Laut Bibel zerstörte Gott die beiden biblischen Städte Sodom und Gomorrha, weil die Bewohner ein ausschweifendes Leben führten. Dabei nahm er keine Rücksicht auf Unschuldige.
Viele christliche Fundamentalisten sehen in der Coronapandemie eine Strafe Gottes. Der himmlische Vater wolle in einer Welt voll Sodom und Gomorrha ein Zeichen setzen und die abgefallenen Seelen maßregeln, glauben vor allem Freikirchler in den USA, in Südamerika und Afrika.
Sodom was?, werden sich manche Leserinnen und Leser fragen. "Sodom und Gomorrha" sind ein Synonym für ein lasterhaftes Leben, für Wollust. Vor allem für sexuelle Ausschweifungen. Zurück geht der Ausdruck auf die Bibel.
Sodom und Gomorrha waren zwei Städte in der Nähe des Toten Meeres, die in vorchristlicher Zeit ins Visier von Gott gerieten. So jedenfalls erzählt es das Alte Testament im 1. Buch Mose.
Wir wissen aus der Bibel, dass es für die Betroffenen selten gut kommt, wenn Gott sie ins Auge fasst. Von Adam und Eva bis zu Hiob hatten manche biblische Gestalten unliebsame Begegnungen mit dem Schöpfer, auf die sie gern verzichtet hätten.
So auch die Bewohner von Sodom und Gomorrha. Sie lebten in Saus und Braus und befriedigten alle ihre Bedürfnisse hemmungslos. In den Augen von Gott führten sie ein sündiges und sexuell ausschweifendes Leben.
Das passte Gott nicht in den Kram und er sann nach Abhilfe. Falls denn die Leute der beiden Städte so amoralisch lebten, wie ihm zu Ohren gekommen war. (Irritation Nummer 1: Als Allwissender hätte er es doch selbst feststellen können.)
Um den Sachverhalt herauszufinden, besuchte er Abraham auf der Erde. Natürlich nicht als Gott, sondern in Gestalt von drei männlichen Engeln (Irritation Nr. 2: Warum so kompliziert, geistige Kommunikation wäre doch effizienter gewesen.)
Gott verriet Abraham, er wolle die beiden Städte dem Erdboden gleichmachen, falls die Bewohner sich tatsächlich so verwerflich und sündig verhielten. (Irritation Nummer 3: Er hätte es vom Himmel aus doch selbst erkennen können).
Wirklich alle?
Abraham fragte Gott, ob er wirklich beide Städte und alle Bewohner vernichten wolle, Unschuldige wie Schuldige. (Irritation Nummer 4.) Abrahams Einwand stimmte Gott nachdenklich (Irritation Nummer 5: Hätte Gott nicht selbst auf die naheliegende Idee kommen können?). Falls sich in Sodom zehn Anständige finden ließen, verschone er die Stadt, entschied Gott schließlich.
Um dies herauszufinden, schickte Gott zwei Engel zu Lot, dem Neffen von Abraham, der in Sodom wohnte. Lot beherbergte die beiden himmlischen Wesen (Irritation Nummer 6), die von den Leuten aus Sodom als Auswärtige betrachtet wurden. Die sexsüchtigen Sodomiter verlangen von Lot die Herausgabe der Gäste, um sich an ihnen gewaltsam zu vergehen (Irritation Nummer 7).
Lot bietet den Sündern seine jungfräulichen Töchter an
Lot steckte in der Zwickmühle. Er konnte doch den verruchten Bewohnern die heiligen Wesen nicht ausliefern. Da kam ihm die rettende Idee: Er bot den Sodomitern an Stelle der göttlichen Wesen seine jungfräulichen Töchter für ihre perversen Sexspiele an (Irritationen Nummer 8 bis 11). Doch die Einwohner wollten partout die beiden Männer.
Die Suche nach zehn anständigen und gottesfürchtigen Sodomitern endete erfolglos, weshalb Gott seine Drohung wahrmachte (Irritation Nummer 12). Um Lot und seine Familie zu retten, schickten die beiden Engel sie aus der Stadt. Sie schärften ihnen ein, auf keinen Fall zurückschauen, wenn Gott Schwefel und Feuer auf Sodom und Gomorrha herabregnen lasse.
Doch Lots Frau konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich umzudrehen und auf ihre brennende Stadt zu schauen. Augenblicklich erstarrte sie zur Salzsäule (Irritationen 13 bis 16: Sollte Lots Frau etwa nicht sehen, mit welcher Brutalität Gott die gesamte Bevölkerung der beiden Städte eliminierte – inklusive der unschuldigen Kinder? Wieso wurde sie wegen ihres Blicks zurück gleich mit dem Tod bestraft?)
