zu dieser Zeit zeigten sich Thiels politische Einstellungen, zum Beispiel, als er 1987 zusammen mit Norman Book The Stanford Review gründete, eine Studentenzeitung, die sich gegen eine "laute Minderheit" am Campus wendete, deren Einstellungen angeblich nicht mit den Ansichten der Mehrheit der Studentenschaft Stanfords übereinstimmten. Die Zeitung verstand sich in ihrer Selbstbeschreibung als ein Organ, das rationale Debatten ermöglichen und unpopuläre Ansichten aussprechen wollte, wobei die dort geäußerten Standpunkte den reagan'schen Mainstream abbildeten, in dessen Amtszeit die Gründung von The Stanford Review fiel. Inwiefern es also "unpopuläre" Meinungen waren, ist fraglich.
Nach dem Studium der Philosophie erlangte Thiel 1992 einen Juris Doctor und arbeitete zunächst als Jurist und später als Derivatehändler. Seiner Weltanschauung blieb er auch in dieser Phase treu und veröffentlichte 1999 zusammen mit David Sacks das Buch The Diversity Myth: "Multiculturalism" and the Politics of Intolerance at Stanford. In diesem Buch zeigt er eine Nähe zum konservativen Ökonomen Thomas Sowell, plädiert für eine strikte Meritokratie und klagt an, dass die Quotenprogramme für Minderheiten (in den USA affirmative action genannt) nur einer bessergestellten Gruppe unter diesen Minderheiten zum Vorteil gereichen würden, tatsächlich Förderbedürftige, egal welcher ethnischen Gruppe, aber nicht erreichen würden. Schon damals wandte er sich gegen diversity, der er vorwarf, nicht das zu fördern, was sie vorgab zu fördern.
Vermutlich würde heute trotz der Episode in Stanford und seinem Buch 1999 niemand Peter Thiel kennen, wäre er nicht 2000 einer der Mitgründer von PayPal gewesen und damit reich geworden. Sehr reich. So reich, dass er 2016 über 10 Millionen US-Dollar für die Kampagne an Donald Trump gespendet hat. Und hier nähern wir uns dem Grund, warum Peter Thiel in einem Podcast des Deutschlandfunk als "der Strippenzieher hinter dem kulturellen Rechtsruck in den USA" bezeichnet wird. 2016 war er einer der ersten aus dem Silicon Valley, die Donald Trump unterstützten, zu einer Zeit, als die Tech-Branche noch tendenziell eher den Demokraten zuneigte. Wie wir heute wissen, hat Thiel damit auf das richtige Pferd gesetzt. Den Wahlabend, an dem sich dies zeigen würde, soll Thiel zusammen mit Curtis Yarvin, Blogger und Vordenker der sogenannten Dunklen Aufklärung, verbracht haben.
2022 förderte er jüngere, dem Rechtspopulismus zuneigende Kandidaten der Republikaner, unter anderen Josh Hawley, Senator für den Bundesstaat Missouri, und JD Vance, der 2022 als Senator für Ohio kandidierte. Interessant ist, dass Josh Hawley während seiner Universitätszeit ebenfalls für The Stanford Review geschrieben hat. JD Vance unterstützte Thiel nicht nur mit 10 Million Dollar für dessen Wahlkampf, er stellte ihn auch Donald Trump als möglichen Kandidaten für den Posten des US-Vizepräsidenten vor. Für den Wahlkampf Trumps 2024 soll Thiel aber nichts mehr gegeben haben. Mit Elon Musk verbindet Thiel schon länger ein kompliziertes Verhältnis, bestehend aus Rivalität und gegenseitigem Respekt, seit ihrer gemeinsamen Zeit bei PayPal. Musk übernahm dann zwischenzeitlich die Leitung der Behörde DOGE (Department of Governmental Efficiency) unter der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps.
