Bundesweiter Aktionstag gegen Paragraph 218 StGB

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Symbolbild

Vor 150 Jahren wurde Paragraph 218 ins Reichsstrafgesetzbuch aufgenommen. Bis heute gilt ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland als Straftat. In mehreren Städten findet aus diesem Grund morgen ein Aktionstag für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung statt.

Am 15. Mai 1871 wurden im Zuge der Gründung des Deutschen Reichs die Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch im ersten Reichsstrafgesetzbuch verabschiedet. Darunter Paragraph 218, der damals bei einer Abtreibung eine Zuchthausstrafe von bis zu fünf Jahren vorsah. In der Praxis bedeutete dies jedoch nicht weniger Abtreibungen, sondern eine Verlagerung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte zu Schwangerschaftsabbrüchen durch Ungeschulte unter problematischen hygienischen Bedingungen, die nicht selten zum Tod der abtreibenden Frau führten.

Der Kampf gegen das Verbot von Abtreibungen und für das Recht auf reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung war und ist ein zentraler Aspekt aller Wellen der Frauenbewegung. Auch heute ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland noch eine Straftat.

Bis in die 1970er Jahre galt in der Bundesrepublik Deutschland das strenge Abtreibungsverbot des Kaiserreichs. Nur in wenigen medizinischen Ausnahmefällen waren damals Schwangerschaftsabbrüche erlaubt. Erst als 1971 über 300 Frauen im Stern öffentlich bekannten, dass sie abgetrieben haben, nahm die gesellschaftliche Diskussion Fahrt auf und erreichte die Politik. 1974 sprach sich der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt für eine Reform von Paragraph 218 aus: die sogenannte Fristenlösung. Sie erlaubte in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten eine Abtreibung ohne Angabe von Gründen. Doch das umgehend von Kirchen und Konservativen angerufene Bundesverfassungsgericht stoppte die Gesetzesreform.

Statt der Fristenlösung trat so 1976 die sogenannte Indikationslösung in Kraft. Sie sah die Straffreiheit für Abtreibungen nur dann vor, wenn bestimmte Voraussetzungen vorlagen, wie zum Beispiel eine Schwangerschaft durch Vergewaltigung.

Erst mit der Wiedervereinigung rückte die Fristenlösung – und damit die Entscheidungsfreiheit der Frau – erneut in den Fokus der Politik. Denn in der DDR galt sie schon lange. Der Deutsche Bundestag versuchte deshalb, die Fristenlösung für Gesamtdeutschland einzuführen, scheiterte 1993 jedoch erneut am Bundesverfassungsgericht. So ist der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland bis heute rechtswidrig. Er bleibt jedoch straffrei, wenn die Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach einer verpflichtenden Beratung durchgeführt wird. Zu einem späteren Zeitpunkt ist sie nur möglich, wenn bestimmte schwerwiegende Indikationen vorliegen, wie beispielsweise eine Behinderung des Fötus. Doch selbst solche strengen Regeln wollen religiös fundamentalistische Abtreibungsgegner in Europa und der Welt abschaffen. Teilweise ist ihnen das bereits gelungen.

Um auf die Einschränkung der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmungsrechte von Frauen aufmerksam zu machen, hat das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung am morgigen 150. Jahrestag der Verabschiedung von Paragraph 218 deutschlandweit zu einem Aktionstag aufgerufen. Zusammen mit 130 Organisationen fordert das Bündnis die Abschaffung von Paragraph 218 StGB.

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