Gewalt gegen Ex-Muslim auf offener Straße

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Amed Sherwan

Auch in nichtmuslimischen Ländern sind Drohungen und Gewalt gegen Ex-Muslime leider keine Seltenheit. Davon zeugt ein aktueller Fall aus dem Norden Deutschlands. Der bekennende Ex-Muslim und säkulare Aktivist Amed Sherwan wurde nach Angaben der Säkularen Flüchtlingshilfe e. V. in Flensburg auf offener Straße attackiert.

Amed Sherwan kam gerade aus einem Hauseingang, als er von hinten einen Schlag auf den Kopf bekam und ihm die Füße weggezogen wurden. Auf dem Boden liegend wurde er geschlagen und getreten. Dieser Vorfall ereignete sich am 5. September, am helllichten Tag in Anwesenheit zahlreicher Passanten in der Flensburger Innenstadt. Polizei und Krankenwagen waren schnell alarmiert und so konnte das Schlimmste verhindert werden.

Vorangegangen war zwei Tage vorher eine Auseinandersetzung zwischen dem Täter und Sherwan auf einem Straßenfest in der beschaulichen Hafenstadt. Der Arabisch sprechende Täter hatte Sherwan offensichtlich erkannt und zunächst nur verbal attackiert. "Ich schwöre dir, du Hurensohn, wenn ich dich alleine hier hätte, ich würde dich schlachten", sagte der Mann laut Sherwans Ausführungen auf Facebook in Anwesenheit seiner Frau und drei Kinder. Als Sherwan kurz danach sein Handy aus der Tasche zog, um auf der Feier zu fotografieren, beschimpfte der Täter Sherwan erneut und unterstellte ihm, ein Bild von seiner Frau gemacht zu haben. Die Frau bespuckte Sherwan daraufhin und der Mann drohte Sherwan. Zwei Tage später setzte er die Drohung dann um.

Sherwan ist als Ex-Muslim im Irak inhaftiert und gefoltert worden und betätigt sich seit seiner Flucht nach Deutschland auch hier als Blogger und Aktivist gegen religiösen Fanatismus und greift dabei auch zu provokativen Maßnahmen. So hatte er 2018 in einem T-Shirt mit der Aufschrift "Allah is Gay" im Rahmen des CSD in Berlin für orientalische Vielfalt demonstriert. Bei einer palästinensischen Demonstration in Flensburg in diesem Jahr hatte er mit einem Bild, das einen Juden und einen Palästinenser, die sich küssen, sowie die Aufschrift "Make Love not War" zeigte, für eine friedliche Lösung geworben.

"Ich möchte die Leute wachrütteln und zum Nachdenken anregen", erklärt Sherwan. "Dafür muss ich manchmal auch dahin gehen, wo es wehtut. Leider sind solche Aktionen auch hier in Deutschland nicht ganz ungefährlich. Aber dass es so eskaliert, hätte ich dennoch nicht gedacht. Der Täter hat ganz offensichtlich nach einem Vorwand gesucht, mich angreifen zu können. Das erschreckt mich schon."

"Leider sind Drohungen und Gewalttaten gegen Ex-Muslime keine Seltenheit", erklärt Dittmar Steiner von der Säkularen Flüchtlingshilfe, die sich bundesweit für die Interessen von Menschen einsetzt, die wegen ihres Abfalls vom Glauben zur Flucht gezwungen worden sind. "Hier angekommen stoßen die Menschen aber leider oft auf Unverständnis in der deutschen Gesellschaft. Für viele Menschen in Deutschland ist es nur schwer vorstellbar, dass säkularer Aktivismus solche Reaktionen hervorrufen kann."

Sherwan betont, dass es ihm bei seinen Aktionen nicht darum geht, antimuslimische Ressentiments zu schüren. "Im Gegenteil, ich will nicht nur Muslime wachrütteln, sondern auch Außenstehenden zeigen, dass nicht alle Menschen mit muslimischen Wurzeln fanatische Spinner sind. Viele meiner muslimischen Freunde möchten sich genauso gerne von den starren religiösen Regeln und Vorstellungen ihrer Eltern befreien. Aber die meisten trauen sich einfach nicht, weil sie Angst davor haben, ihre Eltern zu verletzen, oder weil sie Repressionen und Gewalt befürchten", erklärt Sherwan.