Kommentar

Corona – war da was?

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Griffen zu Beginn der Pandemie noch Panikreaktionen um sich, gehen die Menschen jetzt dazu über, das Virus einfach zu ignorieren – obwohl sich eigentlich nichts geändert hat.

Ja, es nervt. Es nervt total, dieses Abstandhalten, das Maskentragen, das Händewaschen. Immer häufiger sieht man, wie Gesichtsmasken nur unterhalb der Nase getragen werden – oder gleich unterm Kinn, sobald man den Security-Menschen am Supermarkteingang passiert hat. Spricht man die Leute höflich an, erntet man wahlweise Augenrollen, Beleidigungen oder einen Auszug aus der jeweils favorisierten Anti-Masken-Weltanschauung. Mich nervt das Maskentragen auch, zumal es als Brillenträger praktisch unmöglich ist, eine länger als fünf Minuten vorhaltende Konstellation zwischen Maske und Brille zu finden, in der letztere nicht beschlägt.

Nach der Phase der Panikkäufe, in der manche Menschen wohl geglaubt hatten, man könnte wie nach einem Atomunfall irgendwann nicht mehr vor die Tür gehen, ohne tot umzufallen, sind wir jetzt mitten in der Phase der Ignoranz. Es liegen ja keine Siechenden auf den Straßen herum, so schlimm kann es ja also gar nicht sein. Anekdotische Evidenz wird zur einzig gültigen Bewertungsgrundlage ("Also ich kenn' niemanden, der an Corona gestorben ist"). Da werden mit einer Selbstverständlichkeit Events für den Herbst geplant, obwohl die Situation dann kaum anders sein dürfte – einen Impfstoff wird es noch nicht geben und wenn wir uns in der kälteren Jahreszeit wieder hauptsächlich drinnen aufhalten, dürften die Fallzahlen eher wieder steigen.

"Irgendwas muss man ja trotzdem machen", war ein Satz, den ich irgendwann im Lauf der Pandemie zu hören bekam, als ich eine Einladung nicht annahm. Nein. Muss man nicht. Warum muss man alles in die Normalität zwingen, wenn die Situation gerade alles andere als normal ist? Warum wird man belächelt, irritiert angeschaut, wenn man sich nicht am "Wir tun jetzt mal so, als wär' nix"-Zeitgeist beteiligen möchte? Warum muss man sich bisweilen sogar vor Risikogruppenangehörigen rechtfertigen, wenn man eine Maske trägt, während man sie besucht? Manche Vertreter dieser Gruppe führen die Bemühungen der letzten Monate, bei denen es ja nicht zuletzt um ihren Schutz ging, durch ihre eigene Renitenz ad absurdum.

Kürzlich wurde über die Aufhebung der Maskenpflicht in Geschäften diskutiert, mit dem Argument, Abstand halten reiche ja auch. In der Theorie mag das möglicherweise stimmen. Die Praxis sieht so aus, dass man die Maskenpflicht wenigstens noch irgendwie kontrollieren kann, die Abstandsregeln nicht. Und natürlich wäre es wünschenswert, wenn man all das gar nicht kontrollieren müsste, weil die Menschen es von alleine einhalten würden – tun sie aber nicht. Die einen aus Gedankenlosigkeit, die anderen aus Protest. Denn genau diejenigen, die immer nach der Eigenverantwortlichkeit schreien, sind auch die, die es ohne Verpflichtung nicht schaffen, diese walten zu lassen.

Was übrigens auch nervt, ist Atemnot, am Beatmungsgerät hängen und unberechenbare Folgeschäden erleiden. Und was nervt, sind Leute, die das einfach ignorieren wollen, zum Schaden derer, die sich um Vorsicht bemühen. Denn es bringt herzlich wenig, wenn man nur die anderen schützt, die aber nicht bereit sind, ihren Teil zu leisten. Das Ganze beruht nun mal auf Gegenseitigkeit.

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