Ist damit gezeigt, dass Thiel der Strippenzieher im Hintergrund ist, der all die anderen Figuren (Trump, Musk, Vance, Yarvin) steuert? Eher nicht. Zwar ist Thiel mit allen bekannt und mit manchen auch enger befreundet, es scheint sich aber um einen allgemeinen Netzwerkeffekt zu handeln. Donald Trump hat sicher vom Geld Thiels während seines Wahlkampfes 2016 profitiert, die Idee anzutreten hatte Donald Trump jedoch ohne Thiels Zutun entwickelt, und die Berichterstattung der Medien und die Fehler seiner Konkurrentin Hillary Clinton hatten sicherlich mehr zum Erfolg Trumps beigetragen als die Unterstützung Thiels, auch wenn diese trotzdem wertvoll war. Auch Musks zwischenzeitliches Engagement in der zweiten Regierung von Trump scheint weniger auf Thiels Einfluss und mehr auf die Internetkultur zurückzuführen zu sein, die Trump ins Amt getragen hat. Allein der Name DOGE ist eine Anspielung auf verschiedene Internet-Memes, und die ersten Vorschläge in diese Richtung kamen von anonymen Trollen auf Twitter. Auch Curtis Yarvin, seit 2009 mit Thiel bekannt und ein Profiteur von dessen "Thielbucks" (der "Thielkohle") hat sich seine Follower auf seinem 2007 gestarteten Blog Unqualified Reservations ohne Thiels Hilfe selbst erarbeitet. Umgekehrt war der eigenständige Erfolg Yarvins als Blogger Voraussetzung für das Interesse Thiels.
Zusätzlich muss man sagen, dass Musk über Thiel hinaus sehr gut in der Szene rechtsradikaler Influencer und Politiker vernetzt ist, ohne dass er dazu Thiels Netzwerke bräuchte. Verbindungen zur AfD, Giorgia Meloni, Eva Vlaardingerbroek und anderen sind dokumentiert. Lediglich einen Vizepräsidenten Vance gäbe es wohl ohne Peter Thiel nicht. Doch auch Vance hat neben Thiel vielfältige Einflüsse, insbesondere in konservative katholische Kreise. Peter Thiel passt zwar hervorragend in dieses Netzwerk hinein und ist auch ein integraler Bestandteil davon, dass er jedoch der Strippenzieher sei und nicht nur ein Player unter vielen, übertreibt seine Stellung. Ganz im Gegenteil behauptete Curtis Yarvin gegenüber dem Alt-Right Provocateur Milo Yiannopoulos, dass er, Yarvin, Peter Thiel "gecoacht" habe, weil er, wie Yiannopoulos ihm beipflichtet, "ganz sicher politische Führung benötige". Das Verhältnis all dieser Personen untereinander ist also komplexer als das einer Grauen Eminenz im Hintergrund, die die Fäden zieht. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass Thiel nicht einflussreich wäre. Seine Fähigkeit, einflussreiche Leute in vertraulichen Runden unter Gleichgesinnten zusammenzubringen, gepaart mit seinen finanziellen Mitteln, schadet der Bewegung sicherlich nicht.
Was seine Weltsicht angeht, legt Thiel diese vor allem in zwei Texten dar und hat sie im folgenden in unzähligen Podcasts variiert und wiederholt. Der erste Text, "The Straussian Moment", wurde 2007 veröffentlicht und bedient eigentlich bereits alle Topoi, die Thiel so gerne wiederholt: einen Abgesang auf die Aufklärung; die Ablehnung des Liberalismus; die gewaltsame Natur des Menschen, die im Westen nur scheinbar befriedet ist und durch das Fremde in Form der Anschläge des 11. September wieder hervorbricht und zu guter Letzt: das Ende der Moderne, die "nicht dauerhaft ist und schließlich etwas ganz anderem weichen wird". Als Gegenentwurf präsentiert Thiel Carl Schmitt, den "Kronjuristen des Dritten Reichs", und sein bekanntes Freund-Feind-Schema der Politik. An dieser Stelle finden sich auch bereits erzkonservative christliche Töne, etwa wenn er Papst Urban II. (1096) zitiert: "Lasst das Heer des Herrn, wenn es auf seine Feinde zu stürmt, nur diesen einen Ruf ausstoßen: Gott will es! Gott will es!" oder wenn er in seinen letzten Abschnitten "den christlichen Staatsmann" als Figur auftreten lässt. Auch thematisiert er bereits in diesem Text die kommende Apokalypse und den Antichristen, dessen Erwähnung in einem Podcast mit der New York Times 2025 für einige Verwunderung bei Menschen sorgte, die mit Thiels Gedankengebäude bislang nicht vertraut waren.
