Erst redete er in Zungen. Jetzt erzählt er in einer Talkshow, wie der liebe Gott einmal eine ganze Hand nachwachsen ließ. Der evangelikale Pastor John Kilpatrick sorgt auf YouTube zuverlässig für Erheiterung.
Schalarassabahalabankaboboh! Unser heimlicher Held, Pastor John Kilpatrick aus Daphne, Alabama, der in Zungen spricht, hat wieder neue Verkündigung auf die Erde gebracht, dieses Mal in lupenreinem Englisch oder was man eben in Daphne, Alabama, so spricht. John Kilpatrick, der ganze Säle mit seinem "Ohoschakalaka – Rappadabonkoh – huiiiiii" zu bannen vermag, ward dieses Mal nicht von der kindlichen Mitteilungsfreude des Hl. Geists überkommen, sondern konnte seinem Gastgeber Sid Roth in dessen christlicher Talkshow die ganze Zeit über Rede und Antwort stehen, nicht ohne sich dabei, als fürchtete er, sie wüchse, immer mal wieder auf putzige Weise an die eigene Nase zu fassen.
Pastor John Kilpatrick hat in diese Talkshow neue, kaum widerlegbare Beweise für die Existenz seines Gottes mitgebracht, und es sei ihm zu gönnen, denn die Behauptung der Existenz dieser Gottheit ist es ja, die seinen Laden am Laufen hält – sowie auch die evangelikale Talkshow des Gastgebers Sid "Gebiss" Roth. Ohne dass eine interessierte oder zweifelnde Nachfrage auch nur denkbar erschiene, erzählt John Kilpatrick hier folgende Story: Er habe einmal, während er predigte, erlebt, wie einem anwesenden Vietnamveteranen – Granate! – die fehlende Hand binnen Sekunden wieder nachgewachsen sei. Wegen Gott! Die Anekdote ist sogar von Sid Roths Team in Bewegtbilder gebannt worden. Noch während Kilpatrick sie erzählt, läuft zu seiner Stimme das Re-Enactment: Film-Kilpatrick, ein offensiv milde und gütig dreinblickender und überhaupt nicht wie ein Staubsaugervertreter wirkender Jungschauspieler, sieht mit jesusgleichem Lächeln zu, wie mitten im Gottesdienst die Leute ausflippen und ein Mann in Uniform, der ein bisschen an den jungen Yanis Varoufakis erinnert, aus einem schlecht gefaketen Latexgewabbel so nach und nach seine Hand herausarbeitet: Lobet den Herrn! Lobet den Herrn!
Vietnam also. Hände wachsen nach. Als ob nichts gewesen wäre. Alle sind froh. Vielleicht kann der Gott ja sogar machen, dass die Amis in Vietnam gewonnen haben? Oder das World Trade Center wieder nachwachsen lassen? Dass der junge Varoufakis möglicherweise heimlich ein Reptil sein könnte, welches Gliedmaßen wieder nachwachsen lässt, auf diese, im Vergleich zur Gottesidee noch eher naheliegende Verschwörungstheorie ist hier offensichtlich niemand gekommen. Das Vietnamtrauma aber, das in den Vereinigten Staaten immer virulent ist, hat hier seine schlichteste Heilung erhalten: Betet mal schön. Dann macht Papi alles wieder gut.
Schlichte Bilder, schlichte Geschichten sind das vielleicht Tröstlichste, was man im Erdendasein zu erwarten hat: Sie sprechen den Dreijährigen im Menschen an, ein Denkvermögen, das noch an einfache Lösungen, an Wunder glaubt. Ein Denkvermögen, das sich mit den komplexen Hintergründen US-amerikanischer Kriege nicht beschäftigen und auch im Krieg nicht mit einem schmachvollen Unentschieden und verkrüppelt nach Hause gehen mag: Filmchen wie diese sind wie gemacht für die nicht ganz so Intelligenten und die verzweifelt an eine Gottheit im Himmel glauben Wollenden.
Für uns Andere, die sich dem logischen Denken nicht verweigern mögen, taugen diese Filmchen allerdings, vorübergehend, auch: Sie bescheren uns Momente der bestürzten, verblüfften Erheiterung, der ein äußerst schaler Nachgeschmack folgt, ein bisschen wie schlechte Drogen. Man schaue einmal selbst hin, wie die Varoufakis-Echse ekstatisch ihre Hand aus der Gummihülle schiebt, oder man bewundere den Einspieler aus einer anderen Folge der Talkshow, wo ein Saxofonist nachts im Bett Nachhilfeunterricht von Jesus erhält, man schaue die Gesichter und erhobenen Hände der manisch sich in ihren Glauben Verbeißenden im Publikum an: So viel Kopfschütteln war selten. Auch Mitleid. Das also kann der Gott aus uns Menschen machen, aus ursprünglich ja vernunftbegabten, denkenden, liebenden, spielenden, lachenden Wesen.
21 Kommentare
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Und da spricht Roland Weber (Kommentator)von einer höheren Stufe, auf der der Mensch steht? Da kann man sich doch nur an's -möglicherweise vorhandene - Hirn fassen?!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hallo Kay K. Sie haben recht, wenn man in den You Tube Beiträgen sieht wie viele Menschen
Ich fand es erschreckend, mit welcher Inbrunst die Zuhörer sich ein schaaaalalabaaalala anhörten und nachbeteten. Und das soll die Krönung der "Schöpfung" sein.
Ach du Scheiße, ich habe mich Fremdgeschämt. Wenn so etwas an die Macht kommt, na dann gute Nacht.
Vielleicht fällt K.K. ja dazu ein gutes Gedicht ein.
