Für ihre Verdienste um Demokratie, Frieden, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung

Gisela Notz vom Berliner Abgeordnetenhaus geehrt

louise-schroeder-medaille_fuer_gisela_notz.jpg

Gisela Notz (Mitte) mit ihrer Tochter (links) und Ines Scheibe, eine der Mitgründerinnen des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung.
Gisela Notz mit ihrer Tochter und Ines Scheibe

louise-schroeder-medaille_notz_bergmann.jpg

Gisela Notz mit der Ehrenurkunde (links); rechts im Bild die Stadtälteste und Bundesministerin a.D. Christine Bergmann.
Gisela Notz und Christine Bergmann

Am vergangenen Donnerstag wurde Gisela Notz – Sozialwissenschaftlerin, Frauenforscherin, Mitbegründerin des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung und Beirätin der Giordano-Bruno-Stiftung – im Rahmen einer Feierstunde in Berlin für ihr Lebenswerk mit der Louise-Schroeder-Medaille ausgezeichnet.

"Alles, was ich über Louise Schroeder sagen kann, weiß ich von Ihnen", begann Dennis Buchner, Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, seine Begrüßungsansprache. Denn die Preisträgerin, eine der bekanntesten Frauenforscherinnen Deutschlands, die alljährlich den Kalender "Wegbereiterinnen" herausgibt, hat auch zu dieser bedeutenden weiblichen Persönlichkeit publiziert. Louise Schroeder, die erste Frau an der politischen Spitze Berlins, war zu ihren Lebzeiten wesentlich bekannter als heute, merkte Buchner an; und das, obwohl sie während der Berlin-Blockade und für Frauen in der Nachkriegszeit Wichtiges geleistet hat, so setzte sie sich zum Beispiel für Mutterschutz im Arbeitsrecht ein oder gegen die Diskriminierung von unverheirateten Frauen, die Kinder haben. Buchner stellte Parallelen in den Biografien der Preisträgerin und der Namensgeberin der Ehrenmedaille fest und auch in dem, wofür sie sich einsetzten.

"Hat sie sie noch nicht?", sei denn auch die spontane Reaktion von Christine Bergmann auf Notz' Erhalt der Auszeichnung gewesen, als sie als Laudatorin für diesen Abend angefragt worden sei, berichtete die frühere Bundesministerin und Stadtälteste von Berlin. Louise Schroeder und Gisela Notz hätten sich sicher gut verstanden, ist sich Bergmann sicher. "Es ist schwer, aber nicht unmöglich, gegen den Strom zu schwimmen." Sie sprach über das Leben der 80-jährigen Geehrten, die immer im feministischen Kontext gearbeitet habe und sich bis heute mit "leidenschaftlicher Anteilnahme" in zahlreichen Bürgerinitiativen engagiert. Eine zentrale Forderung aus der Frauenbewegung der 70er Jahre sei noch immer offen: Die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch, der den Schwangerschaftsabbruch kriminalisiert – eines der Themen, für das sich Notz nach wie vor einsetzt, unter anderem bei der jährlichen Gegendemonstration zum "Marsch für das Leben" des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung, das die Sozialwissenschaftlerin mitgründete. So manche Heldinnen seien müde geworden, nicht aber Gisela Notz. "Wir sind noch nicht am Ziel einer friedlichen Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle", schloss die Bundesministerin a. D. ihre Laudatio.

Im Anschluss überreichte Dennis Buchner die Medaille und eine Ehrenurkunde an die Frauenforscherin, für ihr Lebenswerk und ihren Einsatz für Demokratie, Frieden, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung. Sie sei stolz, sagte die Preisträgerin in ihrer Dankesrede. Bescheiden und in Anlehnung an die Namensgeberin fügte sie hinzu, sie könne den Preis nur für die Mitstreiterinnen aus den Frauenbewegungen annehmen. Es sei nicht leicht, in Zeiten von Pandemie, Kriegen, Rechtsruck, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, sozialen Verwerfungen und zunehmender Armut und Ausgrenzung dem Anspruch Louise Schroeders gerecht zu werden. "Schließlich muss frau sich täglich die Frage stellen, ob es reicht, was sie getan hat und ob sie Kraft genug hat, für das, was sie noch tun müsste." Was sie derzeit vor allem umtreibe, so Notz mit Blick auf den Ukrainekrieg, sei die Frage, warum die Menschen so wenig aus der Geschichte gelernt hätten. Auch der Rechtsruck bereite ihr Sorgen.

Veranschaulicht durch Referenzen zu Wegbereiterinnen erinnerte sie auch an den "Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen", der am Freitag begangen wurde, und kritisierte einmal mehr, dass Paragraf 218 auch nach über 150 Jahren noch besteht. Sie zitierte die Ärztin und Sexualreformerin Else Kienle aus der Zeit der frühen 1930er Jahre, als es in Deutschland eine Massenbewegung gegen dieses "'Männergesetz' zur Unterdrückung von Frauen" gab, deren Argumentation gegen den Paragrafen sei heute noch aktuell: "Es muß doch immerhin merkwürdig berühren, daß unter so vielen errungenen Rechten eben dieses eine Grundrecht der Frau, das auf ihren eigenen Körper, abgelehnt wird und nicht sein soll." Und: "Wieviel 'unmoralischer', unfreier, unmenschlicher ist es doch, ein unerwünschtes Leben nur unter Zwang zur Welt zu bringen! Kann denn ein Dasein glücklich verlaufen, das so begonnen wurde – nicht erwünscht, ersehnt, von Zweifel und Ablehnung gestört?" – "Ein solches Gesetz wird sich auf die Dauer nicht halten können", prophezeite Kienle damals. Dazu Gisela Notz: "Leider hält es bis heute immer noch. Das sollten und das müssen wir ändern!"

Musikalisch umrahmt wurde der Festakt von emanzipatorischen Liedern, vorgetragen von Sigrid Grajek (Gesang) und Stefanie Rediske (am Klavier), die die lesbische Sängerin Claire Waldoff in einer Zeit zum Besten gegeben hatte, als Frauen in Deutschland gerade einmal seit zehn Jahren wählen durften.

Unterstützen Sie uns bei Steady!