Ende Dezember 2021 wurde der Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP veröffentlicht. Darin wurde angekündigt, der Belästigung Schwangerer vor Beratungsstellen, Kliniken und Praxen durch Abtreibungsgegner*innen wirksame Maßnahmen entgegenzusetzen. Bis Ende dieses Jahres kündigte Bundesfamilienministerin Lisa Paus nun eine Vorlage für eine neue Gesetzesregelung an, welche die sogenannte Gehsteigbelästigung zur Ordnungswidrigkeit machen soll.
Viele hunderttausend Schwangere wenden sich jedes Jahr an Beratungsstellen. Teilweise, weil sie Informationen oder Unterstützung zu Schwangerschaft und Elternsein suchen, teilweise aber auch, weil vor einem Schwangerschaftsabbruch ein Beratungsgespräch vorgeschrieben ist.
Als wäre das verpflichtende Einholen einer Beratungsbescheinigung für eine Entscheidung über den eigenen Körper und die eigene Zukunft nicht schon genug, werden hilfesuchende Schwangere vor Beratungsstellen, Praxen und anderen Einrichtungen teilweise auch noch von Abtreibungsgegner*innen mit Schockbildern, Puppen, Gebeten, Beleidigungen, abstrusen Geschichten zur Abtreibung oder gar Berührungen belästigt. Bisweilen sogar noch unterstützt von gerichtlichen Entscheidungen, die die Ansammlung von Selbstbestimmungsgegner*innen zur Versammlungsfreiheit zählten. So zum Beispiel im Jahr 2021, als das Verwaltungsgericht Frankfurt die Einschränkung des Aufenthaltsrechts durch die Stadt Frankfurt aufhob.
Das soll sich nun bald ändern. Wie im Koalitionsvertrag auf Seite 118 festgelegt, plant die Bundesregierung "Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern […] wirksame gesetzliche Maßnahmen" entgegenzusetzen. Wie Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) vergangene Woche verkündete, soll es noch bis Ende dieses Jahres eine Gesetzesvorlage geben, durch die aus den bisher nicht geahndeten Belästigungen durch Abtreibungsgegner*innen Ordnungswidrigkeiten werden. Paus erklärte, dass es sich hierbei nicht um Demonstrationen handele, sondern vielmehr um Bedrohungen.
Bisher forderte der Beratungsstellenverband pro familia Schutzzonen rund um Beratungsstellen, um die Rechte Ratsuchender zu wahren und sie vor Belagernden, die sie mittels Parolen, lauten Gesängen und Gebeten zu beeinflussen suchen, zu schützen. Ordnungswidrigkeiten werden in Deutschland mit einem Bußgeld belegt. Ob die Androhung eines solchen Abtreibungsgegner*innen von Belästigungen abhält, wird sich zeigen.
4 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Was erlauben sich diese christlichen Abtreibungsgegner eigentlich noch alles?
Also Bitte, mischt euch nicht in Angelegenheiten welche euch nichts angehen ein, das ist nichts anderes als Anmaßung.
Nur weil ihr euch einbildet ihr habt die einzige Wahrheit erlangt, was euch die Kirchen ständig einreden, aber es gibt auch andere Ansichten von der Welt als eure, nehmt das endlich zur Kenntnis.
Werner Koch am Permanenter Link
Aktuell veranstaltet 40daysforlife vom 28 September bis zum 6. November eine Kampagne, eine 40-tägige Mahnwache in Stuttgart vor der Klinik am Olgaeck.
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.mahnwache-in-der-innenstadt-abtreibungsgegner-werden-auch-in-stuttgart-aktiv.b6ede07b-896b-4194-9e9d-d9cdead0eaca.html
Klaus Bernd am Permanenter Link
Die Unterstützung dieser „Lebens“-Schützer durch die katholische Kirche wird von den weltfremden Bischöfen garantiert, die auch die Schlussdokumente des synodalen Weges blockiert haben, (und natürlich vom Papst persön
„Der „kompatibilistische“ Ansatz dagegen gehe von der göttlichen Offenbarung aus, die erst Vernunft und wahre Freiheit möglich mache.“
Vertreter der „kompatibilistischen Richtung seien z.B die Bischöfe Wörner (Augsburg), Woelki (Köln), Oster (Passau), Hanke (Eichstätt) und er selbst (Voderholzer, Regensburg).
„Mit Bezug auf den emeritierten Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke beschrieb Voderholzer auf der einen Seite ein „libertarisches“ Freiheits- und Wahrheitsverständnis. Dieses lasse nur gelten, was dem „je eigenen subjektiven und vermeintlich aufgeklärten“ Bewusstsein und der autonomen Vernunft einleuchte. Als theologische Erkenntnisorte seien hier „Zeichen der Zeit“ und „Lebenswirklichkeit“ im Zweifel wichtiger als die klassischen Erkenntnisorte von Schrift, Tradition und Lehramt.“
Diese Leute behaupten also, dass „Ungläubige“ – und in diesem Kontext ist klar, dass das alle Nicht-Katholiken sind – nicht über Vernunft verfügen und auch nicht über eine „wahre“ Freiheit. Das zeugt von einer unverschämten Arroganz. Diese seltsamen drei Erkenntnisorte von Schrift, Tradition und Lehramt sind natürlich in Wahrheit nur einer: der „Erkenntnistort“ des Lehramts. Da werden in den Besprechungssälen des Vatikans die rechte Auslegung der Schrift, und die rechtenTraditionen entwickelt und gepflegt und als „göttliche Offenbarung“ verkündet. Und dem haben sich die doofen Laien-Schafe natürlich zu unterwerfen. Dagegen geht diesen Hirten und Menschenfischern die Lebenswirklichkeit gerade mal an Besagtem vorbei.
PS: was ist „libertarisch“ ? Dazu sagt der Duden:
Libertarismus (Deutsch)
Wortart: Substantiv, (männlich)
Bedeutung/Definition
1) Politik, Philosophie: Anschauung, die den ganzen Staat auf der Freiheit der Individuen begründet und an dieser misst
2) inkompatibilistische Denkschule, die von der Willens- und Handlungsfreiheit des Menschen ausgeht
Das sind also Werte, die diese „kompatibilistischen“ Bischöfe ablehnen. Muss man darauf hinweisen, dass das ganze Sünden-Himmel-Hölle-Gewäsch der katholischen Kirchenfürsten von der Willens- und Handlungsfreiheit des Menschen ausgeht ? Wieder mal ein Beispiel für den schlampigen Umgang mit dem eigenen Glauben. Ist ja auch nicht relevant. Was zählt sind Geld und Macht und Kirchensteuer.
Pablo am Permanenter Link
Das ist eine klare Einschränkung der Meinungsfreiheit.