Gruß G.B.
Kay Krause am Permanenter Link
Gerhard Baierlei! Ich glaube (ja, irgendetwas glaube ich natürlich auch. Da, wo das Wissen aufhört, beginnt immer der Glaube.
Kay Krause am Permanenter Link
Ja, lieber Meister Baierlein,
dazu fällt mir etwas ein:
Unverbesserlich sind religiöse Narren,
die auf Tradition beharren,
die mit alten Fahnen wehen,
Und solange Obernarren sie regieren,
werden sie sich nicht genieren,
werden sie mit religiösem Gott-Gebaren,
weiterleben wie vor hundert Jahren!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Gelesen und selbst einmal hingeschaut - danke, reicht.
Es gibt offenbar nichts auf dieser Welt, das es nicht im Netz gibt.
Man muss es nur finden. Und Klaus Ungerer heißen... <3
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Der Mensch, der irrt,
er ist verwirrt,
und der ganze Gottesglaube,
ist nur für Lahme, Blinde und auch Taube.
Andreas Hahn am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Wolfgang Schaefer: Die Humanität einer Gesellschaft bemisst sich daran, wie sie mit ihren Behinderten umgeht. Ihr Kommentar wertet sie drastisch ab. Sie sollten sich schämen.
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Nichts kapiert, geistig abgeschmiert! Ich meine nur geistlich behinderte. Außerdem können nur diejenigen mein kleines Gedicht abwerten, die immer ein Haar in der Suppe finden.
Vergelt's Gott!
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Ach du meine Güte,
ein Betroffenheitsfanatiker! Wenn es nach dieser Sorte Mensch geht, ist Lachen nur noch im Kohlenkeller gestattet. Zur Information:
Und sollten Sie tatsächlich Paraplegiker sein, dann ist das zwar schlecht für Sie, es ändert aber nichts an Ihrem Zustand, wenn Herr Schaefer das Versmaß seines Reimes wegen Ihnen verhunzt. Gewöhnen Sie sich an, nicht alles auf sich zu beziehen, so wichtig sind Sie nicht.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Recht so, Karl-Heinz.
Ist der Spruch nicht sogar an etwas von Goethe, den alten Spötter, angelehnt?
Zumindest aber an Mt 11, 5; die Bibel war halt noch nie wirklich zimperlich...
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Doch, ich bin sehr wichtig! Fragen Sie mal meine Frau, ich bin sogar über-gewichtig!
Beppo am Permanenter Link
Tag, Herr Hahn, ich bin auch Paraplegiker. Dennoch fühle ich mich nicht im geringsten angegriffen. Der Kontext ist hier ein Anderer. Missverständnisse heizen unnötig auf.
Andreas Scholz am Permanenter Link
lustiger beitrag aber nach:
"noch eher naheliegende Verschwörungstheorie"
hab ich dann aufgehört zu lesen. thema ist egal, es muss halt verschwörungstheorie drin vorkommen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Sie sollten trotzdem den Artikel zu Ende lesen. Ich weiss Verschwörungstheorie ist ein Reizwort, aber nur deswegen ist der gesamte Artikel nicht ohne lesungswert.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Ganz großen Dank an Klaus Ungerer. Jetzt weiß ich endlich, warum Jesus mir nie im Traum erscheint.
A.S. am Permanenter Link
Habe mit wirklich Gläubigen zu tun. Die brauchen ihre Wunder-Geschichten wie Junkies den nächsten Schuss. Je doller, desto besser; die Dosis muss regelmäßig steigen für einen guten Trip.
Und wie jeder Dealer müht sich jeder Priester um mehr Abhängige. Und wie bei der Drogen-Mafia: Viele Dealer dealen um ihre eigene Sucht zu finanzieren.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Klasse Sichtweise A.S.
stimme zu G.B.
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Ich sah auf Arte einen Film über den Besuch der Regensburger Domspatzen im "Heiligen Land" u.a.
Also ein Christ glaubt nicht an dieses Wunder aber an alle anderen glaubt er? "Bisschen dünn der Glaube. Wenn als jemand sagt, eins und eins ist zwei, aber fünf und fünf, nein das glaube ich nicht, geht das? Wie kann man sich auch dem Christentum die Rosinen herauspicken und verkünden, ich bin ein gläubiger Christ?"
"Kapierst du es denn nicht, Christen können das!!" "Ach so!"
Kay Krause am Permanenter Link
Wolfgang Schaefer, das ist genau meine Erfahrung!
Letztlich kommen wir immer wieder auf das selbe Fazit zurück:dieser mafiös strukturierte, staatsausbeutende Kirchenverein besteht aus einer heuchlerischen Bande von arbeitscheuen Schwarzkitteln mit Spitzenbesatz, für die Gott, Religion und Glaube lediglich Mittel zum Zweck zur Erhaltung seiner Pfründe sowie weiterer Reichtums-Anhäufung!Je eher wir uns von diesem Verein distanzieren, je eher werden wir auf einem erfolgreichen Weg zum säkularen Staat sein, und einer realistischen Demokratie näher kommen!
Kay Krause am Permanenter Link
Wie schade, dass man über die übrigen Machenschaften, Märchen und Wunder der Kirchen nicht so herzlich lachen kann, wo ich doch so gerne lache!
Kay Krause am Permanenter Link
Es geht der freche Mario,
zum Lachen gern auf's Herrenklo.
Da dieses öffentlich gedacht,
hat man folgendes gemacht:
Um die Herren zu erheitern,
ihren Glauben zu erweitern,
man auch beim Pissen uns'res "Herrn" gedenkt!
So können Söder und Consorten hier,
beten und frohlocken nach dem vierten Bier