Was hat sich Gott dabei gedacht?
Man fragt sich unwillkürlich, was sich Gott bei dieser Geschichte um Sodom und Gomorrha gedacht hat. Sie ist so radikal und konkret, dass sie nicht als Metapher oder Gleichnis durchgeht. Erinnert sei daran, dass strenggläubige Christen die Bibel als authentisches Wort Gottes betrachten. Gott verletzte selbst alle seine ethischen und moralischen Ansprüche an die Menschen in krasser Weise.
Die Ereignisse um die beiden biblischen Städte sind aus heutiger Perspektive ein PR-mäßiger Supergau. Gott präsentiert sich einmal mehr als rächende Gestalt, die bei seinen Kollektivstrafen auch Unschuldige nicht verschont.
Der allmächtige und allwissende Gott hätte wissen müssen, dass sich die Menschheit dereinst geistig entwickeln und emanzipieren würde. Und dass spätere Generationen sein Verhalten als unmenschlich und erst recht ungöttlich werten werden.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.
11 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Diese Geschichte ist in sich vollkommen inakzeptabel für ethisch denkende Menschen. Sie reflektiert auf der Metaebene das Denken damaliger Menschen: Rache und Vergeltung, totale Vernichtung aller Andersdenkenden.
Jetzt wird wahrscheinlich ein gläubiger Christen entgegnen, dass Jesus gekommen sei, um die Welt vor solch brutalen Racheaktionen zu retten. Und dass der Gott des AT anders sei als jener des NT.
Wenn ich dem folge, müssen wir mindestens von einem Duotheismus sprechen, denn dann gäbe es ja (mindestens) zwei Götter. Mit Jesus und dem "heiligen" Geist sogar vier, mit Allah fünf. Also ein Quintotheismus.
Was steckt also hinter der Geschichte? Es waren uralte Meme, die "Gott" stets mit Vulkanen verbinden. "Gott" IST ein Vulkan, wenn man das AT (und als Reflex darauf auch das NT) aufmerksam liest.
An dem Ort, an dem angeblich Sodom und Gomorra lagen (Jordantal) gab es jedoch keinen Vulkanismus. Diese Meme stammen aus dem Nordwesten der arabischen Halbinsel, wo (nicht nur) ca. 1300 v. u. Z. Vulkanausbrüche stattfanden, die als Meme überlebt haben und in Bibel und Koran gelangten.
Vulkane strafen die Menschen und geben ihnen auch Brot (durch fruchtbare Hänge). Das ist das Bild hinter dem strafenden/liebenden Gott. Dass die Patriarchen, die das später in ihre Schriften integrierten, auch noch ihre Männerfantasien eingearbeitet haben (minderjährige Töchter zur Massenvergewaltigung freizugeben ist völlig okay!), hat das Ganze unerträglich gemacht.
Heute sind wir ethisch weiter und lehnen eine derartige Lebensweise ab - und wir wissen, dass Vulkane geophysikalischen Prozessen unterworfen sind. Dass es keine janusköpfigen Götter sind, nie gewesen...
Stephanie Gogolin am Permanenter Link
diese ganzen Irritationen kann ich nur zu gut nachvollziehen und ich machte mir dazu auch schon so meine Gedanken ...
auf der Suche nach gottesfürchtigen und recht schaffenden Einwohnern in diesen Städten, ging es den damaligen Denkkategorien gemäß um den maskulinen Bewohner - wen scherte es, dass es Frauen und Kinder gab oder Sklaven oder Tiere?
Die Städte wurden platt gemacht, wahrscheinlich weil Gott a) seinen damals (offenbar dringend nötigen, Verhaltensregeln für angehende Patriarchen) mit dem heißen Meißel geklopften 10 Geboten, schließlich ab und zu Nachdruck verleihen musste (Ich bin der Herr usw.) und weil b) bekanntermaßen Menschen, denen es gut geht, schnell mal das Opfern vergessen, da sie ja grade um nichts bitten müssen und c) ... aber das ist nur meine Vermutung ... weil Gott sich damals eigentlich erst in der Pubertät befand und noch keinen Plan hatte wie er sich als omnipotenter Herr über Leben und Tod profilieren wollte ... ein paar tausend Jahre später, als er sich bereits zum Vater gekürt hatte und seinen Sohn auf Außeneinsatz schickte, begann er sich, so könnte man meinen, scheinbar mit Ethik und zaghaften Ansätzen von Menschenrechten zu befassen, aber so richtig fertig ist er damit bis heute nicht ...
oder war er bei dem Vorfall von Sodom und Gomorrha vielleicht noch in der Trotzphase?