Auch Oswald Spengler kommt bei Thiel zu Wort, den er mit einer Passage aus "Der Untergang des Abendlandes" im englischen Text auf deutsch zitiert:
"Für uns aber, die ein Schicksal in diese Kultur und diesen Augenblick ihres Werdens gestellt hat, in welchem das Geld seine letzten Siege feiert und sein Erbe, der Cäsarismus, leise und unaufhaltsam naht, ist damit in einem eng umschriebenen Kreise die Richtung des Wollens und Müssens gegeben, ohne das es sich nicht zu leben lohnt. Wir haben nicht die Freiheit, dies oder jenes zu erreichen, aber die, das Notwendige zu tun oder nichts. Und eine Aufgabe, welche die Notwendigkeit der Geschichte gestellt hat, wird gelöst, mit dem einzelnen oder gegen ihn."
Insofern kann auch der zweite Text "The Education of a Libertarian" von 2009 mit dem viel zitierten Satz "Ich glaube nicht länger, dass Freiheit und Demokratie kompatibel sind" nicht wirklich verwundern, da reaktionäre und antidemokratische Gedanken bei Thiel schon vorher klar erkennbar waren. Konsequenterweise schlägt er dort autonome Meeressiedlungen (seasteading) als Alternative vor, um der "Politik in all ihren Formen zu entkommen". Nur das sei die wahre Freiheit nach Thiel.
Zuletzt thematisierte Thiel im bereits erwähnten Podcast mit Ross Douthat von der New York Times wieder das Thema des Antichristen und identifizierte "dessen Slogan" nach 1. Thessalonicher 5,3 mit "Friede und Sicherheit", um anschließend über die Food and Drug Administration und die Nuclear Regulatory Commission zu sprechen, deren Regulierungen zu Stillstand und Stagnation geführt hätten. Der Antichrist würde laut Thiel die Weltherrschaft übernehmen, indem er allen Leuten Angst vor existenziellen Gefahren machen würde, zum Beispiel in Form der Umweltbewegung. Am Ende ist dem Gespräch nur noch schwer zu folgen, weil Thiel sich in seinem apokalyptischen Weltbild verirrt.
Der "Strippenzieher hinter dem kulturellen Rechtsruck in den USA" ist Peter Thiel eher nicht, Teil dieses kulturellen Rechtsrucks ist er aber auf jeden Fall und befeuert diesen auch ganz sicher aktiv. Dabei haben er und sein Netzwerk dank Geld und Technik eine enorme Diskursmacht, die nicht zu ignorieren ist. Thiel beeinflusst dieses Netzwerk durch finanzielle Unterstützung, strategische Dinner-Partys und informelle Gespräche. Seine Fans sehen ihn und sein Netzwerk als unabhängige Intellektuelle, die sich gegen einen "linken" oder "liberalen" Mainstream auflehnen, und viele übersehen dabei die reaktionären und religiösen Elemente, die von Anfang an einen Teil von Thiels Gedankengebäude darstellten.







3 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Auch raffgierige Leute und möchte- gern Diktatoren brauchen eine Ideologie, die ihnen Recht gibt und ihnen bei all ihren Machenschaften noch das Wohlbefinden eines guten und gerechten Menschen gibt.
mdap am Permanenter Link
Er wuchs als Kind evangelikaler Eltern auf. Unfreiwillig komisch seine Behauptung, der Antichrist könnte in einer Gestalt wie Greta Thunberg erscheinen.
Melchior am Permanenter Link
Es lohnt sich, den Originalartikel im DLF zu hören. Sicherlich ist der etwas aufgebläht, aber schon detaillierter als die "Gegendarstellung" hier.