BERN. (fds) Die Delegierten der Freidenker-Vereinigung der Schweiz beschlossen einstimmig die Ja-Parole zur Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes. Der Delegiertenversammlung ging eine öffentliche Podiumsdiskussion mit eingeladenen Befürwortern und Gegnern voraus.
Auf dem Podium sprachen sich der Reproduktionsmediziner Christian de Geyter und der Neurologe Walter Friedli für eine Annahme der Gesetzesänderung aus. Sie betonten, dass Trägern von schweren Erbkrankheiten die Freiheit gegönnt werden solle, über die PID sicherstellen zu können, dass sie ihre Krankheiten nicht an ihre Nachkommen weitergeben.
Christa Schönbächler, Co-Geschäftsführerin von insieme Schweiz, befürchtete, die Gesetzesannahme würde den Druck auf Frauen erhöhen, sich gegen ein Kind mit Behinderungen auszusprechen.
Die Politologin Regula Stämpfli votierte für ein Moratorium, da erst eine gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit Behinderungen stattfinden müsse. De Greyter erwiderte, dass durch das bestehende Verbot bereits seit zwölf Jahren ein faktisches Moratorium existiere, es sei Zeit dieses zu beenden.
In der anschliessenden Debatte während der Delegiertenversammlung betonten mehrere Delegierte, dass es tatsächlich in der Verantwortung unserer Gesellschaft liege, dass Personen mit einer Beeinträchtigung nicht ausgegrenzt würden und Massnahmen nötig seien, dass diese Beeinträchtigungen sie in ihren Leben möglichst nicht behindere.
Alle Delegierten fanden, das Fortpflanzungsmedizingesetz setze kein Signal in die falsche Richtung. Es gewähre hingegen Paaren wichtige Freiheiten, welche sie sonst nur über Auslandreisen sicherstellen könnten. Die Delegierten trauen den Paaren im Gegensatz zum religiös-konservativen Lager zu, diese Freiheit verantwortungsvoll zu nutzen und votierten deshalb einstimmig für ein "Ja" am 5. Juni.
Andreas Kyriacou und Valentin Abgottspon im Präsidium bestätigt, Religionswissenschafterin Ruth Thomas neues Vorstandsmitglied
Die Delegierten bestätigten ebenfalls einstimmig den amtierenden Präsidenten Andreas Kyriacou und den Vizepräsidenten Valentin Abgottspon für eine zweite dreijährige Amtsdauer.
Neu in den Vorstand der Freidenker-Vereinigung der Schweiz wurde die Religionswissenschafterin Ruth Thomas gewählt. Sie will sich insbesondere der Weiterentwicklung weltlicher Rituale annehmen.
Pressemitteilung der Freidenker Schweiz vom 23.04.2016.
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Kommentare
Thomas Friedrich am Permanenter Link
Eine andere Position ist auch nicht möglich, wenn man eine Ethik vertritt, die sich an Freiheit und menschlichem Wohlergehen orientiert.
Ein Verbot der PID ist nichts anderes als eine Zwangseugenik mit umgekehrten Vorzeichen. So wie man früher Menschen gewaltsam an der Fortpflanzung gehindert hat, stellt man Menschen heute vor die Wahl, kinderlos zu bleiben oder schwere Krankheiten an die eigenen Kinder weiterzugeben. In beiden Fällen verletzt der Staat die reproduktive Selbstbestimmung der einzelnen Menschen.
Besonders gruselig finde ich, dass selbst 'Linke' (wie Frau Stämpfli) mitunter gegen die PID wettern. Dass Leidvermeidung bei konservativen Christen nicht hoch im Kurs steht, kann ich verstehen. Aber dass selbst Linke, die eigentlich von einer Welt mit mehr Glück, Freiheit, Gerechtigkeit träumen, sich für den gesetzlichen Zwang zur Weitergabe von schrecklichsten Krankheiten einsetzen, kann ich nicht begreifen. Das Argument ist ja, dass die Prävention von Behinderungen behindertenfeindlich sei. Aber nach dieser Logik wäre auch die Impfung gegen Kinderlähmung oder der bewusste Verzicht auf Alkohol in der Schwangerschaft behindertenfeindlich. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen dem Respekt vor behinderten Menschen und der bewussten Vermeidung von Behinderungen.