Unter dem Titel "Erzwungene Aufarbeitung" befasst sich Heft 1/22 der MIZ mit dem Umgang der katholischen Kirche mit dem Missbrauch von Kindern in ihren Einrichtungen. Dabei geht es nicht nur um die juristische Seite des Skandals.
Vertrauensverlust als Folge halbherziger Aufarbeitung
Jahrelang hatte das Kirchenestablishment versucht, das Problem auszusitzen – scheinbar sogar erfolgreich. Doch spätestens mit dem Gutachten, das im Erzbistum Köln zum Thema "Missbrauch" präsentiert wurde, war diese Strategie gescheitert. Frank Welker verweist in seinem Editorial auf den massiven Vertrauensverlust, den der Umgang mit dem Missbrauchsskandal der katholischen Kirche eingebracht hat.
Dass nicht alle Bistümer unter "Aufarbeitung" dasselbe verstehen, verdeutlicht der Beitrag von Jörg Scheinfeld. Der Jurist vergleicht die beiden in Köln und München erstellten Gutachten, die zu völlig unterschiedlichen Einschätzungen kommen, was die Verantwortlichkeit der Kirchenleitung angeht. Als Konsequenz plädiert Scheinfeld für eine vom Staat eingesetzte, unabhängige Untersuchungskommission.
Dass vor allem die katholische Kirche sich überhaupt dazu bequemte, umfassendere Untersuchungen einzuleiten, ist nicht zuletzt auf den öffentlichen Druck zurückzuführen. Auch die Aktionsgruppe des 11. Gebots sorgte mit zahlreichen Auftritten dafür, dass es der Kirche am Ende nicht gelang, das Thema auf die "Lange Bank" zu schieben. Gründer David Farago gibt einen Überblick über die Aktivitäten der letzten Jahre.
Strategien gegen Mobbing und Ausgrenzung
Über eine Auseinandersetzung in Berlin berichtet Gunnar Schedel. Dort hatte ein seit Jahren in der Antidiskriminierungsarbeit tätiger Verein eine Anlauf- und Dokumentationsstelle für Fälle religiös begründeten Mobbings einzurichten vorgeschlagen. In den Schulen stieß die Initiative auf positive Resonanz; bei der Bildungsverwaltung und Politiker:innen wie Susanna Kahlefeld hingegen weniger...
Wie eine Gesellschaft, in der unduldsame Religiöse das Sagen haben, aussieht, beschreibt die iranische Feministin Masih Alinejad in einem Interview. Die Begründerin von My Stealthy Freedom erzählt von ihren Kämpfen gegen die Unterdrückung der Frauen und von ihren Social Media-Kampagnen, mit denen sie auch nach ihrer Flucht aus dem Iran noch Einfluss auf die Politik in dem Land nehmen kann. Sie kritisiert aber auch westliche Regierungen, die keine klare Kante zeigen, wenn es um Menschen- und vor allem Frauenrechte im Iran geht.
Eine positive Perspektive bot die Tagung "Gemeinsame Kämpfe im Exil: Säkularismus und Feminismus", die von Projekt 48 und Dornrosa durchgeführt wurde. Romo Runt teilt uns mit, wie die Diskussionen verlaufen sind und welche Visionen für eine Welt, in der Menschenrechte universell gelten, entwickelt wurden.
Ehrenmorde, Evangelikale, Evolution
In jüngster Zeit häufen sich Versuche, den Begriff "Ehrenmord" durch "Femizid" zu ersetzen. Rebecca Schönenbach erläutert, was sachlich dagegen spricht und welche politischen Folgen das Negieren der spezifischen Ursachen für Gewalt im Namen der "Ehre" nach sich zieht.
Ausgehend von den "Spaziergängen" der Querdenker spürt Herbert Thomsen dem Spektrum nach, das sich zu diesen Anlässen trifft – und stößt auf eine bezeichnende Mischung aus Anthroposophen, Evangelikalen und Reichsbürgern.
Im mittlerweile fünften Teil der Serie über die Erweiterte Evolutionäre Synthese beschreibt Thomas Waschke die Entwicklung der 1980er Jahre, die Entstehung der Evolutionären Entwicklungsbiologie (EvoDevo) und die damit einhergehende "Rückkehr des Organismus" in die Evolutionsbiologie.
Daneben gibt es die üblichen Rubriken "Neulich...beim Unfehlbarsten aller Lügner", "Zündfunke", Buchbesprechungen sowie die Internationale Rundschau.