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
Was würde wohl passieren, wenn jemand diese Darstellung der Geschichte von Sodom und Gomorrha in Form eines Flyers auf Kirchenbänke auslegt oder vor den Kircheneingängen verteilt?
Roland Weber am Permanenter Link
Es ist zwar anerkennenswert, wenn sich ein Autor den Unsinn des AT vornimmt, allemal spannender wäre es jedoch, wenn man sich einmal mit dem NT und seinen Weisheiten und seiner Ethik befassen würde.
Die Skizzierungen sollten dabei nicht "irgendwie", sondern genau wie hier an einer konkreten Szene vorgenommen werden - da es auch im NT zum Strotzen genug einfach Absurdes, Widersprüchliches und vor allem ganz und gar Unwahrscheinlichem so wimmelt. Was hätte denn ein Jesus an der ein oder anderen Stelle gedacht? Von Wahrheiten oder Geschichtlichkeit muss man erst gar nicht reden wollen.
Vor allem für die eine und einzige nach Selbstbekundungen christliche Kirche sollte einmal die christliche Rolle einer Maria, die eines Paulus und dann auch die Rolle eines Jesus' einmal genauer untersucht und deren Bedeutung für das Christentum untersucht werden. Da ist kein "Dreiklang"!
Die Aufklärung beschränkt sich auch heute im besten Fall auf das AT - und das muss man aufgrund seiner jüdischen Wurzeln ja auch gar nicht so ernst nehmen.
Glauben heißt eben nicht wissen wollen, was wahr ist, wie es Nietzsche formulierte ...
Monika Müller am Permanenter Link
Lieber Herr Weber,
dazu ein kleiner Lesetipp von mir:
"der Jesuswahn" von Heinz-Werner Kubitza
Roland Weber am Permanenter Link
Danke für den Hinweis!
Aber dieses Buch - und zahlreiche andere Bücher - sind mir bestens bekannt und auch sein Buch "Jesus ohne Kitsch" habe ich bei Amazon kritisch besprochen!
Nur wie dieses "anders" eigentlich ausgesehen habe und wie man dennoch an einer christlichen Religion mit einem Text, der dem Geschehen in keiner Weise entsprechen kann, festhalten will, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Und dazu habe ich zwei Bücher geschrieben!
Roland Fakler am Permanenter Link
Eine Erklärung wäre, dass die ganze Geschichte von ziemlich dummen Menschen vor ziemlich langer Zeit erfunden wurde…wie der „Wolf und die sieben Geißlein“, ein Märchen das allerdings von ethisch höher stehenden Mensch
A.S. am Permanenter Link
Gott hat sich gar nicht bei dieser Geschichte gedacht. Konnte er gar nicht, weil er nur eine der Erfindungen der Priester ist.
Die Priester aber, die sich diese Geschichte ausgedacht haben, taten das mit bestimmten Absichten: Dem Volk Untergang predigen, wenn es sich nicht so verhält, wie die Priester es gerne hätten.
Merke: "Gottes Wille" ist der getarnte Priester-Wille.
... und "Gottes Krieger" sind getarnte Priester-Krieger.
Werner Helbling am Permanenter Link
Genauso absurd ist die Geschichte mit der Sintflut und der Arche Noah. Diese sogenannten «heiligen Schriften» strotzen inhaltlich nur so von grausamen Geschichten und Wiedersprüchen.
Rainer Wuschansky am Permanenter Link
Hat ein Aberglaube, eine Mythologie oder eine Verschwörungstheorie eine genügend große Anhängerschaft gefunden, werden sie allgemein anerkannt. Man nennt sie dann Religion.
Thomas R. am Permanenter Link
Herrn Stamms "Irritationen" kann ich nicht nachvollziehen.
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"Gott verletzte selbst alle seine ethischen und moralischen Ansprüche an die Menschen in krasser Weise."
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Welche "ethischen" und "moralischen" Ansprüche, Herr Stamm?!? Bitte denken Sie gründlicher nach, bevor Sie etwas schreiben! Ihre Texte sind leider allzuoft eine intellektuelle Zumutung. Um aufklärerisch tätig und wirksam zu sein, genügt es nämlich nicht, nur "auf der richtigen Seite" zu stehen.
[*] = pöhses Wort